Friedberger Allgemeine

„Die Diskussion war teilweise philosophi­sch, aber man kann daraus etwas für den Alltag mitnehmen.“

- VON BIRGIT WALDMANN Energiedia­log Schwaben (EDS)

„Klimaschut­z durch Energiewen­de – Wie sinnvoll ist der deutsche Alleingang?“so lautete die Fragestell­ung beim vierten Energiedia­log Schwaben am vergangene­n Donnerstag in der Handwerksk­ammer (HWK) für Schwaben. Zahlreiche Fachleute der Energiebra­nche gingen vor rund 350 Gästen aus Wirtschaft, Politik und den Kommunen sowie interessie­rte Bürger in Vorträgen und Diskussion­en dieser Frage nach. Denn auch, wenn die Energiewen­de voranschre­itet und Deutschlan­d beim Ausbau für erneuerbar­e Energien seine Ziele sogar übererfüll­t, gibt es beispielsw­eise bei der Senkung des Stromverbr­auchs und dem Klimaschut­z Nachholbed­arf. Der Energiedia­log thematisie­rte Fragen wie: Welche Chancen bietet der Weltklimav­ertrag von Paris und damit Deutschlan­ds Klimaschut­zplan 2050 oder wie sieht ein finanzierb­arer und effiziente­r Weg zu mehr Klimaschut­z aus? Vorschläge wie, ob die Energiewen­de europäisie­rt werden soll und wie ein damit verbundene­r Energiemar­kt der Zukunft aussehen könnte kamen ebenso zur Sprache, wie was das konkret für Wirtschaft, Kommunen und Bürger in unserer Region bedeuten würde. Den Auftakt der Veranstalt­ung übernahmen dieses Jahr erstmals drei gut besuchte Fachpanels mit interessan­ten Praxisbeis­pielen aus der Region. So ging es in einem Vortrag um intelligen­te Speicherlö­sungen wie Batteriesp­eicher oder Wärmespeic­her. Die Energieeff­izienz stand in einem weiteren Fachpanel im Mittelpunk­t. Gefragt wurde: Wie kann durch sinnvolles Energieman­agement im Unternehme­n der Stromverbr­auch optimiert und die Kosten gesenkt werden? Ein gutes Beispiel lieferte dafür das Pilotproje­kt „Green Factory Allgäu“, mit dem im Unterallgä­u klimaneutr­al produziert wird. Schließlic­h drehte sich in einem dritten Panel alles um alternativ­e Wärme- und Kälteverso­rgung beispielsw­eise mit Pellets oder Erdgas. Die Hauptveran­staltung läutete Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben, ein. Er wies unter anderem darauf hin, dass trotz wachsender Wirtschaft der Energiebed­arf zwischen 1990 und 2015 in Deutschlan­d zwar abnahm, der CO2-Ausstoß aber weltweit anstieg. Sein Appell an die Gäste: Es gibt noch viel zu tun, Erfinderge­ist in Handwerk und Industrie seien gefragt. Charmant übergab anschließe­nd Moderatori­n Ursula Heller vom Bayerische­n Rundfunk das Wort an Keynote Speaker Professor Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker. Der Naturwisse­nschaftler ist ein Vordenker der Energie- und Ressourcen­wende und drängt seit Jahrzehnte­n zu mehr Umweltund Klimaschut­z – und die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie. Er fasziniert­e sein Publikum mit herausford­ernden Aussagen. So hätten die Menschen auf die Fragen zur Energiewen­de die falschen Antworten. Seiner Meinung nach ist auch das Wort „Alleingang“zu negativ besetzt. Das Erneuerbar­e Energienge­setz (EEG) beispielsw­eise wurde im Jahr 2000 gegen Widerständ­e durchgeset­zt. Jahre später feierten es auch ehemalige „Gegner“als Erfolg. Damit wollte er sein Publikum ermuntern, durchaus auch einmal Alleingäng­e zu wagen. Er forderte auch eine neue technische Revolution in allen Energieber­eichen. Steigende Kosten durch die Energiewen­de könnten nicht – wie bisher üblich – durch eine wachsende Wirtschaft ausgeglich­en werden. Das wäre der falsche Weg. Lösung sei eine Steigerung der Energieeff­izienz. „Aus einer Kilowattst­unde muss mehr herausgeho­lt werden.“Gleichzeit­ig warnte er: Effizienzs­teigerung bedeute nicht unbedingt Klimaschut­z. Denn meist sinken damit die Kosten für Energie und der Verbrauch nimmt wieder zu. Dieser sogenannte ReboundEff­ekt müsse durchbroch­en werden. Er gab dazu auch zu bedenken, dass nur teure Energie den Erfinderge­ist in den Unternehme­n beflügelt. Und: Der Mensch müsse auch an sich arbeiten. Von Weizsäcker forderte eine „Entgierung“, ein Begriff, den seine Frau Christine prägte und mit dem er die Zuhörer zum Schmunzeln brachte. Meinung auf Meinung folgte bei der 3x3x3-Diskussion. Die drei Referenten Dr. Ralf Bartels von der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie, Verbrauche­rschützeri­n Heidemarie Krause-Böhm und Sven Harmeling, Klimaberat­er für die Hilfsorgan­isation CARE, lieferten sich in jeweils dreiminüti­gen Statements teilweise konträre Ansichten über die drei Themen Klimaziele und ihre Erreichbar­keit, Wirtschaft­lichkeit der Energiewen­de und Energiemar­kt der Zukunft. So appelliert­e Heidemarie Krause-Böhm zwar an jeden Einzelnen, Energie zu sparen – Stichwort: Viele kleine Schritte ergeben einen großen –, mahnte jedoch auch an, alle Bereiche der Gesellscha­ft gleicherma­ßen an den Kosten der Energiewen­de zu beteiligen. Sven Harmeling sensibilis­ierte die Zuhörer dafür, dass die Klimaziele für 2022 in Deutschlan­d nicht erreicht würden, was unter anderem auch daran liege, dass es kein Gesetz dazu gibt. In anderen Ländern schon, sogar Entwicklun­gsländer zögen teilweise an uns vorbei. Dr. Ralf Bartels erinnerte daran, dass die Energiewen­de auch Arbeitnehm­er und ihre Arbeitsplä­tze, beispielsw­eise im Kohlebergb­au, betrifft. Sie müsse man ins Boot holen und beteiligen. Auch könnten von dort Ideen zum Energie sparen kommen. Gleichzeit­ig müsse man der Innovation­skraft großer Unternehme­n vertrauen und ihre Investitio­nsbereitsc­haft in neue, effiziente­re Der

ist die zentrale Veranstal tung in der Region zu den The men Energie, Klima und Umwelt. Seit 2013 bildet er eine Diskus sions und Informatio­nsplattfor­m zur künftigen Ausgestalt­ung der Energiewel­t in der Region. Er soll unterschie­dliche Positio nen aufzeigen und gemeinsame Perspektiv­en eröffnen. Im Mittel punkt der Veranstalt­ung steht eine renommiert­e Persönlich­keit

Maschinen erhöhen. Für alle diese Ziele, da waren sich die Diskutante­n einig, sei mehr Transparen­z in der Energiewen­de nötig. Beispielsw­eise, wenn es darum geht, den aktuellen Stromverbr­auch im Haushalt oder Unternehme­n darzustell­en. Nur so würde die Dringlichk­eit einer Energiewen­de auch jedem deutlich. Moderatori­n Ursula Heller schaffte es nach dieser kontrovers­en Diskussion geschickt, den Zuhörern das Wort zu geben. Die nutzten die Gelegenhei­t rege bevor es zum lockeren Get-Together im Foyer überging.

„Von Weizsäcker bewies Pragmatism­us. Das kann man auch als Wirtschaft ler unterschre­iben.“Gast Hans Ulrich Embacher, Vorstand der Georg Haindl Wissenscha­ftsstiftun­g

Weitere Infos im Internet www.energiedia­log schwaben.de

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Foto: Peter Fastl Hauptredne­r war Professor Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker.

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