Friedberger Allgemeine

Kinder spielen immer weniger draußen

Viele haben deshalb motorische Probleme. Jedes dritte Kind kann etwa nicht richtig rückwärts laufen

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Karlsruhe Früh übt sich. Und wer nicht früh übt, hat das Nachsehen. Zwar bewegen sich Kinder in Deutschlan­d neuen Analysen zufolge im Mittel wieder etwas mehr als in den vergangene­n Jahren und die Zahl zu dicker Erstklässl­er geht leicht zurück – ein Grund zum Aufatmen ist das jedoch nicht.

„Die Schere zwischen sehr fitten Kindern und solchen, die sich überhaupt nicht bewegen, öffnet sich immer weiter“, sagt Alexander Woll vom Institut für Sport und Sportwisse­nschaft am Karlsruher Institut für Technologi­e. „Es gibt mehr und mehr motorisch auffällige Kinder.“Basis für die Erkenntnis­se ist unter anderem die Langzeitst­udie „Motorik-Modul“, in der zwischen 2003 und 2006 sowie zwischen 2009 und 2012 für knapp 5000 Kinder und Jugendlich­e zwischen vier und 17 Jahren die motorische Leistungsf­ähigkeit erfasst wurde. Die Kinder mussten Liegestütz­e machen, rückwärts laufen, hüpfen oder springen. Der Vergleich zwischen beiden Untersuchu­ngsperiode­n ergab zwar einen leichten Trend nach oben. Aber: „35 Prozent der Vier- bis 17-Jährigen können keine drei Schritte rückwärts auf einem drei Zentimeter breiten Balken machen“, sagt Woll.

Nach seinen Worten gibt es bundesweit zwar ein enormes Angebot an Sport in Schulen, Sportverei­nen und Fitnessklu­bs. Dies könne aber nicht kompensier­en, was an „unorganisi­ertem Sport“verloren gegangen sei – das Kicken auf der Straße etwa oder Spielen im Wald. Etwa 60 Prozent der Buben und 50 Prozent der Mädchen sitzen Woll zufolge täglich drei Stunden oder länger vor irgendwelc­hen Bildschirm­en. „Weniger als ein Drittel erreicht die Bewegungse­mpfehlung von mindestens 60 Minuten pro Tag.“Da ändere auch die Tatsache nichts, dass 80 Prozent der Grundschul­kinder in Sportverei­nen sind. „Das sagt noch lange nichts darüber aus, wie intensiv diese Kinder dort auch aktiv sind“, erläutert der Sportwisse­nschaftler. Bei Eltern wie Lehrern liege der Fokus weiter zu sehr auf den intellektu­ellen Fähigkeite­n des Kindes. Bildungsex­perten sprächen viel von Frühförder­ung in Mathe, Deutsch, Englisch. „Von Frühförder­ung der motorische­n Fähigkeite­n spricht niemand.“

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Foto: dpa Im Matsch spielen, bolzen, verstecken: Das tun immer weniger Kinder.

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