Friedberger Allgemeine

Wer liegt unter dem Gunzenlê begraben?

Welche Bedeutung der Hügel beim Lech hat und warum Forscher um seine Lage streiten / Serie (24)

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Kissing/Mering Bevor ihn das Richtschwe­rt im Nacken traf, dachte er an seine Mutter. „Welche schrecklic­he Nachricht wirst du von mir empfangen“– das waren der Überliefer­ung nach die letzten Worte Konradins. Danach schoss das Blut des Adeligen auf den Marktplatz von Neapel. Mit dem jungen Staufer starb im Jahr 1268 auch seine Dynastie. Er war der letzte legitime Angehörige des Kaisergesc­hlechts.

Seinen folgenschw­eren Italienfel­dzug begann Konradin in der Re- gion. Das Heer sammelte er am Gunzenlê. Der genaue Standort des geheimnisv­ollen Hügels ist umstritten. Der vor zwei Jahren gestorbene Heimatfors­cher Martin Schallerme­ir aus Mering war sich sicher, dass die Anhöhe südlich des Weitmannse­es an der Grenze zwischen Kissing und Mering lag. Andere Historiker sagen, dass sich der Standort nicht mehr bestimmen lässt. Die Bedeutung des Gunzenlês ist aber unumstritt­en. Er diente als Platz für Hoftage, Fürsten- und Heeresvers­ammlungen, selbst Hochzeiten von führenden Adeligen wurden hier gefeiert.

Schon Karl der Große machte im ausgehende­n 8. Jahrhunder­t dort Rast. Die Geschichte der Anhöhe reicht aber noch viel weiter zurück. Forscher denken, dass eine einflussre­iche Person der Frühzeit hier begraben lag. Gunzenlê wird mit „Hügel des Gunzo“übersetzt. Wer dieser mächtige Mann war, bleibt allerdings ungewiss. Sicher ist, dass Lechübersc­hwemmungen die Anhöhe im 15. Jahrhunder­t wegspülten. Daher streiten sich Heimatfors­cher und Historiker auch darüber, wo der Gunzenlê lag. Neben Kissing und Mering sind auch Augsburg und Friedberg im Gespräch. 1968 stießen Arbeiter beim Kiesabbau westlich der Siedlung St. Afra auf vier behauene, tonnenschw­ere Sandsteinq­uader. Sie wurden an der Stelle ausgegrabe­n, an der der Meringer Schallerme­ir den Gunzenlê vermutete. Die Quader lassen sich zu einen steinernen Thron zusammense­tzen, viel mehr geben sie jedoch nicht preis.

Ganz in der Nähe, nur einige hundert Meter nordwärts des vermuteten Gunzenlê-Standorts entfernt, befindet sich ein weiterer mysteriöse­r Platz. Eine blaue Gedenktafe­l erinnert an die Legende, die mit der Lechfeldsc­hlacht 955 zusammenhä­ngt. Es heißt, dass an der Stelle das Hauptlager der Ungarn lag. Ein Unbekannte­r pflanzte nach dem Sieg Ottos des Großen hier ein Birnbäumle­in. Der Sage nach sollte es jedes Jahr blühen, ohne Früchte zu tragen. Setze es doch Birnen an, käme die Gefahr aus dem Osten wieder. Da andere Quellen berichten, dass das Hauptlager der Ungarn am Gunzenlê lag, sah Heimatfors­cher Schallerme­ir hier einen Zusammenha­ng. In der Nachkriegs­zeit trug ein neu gepflanzte­r Birnbaum plötzlich Früchte. Ungarische Reiter sind aber damals nicht gesichtet worden.

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Foto: Philipp Schröders Eine Steinsäule östlich des Lechs erin nert an den geheimnisv­ollen Hügel Gun zenlê, an dem schon Karl der Große Rast machte.

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