Friedberger Allgemeine

Wenn eine Tram zum Kundendien­st muss

Weil die Stadtwerke ihre 41 Combinos nach und nach zur Wartung transporti­eren müssen, gibt es vorübergeh­end Engpässe. Wie die Verkehrsbe­triebe diese meistern wollen und wann neue Fahrzeuge kommen

- VON STEFAN KROG

Es ist meist nach Mitternach­t, wenn vom Straßenbah­nbetriebsh­of in der Baumgartne­rstraße rund 40 Tonnen auf Reisen gehen. Am Vortag wurde die Combino-Straßenbah­n mit einem Stahlseil auf den Spezialtie­flader gezogen, nachts geht es dann auf die mehr als 500 Kilometer lange Reise in ein Siemens-Werk bei Mönchengla­dbach. Andere Komponente­n landen in einem Werk in Graz zur Hauptunter­suchung.

Momentan müssen die Stadtwerke größere Teile ihrer Straßenbah­nflotte (86 Stück) generalübe­rholen lassen. Das bekommen die Fahrgäste indirekt zu spüren. Es werde keine Ausfälle von Fahrten geben, versichern die Verkehrsbe­triebe. Einschränk­ungen im Komfort sind aber möglich. Denn es ist absehbar, dass in Spitzenzei­ten zwischen 15 und 20 Prozent des Niederflur-Fuhrparks wegfallen werden. „Bisher sind uns aber keine größeren Einschränk­ungen aufgefalle­n“, sagt Errol Yazgac, Vorsitzend­er des Fahrgastve­rbandes „Pro Bahn“.

Bis 2019 werden die Stadtwerke alle ihre 41 Combino-Straßenbah­nen jeweils für einige Wochen vorübergeh­end außer Betrieb nehmen müssen, um sie zur alle 16 Jahre fälligen Hauptunter­suchung zu bringen. Parallel steht bei den CityflexZü­gen, dem zweiten Großraumty­p in der Augsburger Straßenbah­nflotte, die erste kleinere Untersuchu­ng nach acht Jahren an.

„In erster Linie wird der sichere Betrieb geprüft, also Bremsen, Türen, tragende Teile, Elektrik“, so Klaus Röder, Leiter Materialwi­rtschaft und Fahrzeugwe­rkstätten bei den Stadtwerke­n. Zudem gibt es teils neue Polster und bei den Combinos einen neuen Fußboden. Denn pro Jahr fährt jede der 79 Augsburger Niederflur-Straßenbah­nen zwischen 50000 und 70000 Kilometer.

Bis zu sechs Straßenbah­nen werden in den kommenden zwei Jahren gleichzeit­ig nicht in Augsburg sein. Hinzu kommen im Durchschni­tt immer drei Züge mit Unfallschä­den und drei planmäßige Ausfälle wegen kleinerer Instandhal­tungen. Die Räder von Straßenbah­nen regelmäßig abzudrehen, damit sie wieder rund laufen, erledigen die Stadtwerke zum Beispiel selbst. Dafür müssen die Achsen ausgebaut werden.

Wegen der Ausfälle im Fuhrpark sind seit einigen Monaten die kurzen Niederflur GT6-Züge, die sonst nur nach Friedberg fahren, auch auf der Linie 3 unterwegs. Auch die sieben M-Wagen aus den 80er-Jahren, die als einzige Augsburger Tramtypen keinen Niederflur­einstieg, sondern noch Treppen haben, sind verstärkt unterwegs. Auch wenn die über 30 Jahre alten Züge nicht mehr den Qualitätss­tandards der Stadtwerke entspreche­n, sei man froh, sie noch zu haben, so Stefanie Rohde, Bereichsle­iterin für den Fahrbetrie­b. „Andernfall­s müssten Fahrten aus- fallen.“Damit Senioren oder Mütter mit Kinderwage­n einigermaß­en problemlos mobil bleiben können, sollen keine zwei M-Wagen hintereina­nder fahren. Auf die Einhaltung dieses Verspreche­ns pocht „Pro Bahn“. In Einzelfäll­en habe man schon das Gegenteil beobachtet. Die Stadtwerke gehen davon aus, den vorübergeh­enden Wegfall der Züge meistern zu können. In der Spitzenzei­t am Morgen zwischen 7 und 8 Uhr sind 68 Straßenbah­nen unterwegs, im normalen Fünf-MinutenTak­t rollen 63 Trams durchs Augsburger Netz. Dafür habe man trotz der Reparature­n die nötigen Reserven, so Rohde.

Gleichwohl ist es in der Morgenspit­ze eng in den Straßenbah­nen. Die Stadtwerke kürzten vor einem Jahr geringfügi­g die Kapazität, weil sie die alten Trams nicht mehr im Berufsverk­ehr haben wollten. Vor allem sorgt der Fahrgastzu­wachs (61 Millionen Fahrgäste im Jahr 2016), der mit der Tarifrefor­m noch an Dynamik gewinnen soll, aber für vollere Trams. Zusatzfahr­ten könnten künftig ein Thema werden, wo die Infrastruk­tur dies hergibt. „Vom Königsplat­z in Richtung Süden fahren jetzt drei Linien, in Richtung Berufsschu­len und Universitä­t auch mit Verstärker­fahrten. Viel mehr bekommen wir auf den Gleisen gar nicht unter“, sagt Rohde. Teils ließe sich die Raumnot dadurch vermeiden, dass Fahrgäste sich nicht nur in Nähe von Türen Stehplätze suchen, sondern weiter ins Innere gehen. „Es gibt mitunter eine Enge, die nicht sein müsste, weil die Straßenbah­n nur zu zwei Dritteln voll ist“, sagt Rohde.

Bis in Augsburg eine neue Straßenbah­ngeneratio­n an den Start geht, wird es noch etwas dauern. In den vergangene­n 15 Jahren gab es einen großen Generation­swechsel mit den 40 Meter langen Niederflur­straßenbah­nen. „Wir bereiten aber die nächste Ausschreib­ung schon vor“, sagt Röder. Zum einen werden die Tage der M-Wagen irgendwann doch gezählt sein, zum anderen werden die Stadtwerke mit der Verlängeru­ng der Linie 3 nach Königsbrun­n und der Inbetriebn­ahme der Linie 5 weitere Fahrzeuge brauchen. Wie viele es sein werden, ist noch unsicher. „Das hängt von der genauen Linienführ­ung ab und den Geschwindi­gkeiten, die man fahren kann“, so Röder. Beide Linien befinden sich noch im konkreten Planungsst­adium.

Dass die Stadtwerke mit dem Kauf weiterer Trams warten, hat noch einen anderen Grund: Straßenbah­nen werden meist im Paket von mindestens zehn Zügen bestellt, weil Trams für jede Stadt in besonderen Ausführung­en geliefert werden. Kleinere Bestellmen­gen erhöhen die Kosten pro Zug. Zudem stellt sich ein weiteres Problem: Das Depot in der Baumgartne­rstraße dürfte irgendwann nicht mehr reichen. Schon jetzt stellen die Stadtwerke Züge nachts in der Wendeschle­ife am Fußballsta­dion ab. Dann müsste angebaut oder ein zweites Depot aufgebaut werden.

M8C

Anzahl: 7 Hersteller: MAN/Duewag Baujahr: 1985 Länge: 26 Meter Kapazität: 137 Fahrgäste (davon 46 Sitzplätze)

Typ: Hochflur mit Trittstufe­n

GT6

Anzahl: 11 Hersteller: MAN/Duewag Baujahr: 1996 Länge: 27 Meter Kapazität: 156 Fahrgäste (davon 46 Sitzplätze)

Typ: Niederflur

Combino

Anzahl: 41 Hersteller: Siemens Baujahr: 1999 bis 2003 Länge: 42 Meter Kapazität: 252 Fahrgäste (davon 101 Sitzplätze)

Typ: Niederflur

Cityflex

Anzahl: 27 Hersteller: Bombardier Baujahr: 2009 Länge: 41 Meter Kapazität: 228 Fahrgäste (davon 85 Sitzplätze)

Typ: Niederflur

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Jakob Stadler Eine Straßenbah­n geht auf Reisen: Ein Combino Zug wird im Depot in der Baumgartne­rstraße auf einen Tieflader gezogen. 41 Züge müssen zur Hauptunter­suchung.
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