Wenn eine Tram zum Kundendienst muss
Weil die Stadtwerke ihre 41 Combinos nach und nach zur Wartung transportieren müssen, gibt es vorübergehend Engpässe. Wie die Verkehrsbetriebe diese meistern wollen und wann neue Fahrzeuge kommen
Es ist meist nach Mitternacht, wenn vom Straßenbahnbetriebshof in der Baumgartnerstraße rund 40 Tonnen auf Reisen gehen. Am Vortag wurde die Combino-Straßenbahn mit einem Stahlseil auf den Spezialtieflader gezogen, nachts geht es dann auf die mehr als 500 Kilometer lange Reise in ein Siemens-Werk bei Mönchengladbach. Andere Komponenten landen in einem Werk in Graz zur Hauptuntersuchung.
Momentan müssen die Stadtwerke größere Teile ihrer Straßenbahnflotte (86 Stück) generalüberholen lassen. Das bekommen die Fahrgäste indirekt zu spüren. Es werde keine Ausfälle von Fahrten geben, versichern die Verkehrsbetriebe. Einschränkungen im Komfort sind aber möglich. Denn es ist absehbar, dass in Spitzenzeiten zwischen 15 und 20 Prozent des Niederflur-Fuhrparks wegfallen werden. „Bisher sind uns aber keine größeren Einschränkungen aufgefallen“, sagt Errol Yazgac, Vorsitzender des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“.
Bis 2019 werden die Stadtwerke alle ihre 41 Combino-Straßenbahnen jeweils für einige Wochen vorübergehend außer Betrieb nehmen müssen, um sie zur alle 16 Jahre fälligen Hauptuntersuchung zu bringen. Parallel steht bei den CityflexZügen, dem zweiten Großraumtyp in der Augsburger Straßenbahnflotte, die erste kleinere Untersuchung nach acht Jahren an.
„In erster Linie wird der sichere Betrieb geprüft, also Bremsen, Türen, tragende Teile, Elektrik“, so Klaus Röder, Leiter Materialwirtschaft und Fahrzeugwerkstätten bei den Stadtwerken. Zudem gibt es teils neue Polster und bei den Combinos einen neuen Fußboden. Denn pro Jahr fährt jede der 79 Augsburger Niederflur-Straßenbahnen zwischen 50000 und 70000 Kilometer.
Bis zu sechs Straßenbahnen werden in den kommenden zwei Jahren gleichzeitig nicht in Augsburg sein. Hinzu kommen im Durchschnitt immer drei Züge mit Unfallschäden und drei planmäßige Ausfälle wegen kleinerer Instandhaltungen. Die Räder von Straßenbahnen regelmäßig abzudrehen, damit sie wieder rund laufen, erledigen die Stadtwerke zum Beispiel selbst. Dafür müssen die Achsen ausgebaut werden.
Wegen der Ausfälle im Fuhrpark sind seit einigen Monaten die kurzen Niederflur GT6-Züge, die sonst nur nach Friedberg fahren, auch auf der Linie 3 unterwegs. Auch die sieben M-Wagen aus den 80er-Jahren, die als einzige Augsburger Tramtypen keinen Niederflureinstieg, sondern noch Treppen haben, sind verstärkt unterwegs. Auch wenn die über 30 Jahre alten Züge nicht mehr den Qualitätsstandards der Stadtwerke entsprechen, sei man froh, sie noch zu haben, so Stefanie Rohde, Bereichsleiterin für den Fahrbetrieb. „Andernfalls müssten Fahrten aus- fallen.“Damit Senioren oder Mütter mit Kinderwagen einigermaßen problemlos mobil bleiben können, sollen keine zwei M-Wagen hintereinander fahren. Auf die Einhaltung dieses Versprechens pocht „Pro Bahn“. In Einzelfällen habe man schon das Gegenteil beobachtet. Die Stadtwerke gehen davon aus, den vorübergehenden Wegfall der Züge meistern zu können. In der Spitzenzeit am Morgen zwischen 7 und 8 Uhr sind 68 Straßenbahnen unterwegs, im normalen Fünf-MinutenTakt rollen 63 Trams durchs Augsburger Netz. Dafür habe man trotz der Reparaturen die nötigen Reserven, so Rohde.
Gleichwohl ist es in der Morgenspitze eng in den Straßenbahnen. Die Stadtwerke kürzten vor einem Jahr geringfügig die Kapazität, weil sie die alten Trams nicht mehr im Berufsverkehr haben wollten. Vor allem sorgt der Fahrgastzuwachs (61 Millionen Fahrgäste im Jahr 2016), der mit der Tarifreform noch an Dynamik gewinnen soll, aber für vollere Trams. Zusatzfahrten könnten künftig ein Thema werden, wo die Infrastruktur dies hergibt. „Vom Königsplatz in Richtung Süden fahren jetzt drei Linien, in Richtung Berufsschulen und Universität auch mit Verstärkerfahrten. Viel mehr bekommen wir auf den Gleisen gar nicht unter“, sagt Rohde. Teils ließe sich die Raumnot dadurch vermeiden, dass Fahrgäste sich nicht nur in Nähe von Türen Stehplätze suchen, sondern weiter ins Innere gehen. „Es gibt mitunter eine Enge, die nicht sein müsste, weil die Straßenbahn nur zu zwei Dritteln voll ist“, sagt Rohde.
Bis in Augsburg eine neue Straßenbahngeneration an den Start geht, wird es noch etwas dauern. In den vergangenen 15 Jahren gab es einen großen Generationswechsel mit den 40 Meter langen Niederflurstraßenbahnen. „Wir bereiten aber die nächste Ausschreibung schon vor“, sagt Röder. Zum einen werden die Tage der M-Wagen irgendwann doch gezählt sein, zum anderen werden die Stadtwerke mit der Verlängerung der Linie 3 nach Königsbrunn und der Inbetriebnahme der Linie 5 weitere Fahrzeuge brauchen. Wie viele es sein werden, ist noch unsicher. „Das hängt von der genauen Linienführung ab und den Geschwindigkeiten, die man fahren kann“, so Röder. Beide Linien befinden sich noch im konkreten Planungsstadium.
Dass die Stadtwerke mit dem Kauf weiterer Trams warten, hat noch einen anderen Grund: Straßenbahnen werden meist im Paket von mindestens zehn Zügen bestellt, weil Trams für jede Stadt in besonderen Ausführungen geliefert werden. Kleinere Bestellmengen erhöhen die Kosten pro Zug. Zudem stellt sich ein weiteres Problem: Das Depot in der Baumgartnerstraße dürfte irgendwann nicht mehr reichen. Schon jetzt stellen die Stadtwerke Züge nachts in der Wendeschleife am Fußballstadion ab. Dann müsste angebaut oder ein zweites Depot aufgebaut werden.
M8C
Anzahl: 7 Hersteller: MAN/Duewag Baujahr: 1985 Länge: 26 Meter Kapazität: 137 Fahrgäste (davon 46 Sitzplätze)
Typ: Hochflur mit Trittstufen
GT6
Anzahl: 11 Hersteller: MAN/Duewag Baujahr: 1996 Länge: 27 Meter Kapazität: 156 Fahrgäste (davon 46 Sitzplätze)
Typ: Niederflur
Combino
Anzahl: 41 Hersteller: Siemens Baujahr: 1999 bis 2003 Länge: 42 Meter Kapazität: 252 Fahrgäste (davon 101 Sitzplätze)
Typ: Niederflur
Cityflex
Anzahl: 27 Hersteller: Bombardier Baujahr: 2009 Länge: 41 Meter Kapazität: 228 Fahrgäste (davon 85 Sitzplätze)
Typ: Niederflur