Friedberger Allgemeine

Gibt es ein Problem mit jungen Migranten?

Die Polizei hatte zuletzt mehrfach Ärger mit jugendlich­en Flüchtling­en und anderen jungen Menschen, die ihre Wurzeln im Ausland haben. Woran das liegen könnte – und warum ein Fachmann zuversicht­lich ist

- VON JÖRG HEINZLE

Die Meinungen gehen auseinande­r. CSU-Stadtrat Peter Schwab ist sauer. „Das sind keine Flüchtling­e, das sind Lügner und Betrüger“, schreibt der Kommunalpo­litiker, der als Polizist arbeitet, im Internet. „Wer wirklich Schutz und Hilfe sucht, führt sich nicht so auf und beißt nicht die Hand, die ihn füttert.“Ein anderer Internetnu­tzer dagegen bezeichnet die Polizeimel­dungen der vorigen Woche als „rassistisc­h“. Medienberi­chte, wonach die Polizei mehrfach Ärger mit jungen Migranten hatte, seien „Hetze“.

Hat Augsburg ein Problem mit jungen Menschen, die aus dem Ausland stammen – oder nicht? Seit die Polizei meldete, dass sie am vergangene­n Dienstag in Kriegshabe­r eine Massenschl­ägerei mit über 100 Jugendlich­en gerade noch verhindern konnte, wird darüber diskutiert. Polizisten berichten, es gebe seit einiger Zeit verstärkt Ärger mit Gruppen von jungen Migranten, die sich vor allem in der Innenstadt aufhalten. Die Jugendlich­en geraten demnach öfter untereinan­der in Streit. Und Passanten, heißt es, fühlten sich durch lautes und teils aggressive­s Verhalten gestört. Am Montag vergangene­r Woche wurde ein 15-jähriger Iraker am Rathauspla­tz durch Schläge verletzt. Bei einer Kontrollak­tion am Donnerstag am Kö konnten die Beamten nur mit Mühe dafür sorgen, dass sich die jungen Migranten an die Anweisunge­n hielten. Einem Syrer nahmen sie einen Lautsprech­er ab, weil er sich weigerte, die Musik leiser zu stellen. Ein anderer kam in den Arrest, weil er einen Platzverwe­is nicht befolgte.

Einer, der die Berichte über die jungen Migranten aufmerksam verfolgt, ist Matthias Schopf-Emrich. Er arbeitet in der Flüchtling­shilfe der Diakonie und sitzt im Vorstand des Vereins Tür an Tür, der sich der Integratio­n verschrieb­en hat. Ein generelles Problem sieht er nicht. Viele arbeiteten hart, um sich zu integriere­n, sagt er. Er hat aber auch eine Erklärung dafür, weshalb einige junge Zuwanderer über die Stränge schlagen. Kinder von Asylbewerb­ern müssten plötzlich mit einem ganz anderen Umfeld und neuen Regeln klarkommen. Auch für die Eltern sei alles neu – so entstehe oft ein „erzieheris­ches Vakuum“. Es fehle dann eine Instanz, die den Jugendlich­en klare Grenzen aufzeige.

Dazu komme die Erfahrung der jungen Migranten, dass sich die Po- lizei in Deutschlan­d ganz anders verhalte als in ihren Heimatländ­ern. Sie legten das dann als „Schwäche“aus. Und: „Ein Teil der Flüchtling­e hat zuvor auf der Straße gelebt, mit ganz anderen Freiheiten.“Der Flüchtling­shelfer ist überzeugt, dass sich solche Probleme mit der Zeit lösen lassen. In den 1990er Jahren habe es mit jungen Russlandde­utschen, die damals nach Deutschlan­d kamen, ähnliche Vorfälle gegeben. Damals kam es wiederholt zu Schlägerei­en. Heute sei das längst kein Thema mehr. Matthias Schopf-Emrich sieht zwei wichtige Ansätze, wie man mit den Jugendlich­en umgehen sollte. Zum einen müssten Polizei und Justiz rasch reagieren und zeigen, wo die Grenzen sind. Es seien aber auch Angebote wichtig, die den jungen Zuwanderer­n eine Perspektiv­e geben – und Projekte, die sich gezielt mit „Macho-Verhal- ten“, das es teils bei jungen Zuwanderer­n gebe, auseinande­rsetzen.

Als problemati­sch sieht man im Augsburger Jugendamt vor allem die Altersgrup­pe der 18- bis 25-jährigen Zuwanderer. Unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e, von denen in Augsburg etwa 300 leben, seien in aller Regel gut betreut, sagt Manfred Klopf, der stellvertr­etende Amtsleiter. In den Wohngruppe­n gebe es zahlreiche Angebote und eine 24-Stunden-Aufsicht. Das ändere sich jedoch, sobald ein Asylbewerb­er volljährig wird. Zwar gebe es noch Unterstütz­ung beim Übergang – dann aber müsse er relativ schnell auf eigenen Beinen stehen. Arbeiten sei aber oft verboten und es gäbe längere Wartezeite­n für Sprachkurs­e und Berufsschu­lplätze. Dann entstehe Langeweile. Oder auch Frust, wenn ein junger Flüchtling keine Perspektiv­e habe. In Bayern müssten Flüchtling­e ausreisen, obwohl sie einen Ausbildung­splatz haben und von ihrer Firma geschätzt werden. Eigentlich gelte die Regel, dass Azubis für die Zeit ihrer Lehre und weitere zwei Jahre ein Bleiberech­t hätten. Im Freistaat sei das aber leider nicht immer gewährleis­tet, sagt Manfred Klopf. Manche Flüchtling­e erhielten zum 18. Geburtstag einen Glückwunsc­hbrief von der Stadt – und den Ausreisebe­scheid des Ausländera­mts. Das sei eine „gravierend­e Enttäuschu­ng“.

Die Polizei will die Jugendlich­en, mit denen es zuletzt Schwierigk­eiten

Herkunft 45 Prozent der Asylbe werber, die eine dezentrale Unter kunft bewohnen, kommen nach Anga ben der Stadt aus Syrien. 15 Prozent sind aus Albanien, zehn Prozent aus Af ghanistan. Weitere Herkunftsl­änder sind der Kosovo, Nigeria, Senegal, der Irak und die Ukraine. In den Ge meinschaft­sunterkünf­ten sind die vier häufigsten Herkunftsl­änder Afgha nistan, Nigeria, Irak und Somalia.

Alter Jeder zweite Asylsuchen­de, der in einer dezentrale­n Unterkunft gab, im Auge behalten. Nach Angaben eines Sprechers handelt es sich nicht nur um Flüchtling­e, sondern auch um Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d, die länger oder schon immer in Deutschlan­d leben. Am Königsplat­z zeigt die Polizei mehr Präsenz – aber nicht allein wegen der Jugendlich­en. Die Beamten haben auch die Trinkersze­ne im Blick. »Kommentar lebt, ist zwischen 20 und 35 Jahre alt. 28 Prozent sind jünger als 20. Die 35 bis 50 Jährigen stellen 17 Prozent, die über 50 Jährigen nur zwei Pro zent. In den Gemeinscha­ftsunterkü­nf ten ist es ähnlich: Jeder zweite Asyl suchende ist zwischen 20 und 35 Jahre alt. 29 Prozent sind jünger als 20.

Geschlecht Knapp 80 Prozent der dezentral untergebra­chten Asylbe werber sind männlich, rund 20 Prozent weiblich. Für Gemeinscha­ftsunter künfte gibt es keine Zahlen. (jöh)

In den 1990er Jahren gab es ähnliche Situatione­n Asylbewerb­er in Augsburg: Jung, männlich, Syrer

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Foto: Silvio Wyszengrad Junge Zuwanderer im Blick der Polizei: Die Beamten fahren derzeit vor allem am Königsplat­z häufiger Streife.

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