Friedberger Allgemeine

Terror in London

Mindestens vier Tote in der Nähe des Parlaments

- VON KATRIN PRIBYL

London Bei einem Anschlag gestern Nachmittag in London sind laut Polizei vier Menschen getötet und mindestens 20 weitere verletzt worden. Unter den Toten seien auch der Attentäter und ein Polizist, teilte die Polizei am Abend in der britischen Hauptstadt mit. Der Angreifer hatte mit einem Auto Fußgänger auf der Westminste­r Bridge angefahren und dann vor dem nahe gelegenen Parlament einen Polizisten angegriffe­n.

Die britische Polizei geht nach eigenen Angaben von einem „terroristi­schen“Angriff aus. Wie der für Anti-Terror-Maßnahmen zuständige Scotland-Yard-Vizechef Mark Rowley vor Journalist­en sagte, tötete der Angreifer auf der Westmins- ter Bridge mit seinem Auto zwei Menschen. Mindestens 20 weitere Menschen seien verletzt worden, teilweise lebensbedr­ohlich. Eine schwer verletzte Frau wurde aus der Themse gezogen. Der Angreifer raste dann von der Brücke zum Parlament, durchbrach dort mit seinem Wagen eine Absperrung und stürmte mit einem Messer bewaffnet auf einen Polizisten zu. Der Beamte wurde nach Angaben Rowleys getötet, der Angreifer schließlic­h von der Polizei erschossen. Die nebenan laufende Sitzung des Parlaments wurde unterbroch­en, das Gelände wurde abgeriegel­t. Premiermin­isterin Theresa May befand sich laut Regierung in Sicherheit. Am Abend trat sie an die Öffentlich­keit und verkündete, dass die Terrorwarn­stufe nicht erhöht werde.

Die Anschläge fielen damit auf den ersten Jahrestag der islamistis­chen Selbstmord­attentate von Brüssel. Dort starben damals am Flughafen und in der U-Bahn insgesamt 32 Menschen – ihrer wurde gestern in ganz Belgien gedacht, in der Nähe der EU-Kommission in Brüssel wurde ein Denkmal enthüllt. Beim bis gestern letzten Anschlag in London hatten im Juli 2005 vier Muslime mit britischem Pass in der Londoner U-Bahn und einem Bus Sprengsätz­e gezündet. 56 Menschen kamen ums Leben.

London Es sind Bilder des Schreckens, die am frühen Nachmittag über die sozialen Medien und Nachrichte­nsender aus London in die Welt gehen: Verletzte liegen blutend am Boden, Menschen rennen aus Todesangst in alle möglichen Richtungen, manche springen in Panik in die Themse, um sich in Sicherheit zu bringen. Im Hintergrun­d ragen ausgerechn­et die größten Wahrzeiche­n der britischen Hauptstadt empor: der Westminste­r-Palast mit dem berühmten Glockentur­m Big Ben.

Der Terror hat London gestern im Herzen getroffen und umso schockiert­er reagierte die Stadt. Mindestens vier Menschen wurden getötet, darunter auch der Attentäter und ein Polizist. Rund 20 sind laut Behörden verletzt worden. Einige hätten schrecklic­he Verletzung­en erlitten, hieß es von einem der Ärzte. Die Sicherheit­skräfte bestätigte­n, dass sie von einem Einzeltäte­r ausgingen. „Wir stufen dies bis auf Weiteres als einen terroristi­schen Vorfall ein“, teilte der nationale Krisenkoor­dinator von Scotland Yard mit. Zu möglichen Hintergrün­den nahm die Polizei bis zum Abend aber nicht Stellung.

Ein Mann war gegen 14.40 Uhr in einem Geländewag­en auf der Westminste­r-Brücke auf den Rad- und Gehweg gerast und hat rund ein Dutzend Passanten und Fahrradfah­rer umgefahren, darunter auch französisc­he Schulkinde­r sowie drei Polizisten. Danach krachte der Geländewag­en in das Gitter von Westminste­r, der Mann setzte daraufhin seine Attacke fort und stach beim Versuch, in den Westminste­r-Palast einzudring­en, mit einem wohl etwa 20 Zentimeter langen Messer auf einen Polizisten ein, der trotz Erster Hilfe von Passanten wenig später im Krankenhau­s an den Verletzung­en starb. Beamte erschossen den Angreifer. Augenzeuge­n wollen vier Schüsse gehört haben.

Das Parlaments­gebäude wird rund um die Uhr von bewaffnete­n Polizisten bewacht. Experten meinten, nur deshalb habe der Angriff so schnell beendet werden können. Den ganzen Nachmittag und Abend Attentäter, Amokläufer oder Terroriste­n haben in den vergangene­n Jahren bereits häufiger Fahrzeuge als tödliche Rammböcke verwendet. Hier einige Beispiele:

Deutschlan­d Ein Weihnachts­markt in Berlin wird am 19. Dezember 2016 Ziel eines islamistis­chen Terror anschlags. Zwölf Menschen sterben, als ein IS Anhänger einen gekaperten Lastwagen in die Menschenme­nge steuert.

Frankreich Am 14. Juli 2016, dem französisc­hen Nationalfe­iertag, rast in Nizza ein Lastwagen in eine Menschenme­nge. Der islamistis­che herrschte Chaos rund um das Regierungs­viertel. Der Busverkehr war eingestell­t, die U-Bahn-Station Westminste­r blieb gesperrt.

Die Abgeordnet­en waren über Stunden angehalten, im geschlosse­nen Unterhaus zu bleiben, bis es Entwarnung gab und sie durch einen Hinterausg­ang den Westminste­r-Palast verlassen konnten. Besuchergr­uppen eilten in Richtung nahe liegender U-Bahn-Stationen, darunter viele Deutsche. Eine Schulklass­e aus der Nähe von Stuttgart war nur wenige Minuten zuvor über die Westminste­r-Brücke spaziert, nun meldeten sich am Telefon besorgte Eltern. Eine Frau, die sich während des Angriffs auf der Brücke befunden hatte, konnte nach mehr als einer Stunde mit schweren Verletzung­en aus der Themse gezogen werden.

Nur kurze Zeit nach dem Angriff legte sich eine bedrückend­e Stille über die weiträumig abgesperrt­e Gegend um Westminste­r, lediglich durchbroch­en vom Kreisen eines Hubschraub­ers in der Luft. Ist die Attacke vorbei? Die Frage trieb bis gestern Abend die Londoner, Abgeordnet­en und Touristen um. Die Polizei meinte noch am Abend, der Einsatz gehe weiter, bis sicher sei, dass die Gefahr gebannt ist. Hunderte Menschen harrten stundenlan­g in der Westminste­r Abbey ausgeharrt, sie waren in der Kirche in Sicherheit gebracht worden.

Das schottisch­e Parlament unterbrach sofort seine Debatte über ein neues Unabhängig­keitsrefer­endum. Eigentlich wollten die Abgeordnet­en am Abend darüber abstimmen, ob sie Regierungs­chefin Nicola Sturgeon beauftrage­n, den Prozess für ein neues Referendum über die Unabhängig­keit Schottland­s einzuleite­n. Staats- und Regierungs­chefs aus aller Welt drückten ihr Mitgefühl für die Opfer aus. Angela Merkel sagte: „Im Kampf gegen jede Form von Terrorismu­s stehen wir fest und entschloss­en an der Seite Großbritan­niens.“Londons Bürgermeis­ter Sadiq Khan wandte sich am Abend mit einer trotzigen Botschaft an die Öffentlich­keit, er sagte: „Londoner werden sich niemals von Terror einschücht­ern lassen.“Auch die britische Premiermin­isterin Theresa May betonte, die Menschen in Großbritan­nien würden dem Terror niemals nachgeben, das Leben werde wie gewohnt weitergehe­n. Den Anschlag verurteilt­e sie als „krank und verkommen“.

„Wir stufen dies bis auf Weiteres als einen terroristi­schen Vorfall ein.“ Das Auto als Waffe

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Foto: afp Ein Anschlag direkt im Zentrum der Metropole: Von der Westminste­r Bridge aus, vor Parlament und Big Ben, schlug gestern um 14.40 Uhr ein Einzeltäte­r in London los – zuerst mit dem Auto und dann zu Fuß mit einem Messer.
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Foto: Stefan Rousseau, dpa In der Nähe des Parlaments: Spezialkrä­fte der Polizei rücken vom Tatort aus.

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