Bordellkönig genießt im Knast Sternemenüs
Der Betreiber eines Rotlicht-Imperiums steht in Augsburg vor Gericht, weil er Steuern und Sozialabgaben in Millionenhöhe hinterzogen haben soll. Seine Anwälte sehen das anders und ziehen einen skurrilen Vergleich
Augsburg/München Hermann Müller ist keiner, der das Licht der Öffentlichkeit scheut, obwohl er ein schlüpfriges Geschäft betreibt – das der Prostitution. Der 64-Jährige, der als einer der Rotlichtkönige im Lande gilt, steht gerne im Mittelpunkt, sorgt für Schlagzeilen, weiß sich zu inszenieren. Selbstbewusst trat er in der bei Sandra Maischberger auf, zockte bei Pokerrunden im Spartensender
und schrieb ein Buch mit dem Titel „Unverhüllt“.
Auch am gestrigen Mittwoch stand der gebürtige Franke wieder im Mittelpunkt, ließ sich geduldig minutenlang von den Fotografen ablichten. Allerdings in einer für ihn weniger erfreulichen Situation. Vor der 10. Strafkammer beim Augsburger Landgericht begann unter Vorsitz von Wolfgang Natale ein umfangreiches Steuerstrafverfahren. Ihm und seinem Mitangeklagten Leo E., 57, legt Staatsanwalt Karl Pobuda zur Last, insgesamt rund fünf Millionen Euro an Umsatz- und Lohnsteuern sowie Sozialabgaben hinterzogen zu haben.
Hermann Müller, der über die Jahre hinweg mit den Großbordellen „Club Pascha“ein wahres PuffImperium in Deutschland und Österreich aufzog, war vor fast 30 Jahren auch in Augsburg eine Größe im Nachtgeschäft. Er führte im Untergeschoss der Ludwigpassagen die „Park-Erlebnis-Gastronomie“, in der sich an manchen Tagen bis zu 1200 Gäste gleichzeitig vergnügten. In bestimmten Nächten sollen sich dort damals namhafte Zuhälter und Kokain-Dealer aus ganz Bayern aufgehalten und gezockt haben. Was auch der Polizei nicht verborgen blieb. Verdeckte Ermittlungen mündeten schließlich Anfang Februar 1990 mitten im Fasching in der bislang größten Razzia in der Nachkriegsgeschichte der Stadt Augsburg. Rund 200 Polizisten, die sich teils als harmlose Nachtschwärmer unter die rund 250 übrigen Gäste gemischt hatten, beendeten auf einen Schlag das fröhliche Treiben. Zwar kam es zu einigen Festnahmen. Der große Fahndungserfolg blieb jedoch aus. Gerüchten zufolge sollte die wochenlang unter strikter Geheimhaltung vorbereitete Polizeiaktion am Ende verraten worden sein. Süffisant hatte Hermann Müller damals die Razzia mit den Worten kommentiert: „Ich bin ja froh, wenn sich die Kripo hier aufhält.“
Seit Anfang Oktober 2016 sitzt Hermann „Pascha“, wie er in der Szene auch genannt wird, in Untersuchungshaft in München-Stadelheim. Dort verzichtet er großzügig auf die Gefängniskost und lässt sich standesgemäß, so Zeitungsberichte, von Sternekoch Alfons Schuhbeck das Essen liefern.
In der Mozartstadt Salzburg gelang dem gewieften Geschäftsmann im Juni 2015 ein besonderer PRGag: Er bot in seinem Bordell mit einem „Sommer-Special“GratisSex an: freier Eintritt, freie Getränke, freier Sex. Männer standen tagelang vor dem Haus Schlange. Er wolle sein Geld nicht dem Finanzamt zahlen, da verschenke er es lieber, begründete er seine im Rotlichtmilieu wohl einmalige Aktion. Dass der Pascha-Chef offenbar wenig Lust hatte, den Fiskus (und die Sozialkassen) mit den notwendigen Abgaben zu bedienen, könnte ihm und seinem Mitangeklagten nun zum Verhängnis werden.
In dem auf viele Wochen angesetzten Prozess vor dem Landgericht werden allerdings nicht die Prostitutionsgeschäfte seines ganzen Imperiums durchleuchtet. Zur Debatte steht nur der „Club Pascha“im Stahlgruberring in München. Die Kernfrage: Waren die Bordellbetreiber verpflichtet, Umsatz- und Lohnsteuern sowie Sozialabgaben für die dort tätigen Dirnen zu zahlen? Waren die Prostituierten also Arbeitnehmerinnen im Sinne der
Bislang größte Razzia in Augsburgs Nachkriegszeit Verteidiger: Bei Ritterspielen zahlt Schlossherr auch nicht
Gesetze? Oder verkauften sich die Frauen quasi als selbstständige Unternehmerinnen auf eigene Rechnung an die Freier?
Die Anklage und das beigeladene Finanzamt sind ersterer Ansicht. Der Grund: Müller habe ein eigenes gestaffeltes Eintritts- und Bezahlsystem erfunden, nach dem die Dirnen arbeiten mussten. Die sechs Anwälte (unter anderem der Münchner Florian Ufer), die die beiden Angeklagten vor einer Verurteilung bewahren wollen, sehen die juristische Streitfrage anders: In einem Vorgespräch mit dem Gericht hat einer der Verteidiger das System „Pascha“skurrilerweise mit den „Kaltenberger Ritterspielen“verglichen. Dort zahle der Schlossherr ja auch nicht Steuern und Sozialabgaben für die Standbetreiber. Der Prozess wird am 27. März fortgesetzt.