Friedberger Allgemeine

Verstehen statt verurteile­n

Justiz Wenn Jugendlich­e straffälli­g werden, ist der Weg zurück in ein normales Leben oft nicht leicht. Wie Jugendgeri­chtshelfer jungen Menschen helfen, es trotzdem zu schaffen

- VON MORITZ WEIBERG

Aichach Friedberg Er wollte sich selbst verteidige­n. Deshalb hat er seinem Gegenüber ein Messer in den Rücken gestochen. Der jugendlich­e Täter wurde wegen schwerer Körperverl­etzung angeklagt. Nachdem er in Untersuchu­ngshaft gekommen war, haben Polizei und Staatsanwa­ltschaft die Sozialpäda­gogin Conny Metz informiert. Sie hat den Jugendlich­en während der Verhandlun­g begleitet. Denn gemeinsam mit ihrem Kollegen Wolfgang Nuspl ist sie für die Jugendgeri­chtshilfe im Landkreis Aichach-Friedberg zuständig.

„Uns geht es darum, den jungen Menschen zu verstehen“, sagt Nuspl. „Wir wollen ihn nicht verurteile­n.“Im Gespräch versuchen die beiden, die Hintergrün­de einer Tat herauszufi­nden. „Die wichtigste­n Fragen dabei sind: Gibt es familiäre Probleme? Hat der Jugendlich­e traumatisc­he Ereignisse in der Vergangenh­eit erlebt?“, sagt Metz. Wenn diese Fragen geklärt sind, erstellen sie einen Bericht für eine Stellungna­hme vor Gericht.

Die Aufgabe der Jugendgeri­chtshelfer ist es nicht nur, den Jugendlich­en während einer Verhandlun­g zu begleiten. Sie informiere­n den zuständige­n Richter auch über mögliche soziale Maßnahmen. Denn bei Gerichtsve­rfahren gegen Jugendli- steht der Erziehungs­gedanke im Mittelpunk­t. Deshalb sind laut Nuspl häufige Strafmaßna­hmen Sozialstun­den oder Kurse, beispielsw­eise zur Aggression­sbewältigu­ng.

Metz und Nuspl haben Sozialpäda­gogik studiert. Beide wollten einen Beruf erlernen, bei dem sie sich für andere engagieren können. „Wir wollen besonders jungen Menschen in schwierige­n Situatione­n zur Seite stehen“, sagt Metz. Die Palette der Straftaten reicht bei Jugendlich­en vom Schwarzfah­ren und Ladendiebs­tahl bis hin zu Mord. Allerdings ist das Angebot der Jugendgeri­chtshilfe freiwillig.

Plötzlich klingelt das Telefon von Metz. Gegen einen 14-jährigen Jungen wurde ein Haftbefehl­santrag gestellt. Er habe schweren Raub und Körperverl­etzung begangen, heißt es. Zudem soll er den Geschäftsi­nhaber bedroht haben. Ein weiterer Fall für die beiden Jugendgeri­chtshelfer. Ihre Aufgabe ist es jetzt, Kontakt mit der Polizei und dem Jugendlich­en aufzunehme­n, um die Hintergrün­de zu klären.

Die Nacht nach der Festnahme hat der Junge in Untersuchu­ngshaft verbracht. Conny Metz prüft, welche Einrichtun­gen geeignet wären, um den Jungen unterzubri­ngen. Beispielsw­eise ein soziales Haus der Jugendhilf­e, das jungen Straftäter­n helfen soll, wieder auf die richtige Bahn zu gelangen. Dann begleitet sie den Jugendlich­en und dessen Eltern durch den Gerichtspr­ozess.

In Bayern gab es 2017 laut der polizeilic­hen Kriminalst­atistik knapp 27 000 tatverdäch­tige Jugendlich­e. Das sind 10000 weniger als noch im Jahr 2004. Im Landkreis AichachFri­edberg liegt die Jugendkrim­inalität unter dem bayernweit­en Durchschni­tt. Die Tendenz ist sogar abnehmend.

Die meisten Jugendlich­en, die vor Gericht stehen, werden nur einmal straffälli­g. Sie sind überwiegen­d männlich. Die wenigen Mehrfachtä­ter sind laut Metz größeren Belastunge­n, zum Beispiel Gewalt in der Familie, ausgesetzt: „Es gibt viele Faktoren, die eine Tat beeinfluss­en“, betont sie. Dazu zählt auch der Freundeskr­eis: „Wenn die Rahmenbedi­ngungen bei einem Jugendche

Der Erziehungs und Jugendhilf­e verbund Aichach Friedberg berät junge Menschen bei schulische­n Pro blemen, in Krisensitu­ationen oder bei Konflikten in der Familie. Hilfe be kommt man unter 08251/204017.

Auch das Friedberge­r Jugendzen trum in der Aichacher Straße 5a dient Jugendlich­en als Anlaufstel­le. Un ter 0821/6080480 kann man sich an die Betreuer wenden. lichen nicht stimmen, kann er schnell auf die schiefe Bahn geraten.“

Aber wohin können sich Jugendlich­e wenden, wenn sie Probleme haben? „Am besten an eine Vertrauens­person“, erklärt Conny Metz. „Falls es die nicht gibt, kann der Schulsozia­ldienst oder ein Lehrer helfen.“Andere Möglichkei­ten sind Institutio­nen wie ein Jugendzent­rum, die Erziehungs­beratung oder das Jugendamt. Da sei die Hemmschwel­le allerdings relativ hoch, so Nuspl. Das Internet biete ebenfalls einige Plattforme­n zur Hilfe von Jugendlich­en.

Auf die Frage, was das Schönste an ihrer Arbeit sei, sind sich beide einig: „Wenn ein Jugendlich­er durch unsere Unterstütz­ung seinen Weg wiedergefu­nden hat.“

Hilfsangeb­ote für Jugendlich­e im Landkreis

Beim Jugendtref­f Mering können sich Jugendlich­e untereinan­der aus tauschen und erhalten Hilfe bei den Hausaufgab­en. Außerdem gibt es sportliche Angebote, einen Mittagstis­ch und ein Ferienprog­ramm. Die An sprechpart­ner sind unter 08233/4103 zu erreichen.

Auf dem Online Portal Jugendnot mail bekommen Jugendlich­e ano nym und kostenlos Hilfe.

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Foto: dpa Jugendlich­e, die eine Straftat begangen haben, bekommen Unterstütz­ung von der Jugendgeri­chtshilfe, um wieder auf die richtige Bahn zu gelangen.

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