Verstehen statt verurteilen
Justiz Wenn Jugendliche straffällig werden, ist der Weg zurück in ein normales Leben oft nicht leicht. Wie Jugendgerichtshelfer jungen Menschen helfen, es trotzdem zu schaffen
Aichach Friedberg Er wollte sich selbst verteidigen. Deshalb hat er seinem Gegenüber ein Messer in den Rücken gestochen. Der jugendliche Täter wurde wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Nachdem er in Untersuchungshaft gekommen war, haben Polizei und Staatsanwaltschaft die Sozialpädagogin Conny Metz informiert. Sie hat den Jugendlichen während der Verhandlung begleitet. Denn gemeinsam mit ihrem Kollegen Wolfgang Nuspl ist sie für die Jugendgerichtshilfe im Landkreis Aichach-Friedberg zuständig.
„Uns geht es darum, den jungen Menschen zu verstehen“, sagt Nuspl. „Wir wollen ihn nicht verurteilen.“Im Gespräch versuchen die beiden, die Hintergründe einer Tat herauszufinden. „Die wichtigsten Fragen dabei sind: Gibt es familiäre Probleme? Hat der Jugendliche traumatische Ereignisse in der Vergangenheit erlebt?“, sagt Metz. Wenn diese Fragen geklärt sind, erstellen sie einen Bericht für eine Stellungnahme vor Gericht.
Die Aufgabe der Jugendgerichtshelfer ist es nicht nur, den Jugendlichen während einer Verhandlung zu begleiten. Sie informieren den zuständigen Richter auch über mögliche soziale Maßnahmen. Denn bei Gerichtsverfahren gegen Jugendli- steht der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt. Deshalb sind laut Nuspl häufige Strafmaßnahmen Sozialstunden oder Kurse, beispielsweise zur Aggressionsbewältigung.
Metz und Nuspl haben Sozialpädagogik studiert. Beide wollten einen Beruf erlernen, bei dem sie sich für andere engagieren können. „Wir wollen besonders jungen Menschen in schwierigen Situationen zur Seite stehen“, sagt Metz. Die Palette der Straftaten reicht bei Jugendlichen vom Schwarzfahren und Ladendiebstahl bis hin zu Mord. Allerdings ist das Angebot der Jugendgerichtshilfe freiwillig.
Plötzlich klingelt das Telefon von Metz. Gegen einen 14-jährigen Jungen wurde ein Haftbefehlsantrag gestellt. Er habe schweren Raub und Körperverletzung begangen, heißt es. Zudem soll er den Geschäftsinhaber bedroht haben. Ein weiterer Fall für die beiden Jugendgerichtshelfer. Ihre Aufgabe ist es jetzt, Kontakt mit der Polizei und dem Jugendlichen aufzunehmen, um die Hintergründe zu klären.
Die Nacht nach der Festnahme hat der Junge in Untersuchungshaft verbracht. Conny Metz prüft, welche Einrichtungen geeignet wären, um den Jungen unterzubringen. Beispielsweise ein soziales Haus der Jugendhilfe, das jungen Straftätern helfen soll, wieder auf die richtige Bahn zu gelangen. Dann begleitet sie den Jugendlichen und dessen Eltern durch den Gerichtsprozess.
In Bayern gab es 2017 laut der polizeilichen Kriminalstatistik knapp 27 000 tatverdächtige Jugendliche. Das sind 10000 weniger als noch im Jahr 2004. Im Landkreis AichachFriedberg liegt die Jugendkriminalität unter dem bayernweiten Durchschnitt. Die Tendenz ist sogar abnehmend.
Die meisten Jugendlichen, die vor Gericht stehen, werden nur einmal straffällig. Sie sind überwiegend männlich. Die wenigen Mehrfachtäter sind laut Metz größeren Belastungen, zum Beispiel Gewalt in der Familie, ausgesetzt: „Es gibt viele Faktoren, die eine Tat beeinflussen“, betont sie. Dazu zählt auch der Freundeskreis: „Wenn die Rahmenbedingungen bei einem Jugendche
Der Erziehungs und Jugendhilfe verbund Aichach Friedberg berät junge Menschen bei schulischen Pro blemen, in Krisensituationen oder bei Konflikten in der Familie. Hilfe be kommt man unter 08251/204017.
Auch das Friedberger Jugendzen trum in der Aichacher Straße 5a dient Jugendlichen als Anlaufstelle. Un ter 0821/6080480 kann man sich an die Betreuer wenden. lichen nicht stimmen, kann er schnell auf die schiefe Bahn geraten.“
Aber wohin können sich Jugendliche wenden, wenn sie Probleme haben? „Am besten an eine Vertrauensperson“, erklärt Conny Metz. „Falls es die nicht gibt, kann der Schulsozialdienst oder ein Lehrer helfen.“Andere Möglichkeiten sind Institutionen wie ein Jugendzentrum, die Erziehungsberatung oder das Jugendamt. Da sei die Hemmschwelle allerdings relativ hoch, so Nuspl. Das Internet biete ebenfalls einige Plattformen zur Hilfe von Jugendlichen.
Auf die Frage, was das Schönste an ihrer Arbeit sei, sind sich beide einig: „Wenn ein Jugendlicher durch unsere Unterstützung seinen Weg wiedergefunden hat.“
Hilfsangebote für Jugendliche im Landkreis
Beim Jugendtreff Mering können sich Jugendliche untereinander aus tauschen und erhalten Hilfe bei den Hausaufgaben. Außerdem gibt es sportliche Angebote, einen Mittagstisch und ein Ferienprogramm. Die An sprechpartner sind unter 08233/4103 zu erreichen.
Auf dem Online Portal Jugendnot mail bekommen Jugendliche ano nym und kostenlos Hilfe.