Friedberger Allgemeine

Bauern gegen Könige

Sowohl in der Frauen- als auch in der Männer-Bundesliga verfügen einige Vereine über viel Geld, andere müssen jeden Cent umdrehen. Die SG Augsburg und der BCA Augsburg versuchen mitzuhalte­n

- VON ROBERT GÖTZ

Ulla Münch, 60, freut sich wie ein kleines Mädchen auf die zentrale Endrunde der Schachbund­esligen Ende April in Berlin. „Für uns“, sagt die Mannschaft­sführerin der SG Augsburg, „wird das ein tolles Erlebnis.“Es ist das erste Mal, dass die Männer- und Frauen-Bundesliga ihre letzten drei Runden zur gleichen Zeit an gleicher Stelle ausspielen. Zwölf Frauen- und 16 Männerteam­s werden im mondänen Maritim-Hotel ihre deutschen Meister ermitteln.

„Die zwei stärksten Schachlige­n der Welt treffen sich in der Hauptstadt zum Meistersch­afts-Showdown“, heißt es auf der extra gestaltete­n Homepage. Der Verein Schachbund­esliga, der die Punktrunde organisier­t, kleckert nicht, sondern klotzt. Über 70 Großmeiste­r werden sich an die Bretter setzen. Und Ulla Münch ist mit der SG Augsburg als Aufsteiger mittendrin.

Es ist wie das Märchen vom Aschenputt­el, das auf dem Ball des Königs in eine fremde Welt eintaucht. So groß sind die finanziell­en Unterschie­de in der Liga. Münch nimmt einen Vergleich aus der Schachwelt. „Es spielen Bauern gegen Könige.“Während sie mit 2000 bis 3000 Euro die Reisekoste­n der gesamten Saison bestreiten muss, Antrittspr­ämie gibt es nicht, können Spitzentea­ms wie SK Schwäbisch Hall, OSG Baden-Baden oder die Rodewische­r Schachmiez­en bis zu sechsstell­ige Summen ausgeben. In der sächsische­n Kleinstadt Rodewisch, nahe Plauen, hat sich ein Pool von fast 30 Sponsoren gebildet. Die OSG Baden-Baden wird großzügig vom S-Dax-notierten Finanzdien­stleister Grenkeleas­ing unterstütz­t und gilt als Liga-Krösus. Auch wenn das Hauptaugen­merk der OSG auf den Männern liegt, dem deutschen Rekordmeis­ter. Da wird schon mal der ehemalige indische Weltmeiste­r Viswanatha­n Anand eingefloge­n.

Münch kann da nur staunen. „Was sollen wir als Gegenwert für einen Sponsor bieten?“, fragt sie im Foyer des Ibis-Hotels an der Hermanstra­ße. In Augsburg ist der Sponsorenm­arkt durch die Platzhirsc­he FCA und AEV so gut wie besetzt. Münch ist schon froh darüber, dass sie im Ibis umsonst spielen kann und günstige Konditione­n für Übernachtu­ngen der Spieler bekommt.

Dass die SG Ende April noch um den Klassenerh­alt spielt, ist verwunderl­ich. Am Samstag sicherte sie sich beim Doppel-Heimspielt­ag mit dem 4:2 gegen Mitaufstei­ger Harksheide den ersten Sieg, am Sonntag war die SG beim 2:4 gegen Hamburg aber chan- cenlos.

Seit der Einführung des Ligenbetri­ebs Anfang der 90er Jahre organisier­t Münch das SG-Team. 1997/98 hat es sogar in der Bundesliga gespielt. Langjährig­e Kontakte von Münch sichern den Spielbetri­eb auf diesem Niveau. Sollte die SG am Ende des Marathonwo­chenendes in Berlin den rettenden neunten Platz (drei Teams steigen ab), würde Münch ein weiteres Jahr Bundesliga anpeilen. „Wir haben Lunte gerochen. Es macht Spaß, im Konzert der Großen mitzuspiel­en.“Das würde auch gern Johannes Pitl in der Männer-Bundesliga. Der umtriebige 72-Jährige steht seit langem dem SK Göggingen vor. In den vergangene­n Jahren ist er mit dem Team wie im Aufzug bis in die 2. Liga marschiert. Auch er nutzt Kontakte, die er über Jahrzehnte aufgebaut hat. „Bei uns gibt es keine Reichtümer zu verdienen. Die Mannschaft fand über internatio­nale Turniere und persönlich­e Kontakte zusammen“, sagt Pitl. Die Nummer eins, Eduardas Rozentalis, kenne er seit etwa 25 Jahren.

Der pensionier­te Jurist greift auch zu ungewöhnli­chen Maßnahmen. Als in dieser Saison die Meistersch­aft möglich ist, gründet er kurzerhand den BCA Augsburg. Er koppelt das Zweitligat­eam vom SK Göggingen ab und überführt sie in den BCA, damit Augsburg im Vereinsnam­en vorkommt. Pitl sagt: „Das hat Vorteile in der Wahrnehmun­g des Vereins, für das Renommee Augsburgs und bei der Suche nach Förderern und Sponsoren.“

Pitl bewies Gespür. Vor wenigen Tagen machte der BCA sein Meisterstü­ck und ließ den punktgleic­hen Ex-Erstligist­en Aue hinter sich. Für Pitl keine Überraschu­ng. „Wir waren im Vorjahr Vizemeiste­r. Unsere Stärke lag an den Brettern 6, 7 und 8, da haben wir in der ganzen Saison von 27 nur eine einzige Partie verloren.“Die Meistersch­aft ist der größte Mannschaft­serfolg für den schwäbisch­en Schachspor­t seit 1943, als der SC Augsburg 1873 überraerre­ichen schend deutscher Meister wurde. Von solch einem Titel träumt wohl auch Pitl ein wenig. Er ist ein Macher, hat mit dem Ibis-Accor-Augsburg-Turnier einen internatio­nalen Wettbewerb etabliert. Doch das reicht ihm nicht. „Mir geht es darum, dass der Name Augsburg nicht nur mit renommiert­en internatio­nalen Turnieren verbunden wird, sondern die beste Adresse im bayerische­n Herrenspor­t wird.“

Die Bundesliga-Endrunde in Berlin wäre auch für ihn die passende Bühne. Doch Pitl ist nicht nur Visionär, sondern auch Realist. Bisher sieht es nicht so aus, als würde der BCA das Aufstiegsr­echt wahrnehmen. Pitl: „Ich sehe im Moment keine Möglichkei­t, einen Etat für den Klassenerh­alt in der ersten Liga zu finanziere­n.“Nötig wäre wohl eine mittlere fünfstelli­ge Summe. In der Männerbund­esliga würde er damit noch zu den Bauern gehören – und nicht zu den Königen.

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Foto: Michael Hochgemuth Beim Schachspor­t treffen Welten aufeinande­r. Es gibt Teams, die lassen einen ehemaligen Weltmeiste­r einfliegen, und Teams, die sich kaum die Hotelkoste­n leisten kön nen.
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Ulla Münch
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Johannes Pitl

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