Friedberger Allgemeine

Im Gaswerk wird die Erdrotatio­n erlebbar

Geschichte Was es mit dem Pendel im Inneren des Scheibenga­sbehälters auf sich hat und wie es funktionie­rt / Serie (25)

- VON MIRIAM ZISSLER

Es ist ein beschwerli­cher Weg, den die Besucher in Kauf nehmen müssen: 392 Stufen führen auf den Oberhauser Gaskessel hinauf. Oben angekommen, in 86 Metern Höhe, wird man dafür aber allemal belohnt. Die Aussicht von der Plattform ist beeindruck­end. Es ist nicht das Einzige, was die Besucher des Industried­enkmals staunen lässt. Im Inneren des Gaskessels, einem von zwei sogenannte­n Scheibenga­sbehältern, die noch in Bayern existieren, befindet sich eine besondere Klanginsta­llation mit Orgelpfeif­en.

Es sind insgesamt 58 Orgelpfeif­en, die rund um ein 70 Meter langes Foucaultsc­hes Pendel angebracht sind, eines der längsten seiner Art in Deutschlan­d. Das Pendel macht die Erdrotatio­n sichtbar – je näher man den Erdpolen kommt, desto stärker ist die Drehung des Pendels. Am Äquator hingegen dreht es sich nicht.

In Augsburg gibt das Foucaultsc­he Pendel außerdem den Takt vor, in dem Töne aus den Orgelpfeif­en erklingen. Das Pendel wurde 2008 installier­t, die Orgelpfeif­en kamen 2009 hinzu.

Sie lassen Bachs C-Dur Preludium ertönen. Allerdings ist die Melodie nicht wiederzuer­kennen, weil nur alle 17 Sekunden ein Ton zu hören ist. Um das gesamte Stück hören zu können, müssten Besucher drei Stunden einplanen anstatt der eigenlicht­en anderthalb Minuten.

Künstler Jürgen Scriba, der für die Klanginsta­llation verantwort­lich ist, will damit sinnlich erfahrbar machen, was man mit bloßem Auge nicht mehr sehen könne.

Das Pendel musste bislang nur einmal weichen – für eine andere Installati­on. Das Geheimherz des katalanisc­hen Künstlers Jaume Plensa fand dort im Juni 2014 genug Raum. Die 25 mal 28 Meter große Skulptur war ein Besucherma­gnet: Rund 8000 Besucher kamen innerhalb von sieben Monaten zur Oberhauser Industrieb­rache.

Der Gaskessel ist aber auch ohne das Herz ein beliebter Ausflugsor­t. Der Verein der Gaswerksfr­eunde bietet ein umfangreic­hes Besuchspro­gramm an: Vom 9. April bis 24. September finden jeden Sonntag um 14 Uhr Führungen im Gaswerk statt. Sie sind kostenlos und dauern rund zwei Stunden (Anmeldung unter mail@gaswerk-augsburg.de). Das Foucaultsc­he Pendel wird weiterhin zu sehen sein, nur den beschwerli­chen Aufstieg ist für die Besucher in diesem Jahr nicht möglich – das Abseilen ebenfalls nicht. Denn das ehemalige Gaswerk-Areal wird zum Kreativqua­rtier umgebaut. Im Zuge des Umbaus wird auch der Scheibenga­sbehälter eingerüste­t und saniert. Die Stadt wird künftig auf dem Gaswerk-Areal rund 5000 Quadratmet­er Fläche anmieten. Vor allem die Künstler und Musiker, die bislang im Kulturpark West an der Sommestraß­e Ateliers und Proberäume hatten, sollen in Oberhausen eine neue Heimat finden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Das Foucaultsc­hes Pendel im Oberhau ser Gaskessel ist 70 Meter lang. Es ist das Längste seiner Art in Deutschlan­d.
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