Kaffee aus der Panzerfaust gefällig?
Im Volkskundemuseum in Oberschönenfeld geht es ab Sonntag ums Sparen, Verschwenden und Wiederverwenden. Wie sich unsere Wertschätzung verändert hat
Oberschönenfeld Auf den ersten Blick sind es ganz normale Kaffeekannen, die eine braun mit kleinen roten Blümchen, die andere flaschengrün. Sie hängen an einer rosafarbenen Wand im Volkskundemuseum Oberschönenfeld im Landkreis Augsburg – und sind weit mehr als nur gewöhnliche Kannen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie aus Panzerfäusten hergestellt.
Die Exponate sind Teil der Ausstellung „Sparen, verschwenden, wiederverwenden. Vom Wert der Dinge“, die von 2. April bis 10. September im Museum zu sehen ist. „Es geht um Wertschätzung. Und darum, wie sie sich über die Jahrzehnte verändert hat“, sagt Kuratorin Dorothee Pesch. Wie groß der Wandel ist, zeigen auch die alten Kleidungsstücke, die an der Wand neben den Kaffeekannen hängen. Eine Kochschürze, die aus einem Bettlaken genäht wurde. Eine Tasche, die aus einem alten Mehlsack hergestellt oder eine Kittelschürze, die mehrmals geflickt wurde. Früher griffen die Menschen oft aus Geldnot zu Nadel und Faden, um Löcher auszubessern. Diese Mühe macht sich heute kaum mehr einer. Alte Klamotten landen schnell in der Tonne oder im Altkleidercontainer – egal, ob sie ramponiert sind oder nicht. Galt früher noch der Zustand eines Kleidungs- oder Möbelstücks als Maß der Dinge, so sei es heute vor allem der Drang nach immer Neuem, sagt Pesch.
Die Ausstellung im Volkskundemuseum ist deswegen auch eines: eine Zeitreise von einer damals sparsamen zu einer Gesellschaft, die im Überfluss lebt und in der vieles oft achtlos entsorgt wird. Das gilt auch für die Massen an Coffee-to-go-Bechern, die täglich in deutschen Abfalleimern landen. Im Museum werden sie in einer Vitrine als moderner Kontrast direkt unter einem alten schnörkeligen Porzellanservice präsentiert. Das Heute und das Gestern, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Im nächsten Schaukasten zeigt sich ein ähnliches Bild: Oben ein klassisches Sonntags-Geschirr, unten ein Berg von Fertiggerichten. „Es geht darum, sich bewusst zu machen, was sich alles geändert hat. Das vergisst man im Alltag oft“, sagt Ausstellungskuratorin Pesch. Zu sagen, dass früher alles besser war, sei aber falsch. „Es war oft die reine Not und kein ökologischer Gedanke, der die Menschen antrieb“, fügt sie hinzu.
In den 50er Jahren, nach entbehrungsvollen Kriegszeiten, fingen die Menschen an, wieder mehr einzukaufen. „Es war das Zeichen einer neuen Freiheit“, sagt Pesch. Vor allem ein Material ist für diese Zeit prägend: der Kunststoff, dessen Massenverwertung damals begann – egal ob in Form eines Nylonhemds, einer Tupperdose oder eines Radios aus Bakelit. Der Kunststoffboom brachte aber auch viele Probleme mit sich, die sich auf Gegenwart und Zukunft auswirken: Unglaubliche Massen an Plastikmüll, die viele unserer Ökosysteme bedrohen. Die Ausstellung zeigt, dass es auch anders geht – eine Zahnbürste etwa kann auch aus Holz sein. Und statt in einen Plastikbeutel kann man das Obst im Supermarkt auch in eine mitgebrachte kleine Baumwolltasche stecken.
Die Exponate sollen zum Nachdenken anregen. Kuratorin Pesch selbst findet die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Minimalismus interessant. Wie viel braucht man eigentlich im Leben? Wie oft braucht man etwas Neues? Diese Fragen kann man sich bei einem Rundgang durch das Museum stellen – und vielleicht auch beantworten.
Ausstellung Die Sonderschau, die den Bogen vom Beginn des 20. Jahr hunderts bis in die Gegenwart spannt, entstand in Kooperation mit der Hei matpflege des Bezirks Schwaben und in Zusammenarbeit mit den Studierenden des Studiengangs „Kunst und Kulturge schichte“an der Universität Augsburg. Sie ist von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Museumseintritt für Erwachsene be trägt vier Euro, Schüler zahlen einen Euro und für Kinder unter sechs Jahren ist der Eintritt kostenlos.