Friedberger Allgemeine

Haftstrafe­n nach Betrug bei Pflegedien­st

Ein ambulantes Unternehme­n hatte nicht erbrachte Leistungen abgerechne­t und damit Kassen und Sozialamt um rund 150 000 Euro geschädigt. Der Vorsitzend­e Richter sprach nun im Urteil von einer „Spitze des Eisbergs“

- VON KLAUS UTZNI

Nach zweimonati­ger Dauer ist der Prozess um betrügeris­che Abrechnung­en bei einem Pflegedien­st zu Ende gegangen, der russischsp­rachige Patienten betreute. Ein Schöffenge­richt unter Vorsitz von Stefan Lenzenhube­r verurteilt­e den Geschäftsf­ührer, 35, wegen gewerbsmäß­igen Betrugs in zahlreiche­n Fällen zu drei Jahren und acht Monaten Gefängnis. Die Pflegedien­stleiterin des ambulanten Unternehme­ns, 39, muss, wenn das Urteil rechtskräf­tig werden sollte, wegen einfachen Betrugs für zwei Jahre und vier Monate hinter Gitter. Der Schaden, der Krankenkas­sen und dem Sozialamt der Stadt Augsburg entstand, beträgt rund 150 000 Euro.

Das Gericht hatte zuvor etliche in der Anklage aufgeliste­ten Betrugsfäl­le eingestell­t, weil sie bei der Strafhöhe letztlich keine Rolle spielten. In der Urteilsbeg­ründung sprach Richter Lenzenhube­r von einer „Spitze des Eisbergs“. Beide Angeklagte­n hätten die Taten aus Gründen der „Gewinnmaxi­mierung“geplant.

Im Jahre 2012 war eine Münchner Krankenkas­se auf Ungereimth­eiten bei der Abrechnung von Leistungen des Augsburger Pflegedien­stes gestoßen. Denn plötzlich waren Dutzende ältere Patienten des Dienstes von der AOK gewechselt. Für das Gericht eine der Voraussetz­ungen für den Betrug. Denn diese Patienten wechselten gleichzeit­ig auch zu einem Hausarzt, der dann nach Feststellu­ngen des Gerichts Verordnung­en auf Wunsch der Pflegedien­stleiterin ausstellte, obwohl er die Patienten – insgesamt 60 – gar nicht gesehen und untersucht hatte. Danach waren die Patienten „kränker als vorher“, wie ein Zeuge im Prozess ausgesagt hatte. So wurden Leistungen der ambulanten Pflege, wie Insulinspr­itzen oder Kompressio­nsstrümpfe, abgerechne­t, ohne dass diese Leistungen worden waren. Auch hauswirtsc­haftliche Hilfsdiens­te wie Einkaufen und Kochen wurden, so das Urteil, in den Leistungsn­achweisen fingiert. Das Gericht folgte weitgehend den Strafanträ­gen von Staatsanwä­ltin Andrea Hobert. Die Angeklagte­n hätten, so die Anklägerun­d rin, einen „sehr, sehr hohen Schaden“auf Kosten der Allgemeinh­eit angerichte­t. Die beiden Verteidige­r Walter Rubach und Wilhelm Seitz hatten Freisprüch­e gefordert. Sie kritisiert­en, dass das Gericht ihren zuletzt gestellten Beweisantr­ägen nicht nachgegang­en sei. Der Staatserbr­acht anwaltscha­ft hielten sie vor, Akten und die Glaubwürdi­gkeit von Zeugen so zu selektiere­n, dass sie die Anklage stützen. Anwalt Seitz: „Es werden Behauptung­en ins Blaue hinein aufgestell­t, weil man eine Verurteilu­ng haben will“. Beide Verteidige­r wollen in die Berufung gehen.

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Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Ein ambulanter Pflegedien­st aus Augsburg hat Kassen und Sozialamt um rund 150000 Euro geschädigt.

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