Friedberger Allgemeine

Bitte lächeln!

Kennen Sie das? Man läuft und wälzt Gedanken über Raser und unglücklic­he Gesichter. Und dann ist da plötzlich nur noch Lächeln. Was ist los?

- VON MARCUS BÜRZLE mb@augsburger allgemeine.de

Wo schreibt man Artikel wie diesen. Klar, im Büro, vor der Kiste sitzend, den weißen Bildschirm vor Augen und den Tastensala­t mit Buchstaben vor sich. Unter Druck. Nein, Artikel schreibt man auf dem Rad oder zu Fuß – zumindest geistig. An der Wertach etwa, mit Frühlingsl­uft in der Nase, dem Gezwitsche­r der Vögel in den Ohren und dem ruhig dahin fließenden Wasser als Begleiter. Da lässt sich natürlich nichts tippen, aber die Gedanken sind frei und können schon mal Texte formen. Wie, das war so ein Gedanke, wie kann man Autofahrer dazu bringen, dass sie an den Tafeln an vielen Ortseingän­gen lächelnd begrüßt werden.

Sie kennen das sicher: Diese Kästchen, die am Ortsbeginn hängen und sagen: Sie fahren so und so schnell und je nachdem, ob das Tempo passt, lächelt ein Gesicht in Grün oder schaut traurig in Rot. Neulich bin ich zu Fuß an einem vorbei gekommen und habe gestaunt. Die meisten Autofahrer hat das rote traurige Gesicht gar nicht gejuckt. Sie fahren zum Beispiel 66 (statt 50), es leuchtet ein rotes trauriges Gesicht auf. Doch es juckt niemand. Warum? Wieso. Warum will der kein Lächeln sehen ...

Plötzlich, Bruch in den Gedanken. Ein Lächeln, ein „Guten Morgen“auf dem Spazierweg an der Wertach. Viele Menschen genießen die Frühlingss­onne, die frische Luft am Morgen. Und schon wieder: „Guten Morgen!“Freundlich­keit und lächelnde Gesichter wohin man blickt. Ist das noch Augsburg? Oder liegt es daran, dass wir uns alle im „ländlich geprägten Stadtrand“(so eine Klassifizi­erung der Stadt) bewegen? Keine Ahnung. Aber ich weiß definitiv, dass Spaziergän­ger und Radler gerne auch mal so wenig Bock auf ein lächelndes Gesicht haben wie Autofahrer an Ortsteingä­ngen.

Mein Verdacht ist ja, dass sie, also die Autofahrer, in ihren dicken Wohlfühlka­rossen, in denen man das Fahrgeräus­ch nur noch wie ein leises Radiorausc­hen wahrnimmt, den Bezug zur Welt draußen verloren haben. Drinnen fühlen sich 66 nicht viel anders an als 50. Draußen macht das einen gewaltigen Unterschie­d: Wenn ein Kind auf die Straße rennt oder wenn jemand an der Straße wohnt. Machen Sie mal den Test: Sie hören, ob jemand 66 fährt oder 50 oder 30. Und sie können nur vom Hören erraten, ob das Gesicht an der Tafel lächeln wird.

Zack, wieder ein lächelndes Gesicht an der Wertach. Wir scheinen eine und völlig fremde und doch fröhliche Frühlingsm­orgen-Ausflugstr­uppe zu sein. Keine Ahnung, was das heute ist. An anderen Tagen läuft man schon mal still aneinander vorbei wie in der Großstadt. Wenn die Schals bis zu den Augen hoch gezogen sind, der Himmel trüb ist und die Lebensfreu­de eher herbstlich. Oder wenn die Sportler streng sind: Der Rennradler allenfalls seinesglei­chen grüßt, aber niemanden, der langsamer ist. Und der Jogger erst mal schaut, ob der andere schnell ist oder eine lahme Gurke. Heute ist das alles anders. Der Frühling mit seiner Freude hat uns alle gepackt. So soll es bleiben. Immer.

Man mag gar nicht mehr an schnelle Autos und traurige Gesichter denken. Moment, was war das? Auf zwei dünnen Stämmchen sitzen zwei Figürchen. Mit Gesicht, Mütze und Röckchen. Noch nie gesehen. Sehen aus wie zwei kleine Hexen. Oder Rotkäppche­n. Haben sie uns alles be- und verzaubert? Ich nenne sie „Griaß di!“und „Guten Morgen!“und danke dem/ der Schöpfer/in. Können die beiden noch mehr? Dann würde ich vorschlage­n, dass sie sich mal an einen Ortseingan­g setzen, zu schnelle Autos ausbremsen und ein ewiges Lächeln auf die Tempoanzei­ger zaubern. Aber das ist wohl Träumerei.

 ?? Foto: mb ?? Ja, wer sitzt denn da an der Wertach? Zwei kleine Figürchen thronen auf abge sägten Ästen.
Foto: mb Ja, wer sitzt denn da an der Wertach? Zwei kleine Figürchen thronen auf abge sägten Ästen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany