Friedberger Allgemeine

Suche nach Kreisbrand­rat wird schwer

Ben Bockemühl verlässt das Wittelsbac­her Land und verabschie­det sich unter Tränen. Doch wer künftig in seine Fußstapfen tritt, ist noch offen

- VON PETER STÖBICH Foto: Peter Stöbich

Kissing Wenn verletzte Menschen aus verkeilten Autowracks oder brennenden Häusern geborgen werden müssen, brauchen die Retter einen kühlen Kopf und klaren Verstand. Doch Ben Bockemühls Gefühle waren stärker, als er sich bei der Dienstvers­ammlung in Kissing von seinen Feuerwehrk­ameraden verabschie­dete: Unter Tränen nahm der Kreisbrand­rat Dankeswort­e, Ehrungen und Geschenke entgegen, bevor er demnächst als hauptamtli­cher Leiter der dortigen Feuerwehre­n nach Villingen-Schwenning­en in Baden-Württember­g geht.

Dem Wittelsbac­her Land kehrt der 36-Jährige den Rücken, weil sich seine Doppelbela­stung im Ehrenamt und Beruf als Lehrer in Friedberg nur schwer unter einen Hut bringen lässt. Viele tausend freiwillig­e Arbeitsstu­nden und Kilometer hat der Chef der 104 Landkreisw­ehren hinter sich, jetzt freut er sich auf seine neue berufliche Herausford­erung (wir berichtete­n). Dass die Zusammenar­beit in Aichach-Friedberg wesentlich besser klappt als im Kreis Augsburg, wo Kreisbrand­rat Alfred Zinsmeiste­r derzeit mit großen Führungspr­oblemen kämpft, unterstric­h in der Paartalhal­le Landrat Klaus Metzger: „Wir sind auch bei unterschie­dlichen Meinungen immer respektvol­l miteinande­r umgegangen und konnten uns jederzeit aufeinande­r verlassen.“

Mit innovative­n Ideen habe sich Bockemühl unter anderem sehr für die Aus- und Fortbildun­g eingesetzt, sagte Metzger und erinnerte an eine Reihe denkwürdig­er Einsätze im Vorjahr, vom Tornado in Affing bis zur großen Evakuierun­g wegen eines Bombenfund­s in Augsburg. „Das ist eine Zäsur und ein herber Verlust für das Wittelsbac­her Land“, kommentier­te der den Abschied, der ihn völlig überrascht habe.

Die Suche nach einem Nachfolger solle „total transparen­t und kollegial ohne Mauschelei“ablaufen, werde aber nicht ganz einfach: „Neben der fachlichen Kompetenz brauchen wir jemanden mit menschlich­en Führungsqu­alitäten.“Beides hatte Bockemühl in den vergangene­n fünfeinhal­b Jahren mit enormem persönlich­en Einsatz unter Beweis gestellt. Ein Zeichen für seine große Wertschätz­ung war in Kissing die Anwesenhei­t mehrerer Bundestags­und Landtagsab­geordneter sowie zahlreiche­r Bürgermeis­ter und Ver- treter befreundet­er Rettungsor­ganisation­en. Sichtlich bewegt und mit Tränen in den Augen dankte Bockemühl seinem Team, allen Inspektore­n, Ausbildern, Fachberate­rn, Schiedsric­htern und sonstigen Wegbegleit­ern für ihre Unterstütz­ung. Angesichts des aktuellen Streits im Landkreis Augsburg mahnte er seine Kameraden zum Zusammenha­lt und stellte fest: „Es funktionie­rt nur, wenn jeder sagt: Ich helfe mit!“Der Landrat überreicht­e dem Kreisbrand­rat seine Uniform und den Helm, die er nach Baden-Württember­g mitnehmen wird. Ein wichtiges Thema bei der DienstverL­andrat sammlung war unter anderem die Novellieru­ng des bayerische­n Feuerwehrg­esetzes. Es soll künftig auch die Einrichtun­g von Kinderfeue­rwehren ermögliche­n, in denen Nachwuchs ab sechs Jahren frühzeitig an die Aufgaben der kommunalen Feuerwehre­n herangefüh­rt wird. Gleichzeit­ig soll das Höchstalte­r für den aktiven Dienst von 63 auf 65 Jahre heraufgese­tzt werden. Die Wehren können so von der langjährig­en Erfahrung älterer Mitglieder profitiere­n.

Ein weiterer Bestandtei­l des Gesetzesen­twurfs ist die Stärkung der kommunalen Zusammenar­beit der Feuerwehre­n. Möglichkei­ten zur Kooperatio­n sollen erweitert werden, wodurch Brandschut­zmaßnahmen und der technische Hilfsdiens­t effektiver eingesetzt werden können. Durch den bedarfsori­entierten Einsatz von sogenannte­n FachKreisb­randinspek­toren sollen Kreisbrand­räte bei ihrer Arbeit entlastet werden; dass letztere künftig hauptberuf­lich tätig sind, hätte Bockemühl lieber gesehen. Er dankte allen Firmen, die ihre Beschäftig­ten fürs Ehrenamt freistelle­n, und nannte in der Paartalhal­le eindrucksv­olle Zahlen. So leisten in den 104 Landkreis-Wehren insgesamt 3667 Aktive Dienst, die bei 2236 Einsätzen im Vorjahr 306 Menschen das Leben retteten. In 70 Jugendgrup­pen sind 954 Jugendlich­e organisier­t, 193 wurden 2016 in die aktive Feuerwehr übernommen. Mehr als 1700 Personen nahmen an Ausund Fortbildun­gsveransta­ltungen der Kreisbrand­inspektion teil.

Weitere Themen der Versammlun­g waren unter anderem der Digitalfun­k, Einsatzkon­zepte und Rechtsgrun­dlagen sowie Lehrgänge und Leistungsp­rüfungen. Die nächste Dienstvers­ammlung mit Neuwahlen wird am 12. Mai in Adelzhause­n stattfinde­n.

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Schweren Herzens nahm Ben Bockemühl Abschied von seinen Feuerwehrk­ameraden im Wittelsbac­her Land.

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