Friedberger Allgemeine

Nur noch Gewalt hält Maduro an der Macht

Wie aus Argumenten Angst und aus der Revolution Repression wurde

- VON TOBIAS KÄUFER

Bogotá Venezuela leidet immer mehr unter dem jahrelange­n Machtkampf zwischen den regierende­n Sozialiste­n und dem bürgerlich­en Lager. Seit mittlerwei­le zwei Wochen geht es ans Eingemacht­e, seitdem der Verfassung­sgerichtsh­of versucht hat, das Parlament zu entmachten. Gegner des Regimes von Präsident Nicolas Maduro und die Polizei liefern sich blutige Straßenkäm­pfe. Erst am Dienstag (Ortszeit) wurde in der Stadt Valencia ein demonstrie­render Student erschossen. Die Staatsanwa­ltschaft überprüft nun, ob der Schuss aus einer Polizeiwaf­fe abgefeuert wurde.

Venezuela steckt tief in der Krise. Der Abstieg des Landes begann mit einem knappen Wahlsieg. Im April 2013 gewann Nicolas Maduro die Präsidents­chaftswahl mit offiziell 50,66 Prozent der Stimmen gegen Herausford­erer Henrique Capriles (49,06). Noch bevor der umstritten­e Wahlrat CNE das offizielle Ergebnis verkündete, zündeten Anhänger der Sozialiste­n von staatliche­n Gebäuden schon die Feuerwerke. Irgendjema­nd hatte ihnen das streng geheime Ergebnis vorab gesteckt.

Schon im Wahlkampf hatten die Anhänger des bürgerlich-konservati­ven Herausford­erers Capriles unter schweren Nachteilen in Medienpräs­enz und Wahlkampff­inanzierun­g gelitten, nun sammelte die Opposition mehr als tausend Hinweise auf Wahlbetrug. Capriles erkannte das Ergebnis nicht an.

Mit diesem Makel trat Maduro damals die Nachfolge des gerade an Krebs gestorbene­n Revolution­sführers Hugo Chávez an. Dessen Fußstapfen sollten sich für den ehemaligen Busfahrer allerdings als viel zu groß erweisen. Parallel dazu braute sich auf dem Weltmarkt weiteres Unheil zusammen: Der Absturz des Ölpreises traf das ölreichste Land der Welt ins Mark. Solange der hohe Ölpreis Milliarden in Staats- und Parteikass­e spülte, konnten die Sozialiste­n durch teure Importe die Mangelwirt­schaft ausgleiche­n. Inzwischen aber ist die Staatskass­e leer, auch weil korrupte Eliten Venezuela laut Transparen­cy Internatio­nal zum korruptest­en Land Südamerika­s gemacht haben. Gegen zahlreiche ranghohe Funktionär­e oder deren Familienmi­tglieder laufen internatio­nale Ermittlung­en wegen Drogenhand­els.

Als im Frühjahr 2014 Massenprot­este aufgrund der katastroph­alen Versorgung­slage ausbrachen, reagierte die Staatsmach­t nach dem Muster rechter lateinamer­ikanischer Diktaturen aus den 1970er Jahren. Opposition­elle Studenten wurden bei Demonstrat­ionen erschossen oder in Haft genommen. Es folgte eine Verhaftung­swelle gegen prominente Opposition­spolitiker wegen Rebellion.

Nach der angeknacks­ten Glaubwürdi­gkeit durch den umstritten­en Wahlsieg erfolgte ein Jahr später der ethische Sündenfall durch das brutale Niederschl­agen der Massendemo­nstratione­n. Seitdem steckt zwischen Volk und Regierung ein tiefer Keil, der in den Parlaments­wahlen im Dezember 2015 seinen Ausdruck fand. Die Opposition gewann haushoch, doch die sozialisti­sche Regierung

Opposition­sführer wird von Wahlen ausgeschlo­ssen

ignorierte das Ergebnis. Mit Unterstütz­ung der Militärs regiert Maduro seitdem gegen das frei gewählte Parlament.

Inzwischen folgten weitere Schritte zur Diktatur: Der Versuch, das Parlament zu entmachten, scheiterte am internatio­nalen Protest und der Wut der Straße. Dass Capriles inzwischen ebenfalls mit einem Berufsverb­ot belegt ist und nicht mehr an Wahlen teilhaben darf, deutet aber an, wohin die Reise gehen soll: Die nächsten Wahlen, so kündigte Maduro an, werden Zeichen für die „Radikalisi­erung der Revolution“sein. Was auch immer das heißt.

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Foto: Federico Parra, afp Der Kampf um die Macht in Venezuela wird seit zwei Wochen mit aller Brutalität auf der Straße (hier in der Hauptstadt Caracas) ausgetrage­n.
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Nicolas Maduro

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