Was vom Papst bleibt
Benedikt wird an Ostern 90. Der Bürgermeister seines Geburtsortes hat den berühmtesten Sohn von Marktl am Inn immer wieder getroffen – und viel erlebt mit Joseph Aloisius Ratzinger
Herr Gschwendtner, wie hat sich Marktl durch den Papst verändert? Hubert Gschwendtner: Na ja, in den ersten Jahren sind wir von den Papst-Touristen überrannt worden, da kamen jedes Jahr 200000 Menschen nach Marktl. Gschwendtner: Wenn Sie die „Vermarktelung“des Papstes meinen, für die wir in der Presse viel kritisiert worden sind, kann ich nur sagen: Davon ist nichts mehr übrig.
Das heißt, es gibt kein Papst-Bier mehr, kein Papst-Brot, keine Kekse in Form von Papstmützen und keine pinkfarbenen Christbaumkugeln mit dem Konterfei von Benedikt? Gschwendtner: Nein, es war von Anfang an klar, dass das nicht nachhaltig ist. Geblieben ist das Geburtshaus von Joseph Ratzinger, in dem ein Museum untergebracht ist, und das Taufbecken, in dem die beiden Ratzinger-Brüder in die Kirche aufgenommen worden sind. Das steht wieder in der Taufkirche St. Oswald. Und es gibt die vier Meter hohe Benedikt-Säule aus Bronze, die der Bildhauer Joseph Michael Neustifter gestaltet hat. mit den Bürgern seines Geburtshauses via Funkgerät ein Ave Maria betete ... Gschwendtner: Natürlich habe ich die noch. Die sind schön neu überzogen und mit dem Papstwappen und dem bayerischen Wappen bestickt. Fotos gibt es davon aber keine, wir wollen ja keinen Kult daraus machen. Gschwendtner: Oh ja, etwa 30 000 im Jahr. Uns ist auch einiges geblieben. Die Busparkplätze, die Wegweiser, das Tourismusbüro. Unsere ganze Infrastruktur ist verbessert worden, das ging ganz schnell – dank Herrn Stoiber.
Wie das? Gschwendtner: Ich war mit dem Ministerpräsidenten bei einer Papstaudienz in Rom, wo er gesagt hat: Wir Bayern sind alle stolz, dass wir einen bayerischen Papst haben. Stolz sind wir schon, habe ich ihm geantwortet, das hilft uns aber wenig, wenn uns nicht geholfen wird. Ich habe ihm mein Leid geklagt und er hat uns einen Beigeordneten geschickt. So sind wir schnell und unbürokratisch an Geld gekommen, um unsere Infrastruktur zu verbessern. Gschwendtner: Hm, das weiß ich nicht mehr so genau. Ich war öfter mal in Rom, zu Geburtstagen, zu Audienzen. Mindestens zehnmal – mit und ohne Gebirgsschützen.
Gschwendtner: Es war eine spannende Zeit, allein drei Ministerpräsidenten waren in Marktl und Kardinäle aus aller Welt.
Gschwendtner: Ganz anders, als man glaubt. Man meint ja, dass er sehr abgehoben, vergeistigt und philosophisch ist. Dabei ist er das ganze Gegenteil: Ein sehr angenehmer, bescheidener, freundlicher Mensch, der voller Wärme und Nähe auf einen zugeht. Und er hat nie vergessen, mir herzliche Grüße an meine Frau aufzutragen. Auch nach meinem Knie hat er sich erkundigt.
Gschwendtner: Bei seinem Rücktritt war ich zu einer Knie-OP in der Kli- nik und konnte ihm dann erst mit ein paar Tagen Verspätung die Gefühle der Marktler Bevölkerung schreiben. In seinem Antwortbrief war der erste Satz: „Ich hoffe, dass Ihr Knie wieder in Ordnung ist.“ Gschwendtner: Sehr intensiv – den ganzen Tag lang. Wir fangen um 4.15 Uhr im Geburtshaus mit dem Entzünden des Osterfeuers an und ziehen dann in die Taufkirche.
Gschwendtner: Da ist Joseph Ratzinger geboren, das feiern wir fast jedes Jahr. Diesmal eh nur einen Tag lang, sonst gab’s oft eine Festwoche.
Gschwendtner: Wir haben unter dem Titel „Hier hat alles angefangen“ein Buch verfasst – das war Benedikts Ausspruch, als er vor seinem Taufbecken stand. Mit Fotos, Auszügen aus Briefen, Zitaten und Grußworten. Das Päckchen habe ich heute zur Post gebracht.
Hubert Gschwendtner, 68, ist seit 21 Jahren Bürgermeister des Papst Geburtsortes Marktl am Inn. Im Hauptberuf war Gschwendtner Lehrer, als Bürgermeister wurde der SPD Politiker 2014 mit 82 Pro zent wiedergewählt.