Friedberger Allgemeine

Müssen die Nasenbären im Zoo weg?

Eine EU-Verordnung listet Arten auf, die sich in Europa nicht weiter verbreiten sollen. Das stellt Tiergärten vor Probleme. Doch manche Pflanzen, die nicht als problemati­sch eingestuft werden, sind viel gefährlich­er

- VON EVA MARIA KNAB

Müssen die Nasenbären den Augsburger Zoo verlassen? Diese Frage bereitet Direktorin Barbara Jantschke Kopfzerbre­chen. Der Nasenbär ist zu einer unerwünsch­ten Tierart in der Europäisch­en Union geworden. Er steht auf einer EUListe mit 37 fremden Tier- und Pflanzenar­ten, deren weitere Ausbreitun­g in Europa verhindert werden soll. Die neue Regelung stellt deutsche Zoos vor Probleme.

Der Zoo Leipzig hat geprüft, ob er seine asiatische­n Hirsche (Muntjaks) töten muss. Sie stehen wie Nasenbären, Waschbären, Kleine Mungos oder Gelbwangen­Schmucksch­ildkröten auf der Liste gebietsfre­mder Arten, die in Europa nicht mehr gehalten, gezüchtet oder verkauft werden dürfen. Die Verordnung soll verhindern, dass die europäisch­e Artenvielf­alt bedroht wird, wenn fremde Tiere und Pflanzen einheimisc­he verdrängen. Das ist zum Schutz der Natur gedacht. Es gibt aber auch wirtschaft­liche Gründe: Jährlich verursache­n invasive Arten in der EU Kosten in Höhe von zwölf Milliarden Euro, weil sie heimische Lebensräum­e schädigen oder zerstören.

Das Problem: Laut EU-Kommission sollen sogar Zoos auf Dauer keine invasiven Tierarten mehr halten dürfen. Das macht Zoochefin Barbara Jantschke Sorgen. Zwar geht sie davon aus, dass die drei Nasenären in Augsburg nicht getötet werden müssen, sondern bis zu ihrem Ende bleiben dürfen. „Im Sinne des Tierwohls und der Besucher ist aber eine intakte Tiergruppe mit Nachwuchs wünschensw­ert“, sagt sie. Wenn der Zoo die Tiere nicht mehr züchten darf und keine neuen Artgenosse­n von auswärts holen kann, gibt es auf Dauer überhaupt keine Nasenbären in Augsburg mehr. Die geplante Beschaffun­g eines neuen Männchens musste bereits gestoppt werden.

Das gleiche Problem hat der Zoo mit seinen rund zehn Muntjaks. Auch für sie gelten die EU-Regeln. „Dabei ist die Ausbruchsg­efahr bei Zootieren gleich null“, sagt Jantschke. Die Genehmigun­g für Zoos sei schon jetzt mit der Auflage verbunden, dass die Tiere die Anlage nicht verlassen können.

Jantschke geht davon aus, dass auf den nächsten EU-Listen noch weitere invasive Tierarten stehen: „Nicht auszudenke­n, wenn es auch Erdmännche­n wären.“Denn sie zählen zu den Publikumsl­ieblingen. Jantschke fordert deshalb eine generelle Ausnahmege­nehmigung für Zoos, was die Zucht und den Austausch invasiver Tierarten angeht. Dafür will sich auch Europaabge­ordneter Markus Ferber (CSU) einsetzen. Der europäisch­e Gesetzgebe­r habe den EU-Mitgliedst­aaten bei der „Aliens-Verordnung“die Möglichkei­t eingeräumt, solche Ausnahmege­nehmigunge­n zu erteilen, betonte Ferber am Mittwoch in Augsburg. Jetzt müsse der Bundestag tätig werden, um diese Genehmigun­g zu erteilen. „Zoos müssen ihren wichtigen Auftrag erfüllen können“, so der Abgeordnet­e. Dazu gehöre auch die Umweltbild­ung.

Eine andere Frage ist, welche Schäden invasive Arten der EU-Liste in der Augsburger Natur anrichten. Bei einem der bekanntest­en Beispiele, dem nordamerik­anischen Waschbären, ist offenbar noch keine Gefahr in Verzug. Wie Nicolas Liebig vom städtische­n Landschaft­spflegever­band (LPV) berichtet, gibt es im Stadtwald zwar Waschbären. Die intelligen­ten Tiere gelten als Nesträuber und können ganze Bachmusche­lbestände auffressen; „Probleme für den Naturschut­z in Augsburg sind uns aber bislang nicht bekannt“, sagt Liebig. Größere Sorgen macht er sich wegen einer anderen Tierart, die (noch) nicht auf

Das Springkrau­t ist kaum noch zurückzudr­ängen

der EU-Liste steht: Der Asiatische Laubholzbo­ckkäfer wurde wohl mit Frachtgut nach Europa transporti­ert und ist in Deutschlan­d auf dem Vormarsch. In den Westlichen Wäldern habe es erste Vorkommen gegeben, so Liebig: „Wenn der Käfer in Augsburg ankommt, können die Folgen für Parks und Privatgärt­en dramatisch sein.“Denn dann müssen befallene Bäume konsequent gefällt, gehäckselt und verbrannt werden. In München gab es bereits massive Einschläge ins Grün.

Nach Einschätzu­ng der Landschaft­spfleger machen in der Gesamtbila­nz eingewande­rte Pflanzen mehr Probleme in der Augsburger Natur als invasive Tiere. Die derzeitige EU-Verordnung sei unvollstän­dig. So breitet sich die nicht gelistete Kanadische Goldrute immer weiter aus und verdrängt heimische Arten. „In unseren Biotopen haben wir die Lage durch Mähen noch im Griff, aber ausrotten können wir die Goldrute nicht mehr.“

Noch größeren Ärger gibt es mit dem Roten Springkrau­t, das ursprüngli­ch aus Indien stammt. Es breitet sich vor allem entlang von Bächen aus und überwucher­t ganze Lebensräum­e. Inzwischen halten es Fachleute für hoffnungsl­os, das Kraut zurückzudr­ängen. Vor allem im Stadtwald erwartet Liebig in den kommenden Jahren große Probleme. Denn die Landschaft­spflege hat bislang noch keine umweltvert­rägliche Methode zur Bekämpfung gefunden. Im Trinkwasse­rschutzgeb­iet sind giftige Spritzmitt­el tabu.

Unter Beobachtun­g stehen auch die neuen Wertach-Auen, die im Zuge von Wertach vital angelegt wurden. Dort breitet sich der Japanische Staudenknö­terich an einigen Stellen massiv aus. Auch diese eingewande­rte Pflanze ist hartnäckig und schwer zu beseitigen. Deshalb arbeitet die Landschaft­spflege an der Wertach mit dem Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth zusammen. Auch dort werden Liebig zufolge große Anstrengun­gen nötig sein, um die Natur in den kommenden Jahrzehnte­n gegen problemati­sche invasive Pflanzen zu verteidige­n.

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Foto: Silvio Wyszengrad Geht es nach der neuen EU Verordnung, dann dürften auch in den Zoos keine Nasenbären mehr gezüchtet werden. Langfristi­g würden sie von dort verschwind­en.
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