Friedberger Allgemeine

Das Leben verdient es, gefeiert zu werden

Wir müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir an Ostern jetzt fröhlich sind. Mag uns auch ein Schatten von Bedrohung aufs Gemüt schlagen. Die Zuversicht auf ein gutes Ende hat einen guten Grund

- Loi@augsburger allgemeine.de

DVON ALOIS KNOLLER er Karfreitag liegt uns dieses Jahr wahrschein­lich näher als Ostern. Wem ist schon zum Feiern zumute, wenn gefühlt in unserem Land die Bedrohung durch Terroransc­hläge und alltäglich­e Gewalt zunimmt? Können wir ohne Weiteres zur Tagesordnu­ng übergehen, wenn Mitmensche­n zu Schaden kommen? Sicher nicht. Dennoch müssen wir kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir jetzt fröhlich Ostern feiern, uns auf dem Plärrer vergnügen oder sonst eine der vielen Freizeitfr­euden genießen, die unsere Stadt reichlich bietet.

Ostern ist das Fest der Freude – weil in religiöser Lesart das Leben über den Tod gesiegt hat. Das Leben verdient es, gefeiert zu werden. Einfach, weil es so wunderbar ist. Junge Eltern, die gerade ein Kind bekommen haben, werden es bestätigen. Ebenso diejenigen, die eine schwere Krankheit überstande­n haben und wieder Mut schöpfen, dass es gut weitergeht. Neues Vertrauen ins Leben fassen auch diejenigen, denen eine neue Arbeitsste­lle Erfüllung schenkt, weil sie sich wieder wertvoll und gebraucht fühlen. Und solche, die nach einer persönlich­en Krise wieder Tritt fassen. Wie viele solcher erfreulich­er Geschichte­n ereignen sich laufend in unserem Augsburg!

Sie hellen das Dunkle auf, das uns gegenwärti­g aufs Gemüt schlägt. Augsburg ist zum Glück bislang von Anschlägen verschont geblieben. Aber das Blatt könnte sich jederzeit wenden. Und reichen nicht schon die Nachrichte­n von Schlägerei­en, Überfällen und Rowdytum, die uns täglich erreichen? Nein, Augsburg ist keine Insel der Seligen. Die Stadt krankt genauso an den ungelösten Problemen unserer Zeit. Unterschwe­llig untergräbt die Unsicherhe­it unser Vertrauen in die Normalität. Allzu schnell verlangt man „Maßnahmen“von Polizei und Politik. Und neigt dazu, Sündenböck­e für die Missstände ausfindig zu machen, seien es die Ausländer allgemein oder die Flüchtling­e, seien es unangepass­te Punker oder ungepflegt­e Trinker. Damit trübt sich jedoch der unvoreinge­nommene, der freundlich­e Blick für den Mitmensche­n. „Er ist wie du“, sagt die Bibel. Deshalb sollst du den Nächsten lieb haben.

Keine Frage: In der Gruppe sind manche Mitbürger manchmal unausstehl­ich, weil sie sich gegenseiti­g aufstachel­n und hinreißen lassen zu Pöbelei und Schlägerei, zu denen der Einzelne nicht ohne Weiteres entschloss­en wäre. Doch gilt dies nicht auch für vorbildlic­he, menschenfr­eundliche Initiative­n? Davon gibt es in unserer Stadt wahrhaftig nicht wenige! Wo zerstöreri­sches Verhalten jedoch meist explosions­artig ausbricht, geschieht aufbauende­s Tun in geduldiger Allmählich­keit – und leider nicht immer ohne Rückschläg­e. Jeder Helferkrei­s für Flüchtling­e hat erlebt, wie Fremde sich anstrengen, um auf die Füße zu kommen. Dann hemmt plötzlich eine Behörde oder Gruppendru­ck die Integratio­n…

Hoffen wider alle Hoffnung, dazu ermutigt die österliche Botschaft von der Auferstehu­ng von den Toten. Wer’s glaubt, kann sein Leben in großer Zuversicht führen. Den gläubigen Menschen wird natürlich genauso Angst befallen, wenn er in eine bedrohlich­e Situation gerät. Doch er wird sehr wahrschein­lich nicht in ausweglose Panik stürzen und dabei entweder in hilflose Schockstar­re verfallen oder wild um sich schlagen. Glaubende Menschen sind gegründete Menschen, die sich nicht so leicht von simplen Parolen und aufgeputsc­hten Stimmungen verschauke­ln lassen.

Leben heißt Veränderun­g und fordert von uns ein ständiges Neuwerden. Niemals gab es eine gute, alte Zeit, die nicht auch ihre Schattense­iten gehabt hätte. Sei es Elend und Armut, sei es autoritäre Gängelung, sei es Überwachun­g und Unterdrück­ung. Eine Stadt wird sich ständig wandeln. Es ziehen neue Bräuche ein – wie jetzt das massenhaft­e Sich-Lagern auf dem Rathauspla­tz, das durchaus seinen Charme hat. Und die Stadt zieht neue Bevölkerun­gsgruppen an, die auf ein besseres Leben hoffen.

Und wir? Nützen wir die Chancen unserer Zeit und grenzen wir die Risiken mit klugen Regeln ein.

Und trauen wir dem Leben.

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Foto: Oliver Berg, dpa So wie die Osterglock­en mit ihren Blüten den Menschen im Frühling eine Freude ma chen, ist auch Ostern: ein freudiges Fest.
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