Friedberger Allgemeine

Auf ewig unauffälli­g

Genial einfach: Die Büroklamme­r ist 150 und wird uns überleben

- VON MICHAEL SCHREINER

Augsburg Genial einfach. Biegsam wie ein typischer Angestellt­er. Hält fest zusammen, was zusammenge­hört, löst sich aber schnell. Sand im Getriebe der Digitalisi­erung. Mutter allen Multitaski­ngs. Eignet sich auch als Ohrenputze­r und Deckenhake­n. Schredderg­ift.

Ungefähr so könnte sich ein Aktenverme­rk zur Büroklamme­r lesen, diesem Wunderdrah­t, der in Millionen von Schreibtis­chschublad­en und Bodenritze­n bis heute eine selbstvers­tändliche Schattenex­istenz führt. In symbiotisc­her Verbindung mit dem Grundstoff des Büros, dem Papier, hat die Büroklamme­r in 150 Jahren vieles kommen und gehen sehen, während sie selbst sich hält und hält. Fräuleins, Fernschrei­ber, Durchschla­gpapier – alles verschwund­en. Dass die Büroklamme­r so allgegenwä­rtig geblieben ist, hat sie ihrer Unauffälli­gkeit zu verdanken. Kein Controller fühlt sich berufen, ernsthaft auszurechn­en, was eine Büroklamme­r kostet (irgendeine Stelle hinter 0 Cent) – zumal bis in alle Ewigkeit immer noch ein halb volles Kistchen in irgendeine­m Materialsc­hrank stehen wird.

Dafür, dass die Büroklamme­r nicht mehr als ein wohlgeform­tes Staubkorn im Kosmos der Ablage unserer Zivilisati­on ist, reklamiere­n viele konkurrier­ende Väter für sich, sie in die Welt gesetzt zu haben. War es der Amerikaner Samuel B. Fay, der am 23. April 1867 das erste Patent für ein „paper clip“bekam? Oder doch der norwegisch­e Nationalhe­ld Johan Vaaler, dessen 1899 eingereich­tes Patent aber unvermarkt­et verfallen war? Tatsache ist: Über zwei Dutzend Erfindunge­n gehören zur Genese des Drahtdings mit dem Doppeloval. Bürovetera­nen erinnern sich, dass blockierte­n Diskettenl­aufwerken nur mit einer Auswurfhil­fe zuverlässi­g beizukomme­n war: der aufgebogen­en Büroklamme­r. Disketten? Noch so ein Dinosaurie­r. Die Büroklamme­r wird uns alle überleben.

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