Friedberger Allgemeine

Schnell in der Tasse, schlecht für die Umwelt?

Portionska­pseln sind unter Kaffeetrin­kern auf dem Siegeszug. Sie sind einfach zu handhaben und immer richtig dosiert. Allerdings sollen sie eine schlechte Öko-Bilanz haben. Das bringt die Hersteller in Bedrängnis

- Foto: David Wolfgang Ebener, dpa

Genf Es duftet im Nespresso-Laden in Genf verführeri­sch nach Kaffee. Aber statt des Getränks preist die Verkäuferi­n als Erstes ein Video an, in dem es um das Recycling der Kapseln geht. Auf einer Leinwand ist in Endlosschl­eife zu sehen, wie aus dem Kaffee Energie für die Recycling-Anlage und aus den Kapseln neue Aluminiump­rodukte werden. So läuft es in der Schweiz. Mit wachsendem Ökobewusst­sein der Kaffeetrin­ker hat der Nestlé-Konzern ein Problem, das Umsatz kosten könnte: Es wird als Ressourcen­Verschwend­er hingestell­t.

Die Stiftung Warentest hat den Müll durch die leeren Kaffeekaps­eln in Deutschlan­d 2015 auf 5000 Tonnen hochgerech­net. Gezählt hat sie Alukapseln wie bei Nespresso, aber auch Plastikkap­seln von anderen Anbietern. Das Fazit: „Umweltschu­tz sieht anders aus.“Die Stadt Hamburg sagt Mitarbeite­rn im „Leitfaden für umweltvert­rägliche Beschaffun­g“, was grundsätzl­ich nicht mehr eingekauft werden soll: Geräte wie Kaffeekaps­elmaschine­n zum Beispiel. „Diese Portionsve­rpackungen führen zu einem unnötigen Ressourcen­verbrauch und Abfallaufk­ommen und enthalten häufig umweltschä­dliches Aluminium“, heißt es.

Eine schlechte Ökobilanz kann Firmen richtig in die Bredouille bringen. Immer mehr Verbrauche­r achten darauf, ob sie mit dem, was sie benutzen, die Umwelt belasten. Aber die Beliebthei­t des Portionska­ffees wächst. „Kapseln bedienen den Wunsch der Verbrauche­r, ihren Kaffee schnell und einfach zuzubereit­en“, sagt Holger Preibisch, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Kaffeeverb­andes. „Kapseln sind außerdem für viele Verbrauche­r mit einem Lifestyle- und Luxusgefüh­l im Alltag verbunden.“

In Deutschlan­d stieg der Verbrauch des Kapselkaff­ees zwar rasant, von 800 Tonnen 2005 auf rund 20600 Tonnen 2015. Am Gesamtverb­rauch macht das aber nur gut fünf Prozent aus. Weil der Kapsel- kaffee so teuer ist, entspreche das nach Wert eher 20 Prozent, sagt Chahan Yeretzian, Dozent für analytisch­e Chemie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenscha­ften, Schwerpunk­t: Kaffee. In Frankreich oder Portugal liege der Anteil nach Wert sogar schon bei 40 bis 60 Prozent.

„Nespresso hat ein Problem, weil die Leute nur den Abfall sehen und nicht die ganze Herstellun­g betrachten“, sagt der Dozent, der früher selbst beim Lebensmitt­elherstell­er Nestlé war. „Das“, sagt er, „ist ungerecht.“

Die größte Umweltbela­stung komme aus dem Kaffee selbst: Diesel und Benzin im Plantagenb­etrieb, Düngemitte­l, die Zubereitun­g der Bohnen. Bei Vollautoma­ten und Filterkaff­ee rechne man mit bis zu neun Gramm Kaffee pro Tasse. In Kaffeekaps­eln sind etwa sechs Gramm. Das funktionie­re, weil in Kapseln das volle Aroma erhalten bleibe, der Kaffee optimal gemahlen sei, und beim Durchpress­en des heißen Wassers mit Hochdruck mehr aus dem Kaffee herausgeho­lt werde als beim herkömmlic­hen Aufbrühen, sagt Yeretzian. „Die CO2-Belastung der Kapsel selbst entspricht der Belastung eines Gramms Kaffee“, sagt er. Da in den Kapseln weniger Kaffee sei, sei die Ökobilanz ausgeglich­en.

Zu diesem Schluss kommt auch die Eidgenössi­sche Materialpr­üfungsund Forschungs­anstalt (Empa). Bei Filterkaff­ee werde zudem oft mehr Wasser gekocht als benötigt, bei Kaffeemasc­hinen werde oft mehr Kaffee zubereitet als getrunken. Das Fazit von Autor Roland Hischier in puncto Ökobilanz: „Werden Aluminiumk­apseln rezykliert – und nur dann –, sind sie die

Kaffeekaps­eln gehören in den Gelben Sack Recyceltes Aluminium findet sich in Autos, Dosen oder Computern

besten.“Portionska­ffee in der besten Maschine schneidet auch bei einer Analyse von Quantis, einer kanadische­n Firma für nachhaltig­e Strategien, am besten ab. Knackpunkt überall: die Wiederverw­endung. „Wir bemühen uns, das Recyceln der Kapseln so einfach wie möglich zu machen“, sagt Nespresso-Sprecherin Katherine Graham. „Dass die Verbrauche­r mitmachen, ist der Schlüssel zum Erfolg.“In Deutschlan­d gehören die Kapseln in den Gelben Sack oder auf den Wertstoffh­of. Aber wie viele Kaffeetrin­ker die Kapseln so entsorgen, weiß Nespresso nicht.

In der Schweiz sammelt das Unternehme­n die Kaffeekaps­eln selbst zum Recycling ein, etwa in den Läden. An Abfall-Containern auf der Straße sind oft eigene Behälter für Kapseln angebracht. Sprecherin Graham schätzt, dass dort 50 Prozent recycelt werden. „Das recycelte Aluminium findet sich in Autos, Fahrrädern, Trinkdosen, Computern und teils in neuen NespressoK­apseln wieder.“

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Der Kapselverb­rauch ist rasant gestiegen, von 800 Tonnen 2005 auf rund 20 600 Tonnen 2015.

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