Schnell in der Tasse, schlecht für die Umwelt?
Portionskapseln sind unter Kaffeetrinkern auf dem Siegeszug. Sie sind einfach zu handhaben und immer richtig dosiert. Allerdings sollen sie eine schlechte Öko-Bilanz haben. Das bringt die Hersteller in Bedrängnis
Genf Es duftet im Nespresso-Laden in Genf verführerisch nach Kaffee. Aber statt des Getränks preist die Verkäuferin als Erstes ein Video an, in dem es um das Recycling der Kapseln geht. Auf einer Leinwand ist in Endlosschleife zu sehen, wie aus dem Kaffee Energie für die Recycling-Anlage und aus den Kapseln neue Aluminiumprodukte werden. So läuft es in der Schweiz. Mit wachsendem Ökobewusstsein der Kaffeetrinker hat der Nestlé-Konzern ein Problem, das Umsatz kosten könnte: Es wird als RessourcenVerschwender hingestellt.
Die Stiftung Warentest hat den Müll durch die leeren Kaffeekapseln in Deutschland 2015 auf 5000 Tonnen hochgerechnet. Gezählt hat sie Alukapseln wie bei Nespresso, aber auch Plastikkapseln von anderen Anbietern. Das Fazit: „Umweltschutz sieht anders aus.“Die Stadt Hamburg sagt Mitarbeitern im „Leitfaden für umweltverträgliche Beschaffung“, was grundsätzlich nicht mehr eingekauft werden soll: Geräte wie Kaffeekapselmaschinen zum Beispiel. „Diese Portionsverpackungen führen zu einem unnötigen Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen und enthalten häufig umweltschädliches Aluminium“, heißt es.
Eine schlechte Ökobilanz kann Firmen richtig in die Bredouille bringen. Immer mehr Verbraucher achten darauf, ob sie mit dem, was sie benutzen, die Umwelt belasten. Aber die Beliebtheit des Portionskaffees wächst. „Kapseln bedienen den Wunsch der Verbraucher, ihren Kaffee schnell und einfach zuzubereiten“, sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. „Kapseln sind außerdem für viele Verbraucher mit einem Lifestyle- und Luxusgefühl im Alltag verbunden.“
In Deutschland stieg der Verbrauch des Kapselkaffees zwar rasant, von 800 Tonnen 2005 auf rund 20600 Tonnen 2015. Am Gesamtverbrauch macht das aber nur gut fünf Prozent aus. Weil der Kapsel- kaffee so teuer ist, entspreche das nach Wert eher 20 Prozent, sagt Chahan Yeretzian, Dozent für analytische Chemie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Schwerpunkt: Kaffee. In Frankreich oder Portugal liege der Anteil nach Wert sogar schon bei 40 bis 60 Prozent.
„Nespresso hat ein Problem, weil die Leute nur den Abfall sehen und nicht die ganze Herstellung betrachten“, sagt der Dozent, der früher selbst beim Lebensmittelhersteller Nestlé war. „Das“, sagt er, „ist ungerecht.“
Die größte Umweltbelastung komme aus dem Kaffee selbst: Diesel und Benzin im Plantagenbetrieb, Düngemittel, die Zubereitung der Bohnen. Bei Vollautomaten und Filterkaffee rechne man mit bis zu neun Gramm Kaffee pro Tasse. In Kaffeekapseln sind etwa sechs Gramm. Das funktioniere, weil in Kapseln das volle Aroma erhalten bleibe, der Kaffee optimal gemahlen sei, und beim Durchpressen des heißen Wassers mit Hochdruck mehr aus dem Kaffee herausgeholt werde als beim herkömmlichen Aufbrühen, sagt Yeretzian. „Die CO2-Belastung der Kapsel selbst entspricht der Belastung eines Gramms Kaffee“, sagt er. Da in den Kapseln weniger Kaffee sei, sei die Ökobilanz ausgeglichen.
Zu diesem Schluss kommt auch die Eidgenössische Materialprüfungsund Forschungsanstalt (Empa). Bei Filterkaffee werde zudem oft mehr Wasser gekocht als benötigt, bei Kaffeemaschinen werde oft mehr Kaffee zubereitet als getrunken. Das Fazit von Autor Roland Hischier in puncto Ökobilanz: „Werden Aluminiumkapseln rezykliert – und nur dann –, sind sie die
Kaffeekapseln gehören in den Gelben Sack Recyceltes Aluminium findet sich in Autos, Dosen oder Computern
besten.“Portionskaffee in der besten Maschine schneidet auch bei einer Analyse von Quantis, einer kanadischen Firma für nachhaltige Strategien, am besten ab. Knackpunkt überall: die Wiederverwendung. „Wir bemühen uns, das Recyceln der Kapseln so einfach wie möglich zu machen“, sagt Nespresso-Sprecherin Katherine Graham. „Dass die Verbraucher mitmachen, ist der Schlüssel zum Erfolg.“In Deutschland gehören die Kapseln in den Gelben Sack oder auf den Wertstoffhof. Aber wie viele Kaffeetrinker die Kapseln so entsorgen, weiß Nespresso nicht.
In der Schweiz sammelt das Unternehmen die Kaffeekapseln selbst zum Recycling ein, etwa in den Läden. An Abfall-Containern auf der Straße sind oft eigene Behälter für Kapseln angebracht. Sprecherin Graham schätzt, dass dort 50 Prozent recycelt werden. „Das recycelte Aluminium findet sich in Autos, Fahrrädern, Trinkdosen, Computern und teils in neuen NespressoKapseln wieder.“