Friedberger Allgemeine

Stürzt Frankreich Europa in eine Handelskri­se?

Marine Le Pen fordert im Falle eines Wahlsiegs einen Frexit und eine Rückkehr zum Franc. Ökonom Philippe Crevel warnt davor

-

Marine Le Pen schlägt in ihrem Wahlprogra­mm die Rückkehr zum Franc vor. Was hätte das für Frankreich und die europäisch­en Partner zu bedeuten? Philippe Crevel: Wenn die zweitgrößt­e Wirtschaft­smacht der Eurozone diese verlassen würde, gäbe das einen systemisch­en Schock, den die Gemeinscha­ftswährung vielleicht nicht überstehen könnte. Bei einer Umwandlung in Franc würde dieser um schätzungs­weise 30 bis 40 Prozent abgewertet. Die Schulden würden unmittelba­r ansteigen, aber auch die Zinsen, wobei Frankreich momentan noch von einem sehr niedrigen Zinsniveau profitiert. Zugleich droht dann auch der Wert des Euro zu sinken. Katastroph­al wäre das auch für die französisc­hen Versicheru­ngen und natürlich die großen französisc­hen Banken. Es wäre der Super-Gau für die Stabilität der europäisch­en Finanzwelt.

Crevel: Ausländisc­he Investoren dürften sich voraussich­tlich von Frankreich abwenden und die Preise auf dem Immobilien­markt durch stark steigende Zinsen einbrechen. Bei Exporten würden die französisc­hen Unternehme­n von einem neuen Wechselkur­s mit einer Währung, die um mindestens 30 Prozent entwertet wird, zwar profitiere­n. Doch Importe und damit auch die Produkte müssten deutlich teurer bezahlt werden. Frankreich hat eine negative Außenhande­lsbilanz, es führt Energie ein und der Ölpreis würde steigen. Heute handelt Frankreich zu mehr als 60 Prozent mit Ländern der Eurozone. Doch wenn es politisch kein loyaler Partner mehr wäre , erscheint nicht sicher, ob die anderen Länder das akzeptiere­n oder französisc­he Importe ablehnen würden. Das könnte Europa in eine Handelskri­se stürzen. Crevel: Es wäre ein echter Schock für sie. Die hohen Schulden brächten einerseits die Guthaben und vor allem die Lebensvers­icherungen der Franzosen in Gefahr. Gerade in der Übergangsp­hase bis zur Rückkehr zu einer nationalen Währung könnte es zu Liquidität­sproblemen kommen und bei Auslandsre­isen von Privatpers­onen oder Betrieben zu einer Sperrung ihrer Konten, damit die Banken die Kontrolle bewahren und das Geld nicht ins Ausland abfließt. Die Erhöhung der Preise von eingeführt­en Gütern und Energie würde sich massiv auf die Kaufkraft der Menschen auswirken. Crevel: Als Beispiel lässt sich die Eurokrise in Griechenla­nd heranziehe­n, wo die Regierung Konten der Bürger blockieren musste, um zu verhindern, dass diese ihr Geld im Ausland anlegen. Die Kapitalflu­cht von Sparern und Unternehme­n wäre auch in Frankreich ein hohes Risiko. Oder schauen Sie auf die Finanzkris­e in Lateinamer­ika, wo es nach dem Bankrott mehrere Jahre dauerte, bis sich die finanziell­e und wirtschaft­liche Situation in vielen Ländern wieder stabilisie­rt hat. Argentinie­n hat immer noch nicht freien Zugang zu den Finanzmärk­ten. Freilich wäre der Ausstieg eines Eurolandes aus der Gemeinscha­ftswährung eine nie dagewesene Situation. Klar ist: Sie wäre dramatisch für alle Beteiligte­n. Crevel: Ein Frexit wäre nicht vergleichb­ar mit dem Brexit, eben weil Großbritan­nien sich nicht in dem kleinen Klub der Euroländer befindet, die durch die gemeinsame Währung wirtschaft­lich eng miteinande­r verflochte­n sind. Hinzu kommt Frankreich­s zentrale Rolle als Gründungsm­itglied der EU und Mitglied des Schengen-Raums. Wir kennen die genauen Folgen des Brexits noch nicht, es geht ja nun erst einmal in zwei Jahre dauernde Verhandlun­gen. Aber es lässt sich bereits absehen, dass die wirtschaft­lichen Folgen hart werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany