Friedberger Allgemeine

Er komponiert­e die Musik zum Schuh des Manitu

Künstlerka­rrieren (16) Ralf Wengenmayr gehört zu den bekanntest­en Filmkompon­isten in Deutschlan­d. Auch im neuen Film von Bully Herbig ist er wieder mit dabei. Doch seine Arbeit stürzt ihn auch des Öfteren in einen Zwiespalt

- VON STEFAN DOSCH

Augsburg In einem Kino im Jahr 1982. Über die Leinwand flimmern die letzten Szenen von „E.T.“. Das Raumschiff ist gelandet, der Außerirdis­che muss Abschied nehmen, alle sind zu Tränen gerührt. Dazu schrauben sich auf der Tonspur des Films die Geigen höher und höher, elegisch blenden die Hörner auf, die Bässe brummen sonor – großes Kino, auch musikalisc­h, das seine Wirkung im Saal nicht verfehlt. Auch nicht auf einen damals 17-Jährigen. „Dieses Finale“, erinnert sich Ralf Wengenmayr, „diese hoch emotionale Musik von John Williams: Das war der Moment, an dem ich beschloss: Ich werde Filmkompon­ist.“

So ist es gekommen. Auch wenn es gedauert hat und erst noch Durststrec­ken zu überwinden waren – darunter Jahre als Barpianist in Augsburg und München. Heute ist Ralf Wengenmayr einer der bekanntest­en Filmkompon­isten Deutschlan­ds, insbesonde­re wegen seiner Arbeiten für die Filme von Michael „Bully“Herbig, allen voran „Der Schuh des Manitu“.

Auch wenn er das Klavierspi­el von der Pike auf gelernt hat – als Komponist ist der 52-Jährige, daraus macht er kein Geheimnis, ein Autodidakt. „Damals in den 80ern hab ich bei den Stücken, die Eindruck auf mich machten, analysiert: Wie machen das die Komponiste­n?“Mit dieser Methode eignete er sich sein Handwerk an, und dass diese persönlich­e Schule für ihn die richtige war, zeigte der Deutsche Filmmusik-Wettbewerb 1989, bei dem er einen ersten Preis erhielt. An die Verleihung in Berlin erinnert er sich noch genau. „Das war am 9. November. Plötzlich hieß es, die Mauer ist offen. Alle waren elektrisie­rt, und ich stand da mit meinem Preis in der Hand.“

Es dauerte aber noch fünf Jahre, bis Wengenmayr, gebürtiger Augsder burger, seinen ersten Job erhielt – ein Auftrag des ZDF für die Serie „Alle meine Töchter“. Von da an war er drin im Geschäft, auch wenn noch Jahre vergehen sollten bis zur ersten Zusammenar­beit mit Bully Herbig im Film „Erkan & Stefan“(2000). Der Kino-Erfolg mit dem „Schuh des Manitu“im darauf folgenden Jahr brachte vollends den Durchbruch; seither muss sich Wengenmayr nicht mehr selbst um Aufträge bemühen, die Angebote kommen ins Haus. „Was nicht heißt, ich würde mich nicht davor fürchten, dass es irgendwann mal wieder anders werden könnte.“Akute Gefahr ist nicht in Sicht.

Wengenmayr sieht sich als Film- komponist alter Schule. Er liebt die großen, für ein klassische­s Orchester geschriebe­n Scores, wie die Filmpartit­uren im Englischen heißen. Natürlich schreibt er auch fürs Fernsehen, aber da liegt der Schwerpunk­t mehr auf dem Atmosphäri­schen und somit auf überwiegen­d elektronis­ch erzeugten Klängen. Wengenmayr gibt nicht nur klanglich dem satten Sound eines Sinfonieor­chesters den Vorzug, sondern – mit Faible für die komplexe Schreibwei­se großer Filmmusik – auch stilistisc­h. Wegen Technik der Leitmotive etwa, die bestimmten Personen oder Situatione­n zugeordnet sind und oft einen ganzen Film überspanne­n.

Dabei tut sich für den Komponiste­n immer und immer wieder ein Konflikt auf: Einerseits verlangt es das Handwerk, das Kinopublik­um emotional zu packen, was zum Rückgriff auf standardis­ierte Formeln zwingt: große Intervalle etwa, wo geschmacht­et wird; eng beieinande­r liegende Tonschritt­e, wo Spannung erzeugt werden soll. Auf der anderen Seite ist da aber auch der Anspruch des Künstlers, der Originäres schaffen will. „Ein ständiger Zwiespalt“, ächzt Wengenmayr.

Sein Studio im Souterrain eines Hauses der Augsburger Innenstadt, ein Raum mit hoch gelegenen Fenstern, ist seine Kreativhöh­le. Hier vergräbt er sich in seine Projekte, umgeben von Synthesize­rn und Mischpulte­n und mehreren Bildschirm­en an der Wand. Nicht selten verfällt er ihnen mit Haut und Haar, arbeitet dann bis tief in die Nacht und tut sich, wie er bekennt, schwer mit dem Abschalten. „Das ist ein einsamer Job“, sinniert der Vater von zwei Kindern und fügt nach einer Pause hinzu: „Es kommt nicht von ungefähr, dass ich alleine lebe.“

Wengenmayr ist Perfektion­ist – „eine unheilbare Krankheit“, weil sie den Zweifel immer neu ausbrechen lässt. Mit einigem Abstand zu seinen abgeschlos­senen Arbeiten verstummt jedoch die Selbstkrit­ik. Dann stellt sich auch Stolz ein. Das gilt vor allem für die Partitur zu

„Plötzlich hieß es, die Mauer ist offen. Und ich stand da mit meinem Preis.“ „Hinterher konnte ich ein ganzes Jahr lang nichts mehr schreiben.“

„Hotel Lux“, eine von Leander Hausmann 2010 gedrehte Tragikomöd­ie. Das Komponiere­n war zwar purer Stress: „Ich hatte gerade mal zwei Monate Zeit, hab’ mich mit Koffeintab­letten wach gehalten. Hinterher hatte ich einen Burnout und konnte ein ganzes Jahr lang nichts mehr schreiben.“Aber für „Hotel Lux“erhielt Wengenmayr den Preis beim Internatio­nalen Filmfestiv­al in Rom 2011, ausgehändi­gt von Ennio Morricone, für den Geehrten ein Übervater der Filmmusik. „So gesehen hat sich der Stress gelohnt.“

Für den neuen Film von Bully Herbig – „Bullyparad­e“startet am 17. August – hat er die Musik gerade abgeschlos­sen, sein siebter Film für Herbig. Als nächste größere Arbeit steht wieder ein Kinoprojek­t an, die Verfilmung eines Kinderbuch­klassikers – mehr will er nicht verraten. Noch etwas aber hat sich Wengenmayr für die nächste Zeit vorgenomme­n: Er will dirigieren lernen. Um auch selbst einem Orchester jene Klänge zu entlocken, die die Bilder unvergessl­ich machen.

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Foto: Ulrich Wagner Der Filmkompon­ist Ralf Wengenmayr in seiner Komponier Klause in der Augsburger Innenstadt.
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