Friedberger Allgemeine

So können Sie auf dem Plärrer mitreden

Heute ist das undenkbar: Es gab Jahre, in denen kein Alkohol ausgeschen­kt wurde. Doch wie kam das Bier aufs Volksfest? Wird kontrollie­rt, ob die Maß richtig gefüllt ist? Und welches Lied ist immer ein Hit? /

- Von Jörg Heinzle

Der Plärrer ist der Arbeitspla­tz von gut 500 Menschen – diese Zahl nennt Josef Diebold, Chef des schwäbisch­en Schaustell­erverbands. Etwa jeweils die Hälfte arbeitet an Fahrgeschä­ften und in den Zelten. Viele Mitarbeite­r benötigen vor allem die großen Zelte, bei Weitem nicht alle sind fest angestellt: Viele Saisonarbe­iter an Fahrgeschä­ften kommen aus Polen oder Rumänien – wie in der Landwirtsc­haft.

Gab es schon immer Festzelte auf dem Plärrer?

Nein. In den Anfangsjah­ren gab es auf dem Volksfest sogar überhaupt keine Zelte. Seit 1878 wird der Plärrer auf dem Kleinen Exerzierpl­atz an der Langenmant­elstraße gefeiert. Erst 1921 wird erstmals ein kleines Bierzelt aufgebaut. 1926 wird ein Heidelbeer­wein-Ausschank erlaubt. Zwei Jahre darauf folgen dann zwei Bierzelte. Seither haben die Zelte ihren festen Platz auf dem Fest.

Wie viel Strom wird auf dem Plärrer verbraucht?

Bunte Lichter, Musik, Karussells, Bierzeltkü­che – nichts geht ohne Strom. Pro Plärrer werden laut Stadtwerke um die 220 000 Kilowattst­unden verbraucht. Damit ließen sich rund 100 Haushalte ein Jahr lang versorgen. Viele Schaustell­er setzen statt auf herkömmlic­he Birnen auf sparsame LED-Beleuchtun­g. Und der Strom kommt zu 100 Prozent aus erneuerbar­er Energie.

Gibt es Kontrollen, ob richtig eingeschen­kt wird?

Nein. Die Stadt könnte das tun – mit stichprobe­nartigen Kontrollen, wie es sie auf dem Münchner Oktoberfes­t gibt. Bislang halte man das aber für nicht erforderli­ch, sagt Marktamtsl­eiter Werner Kaufmann. Beschwerde­n über die Schankmora­l der Plärrer-Wirte habe es in den vergangene­n Jahren nicht gegeben.

Welches Lied ist der Dauerbrenn­er in den Zelten?

Das Publikum will vor allem aktuelle Partyhits hören, sagt Joe Williams, der mit seiner Band im Schaller-Zelt auftritt. Doch es gibt auch Dauerbrenn­er – Lieder, die sich seit vielen Jahren halten können. Ein „unkaputtba­rer“Song ist „Highway to hell“der Hardrock-Band AC/DC. Zwei Dauerbrenn­er kommen von österreich­ischen Gruppen: „Live is live“und „Fürstenfel­d“. Dagegen sei „Skandal um Rosi“von der bayerische­n Band Spider Murphy Gang in der Beliebthei­t zurückgefa­llen, sagt der erfahrene Bandleader.

Wurde früher auch Bier ausgeschen­kt?

Anfangs war Alkohol verboten. Im Jahr 1880 wird über „alkoholisc­he Zugeständn­isse“diskutiert. Dann darf, bei günstiger Witterung, erstmals Bier verkauft werden. Dann folgen wieder alkoholfre­ie Jahre. Als 1905 Bieraussch­ank erneut gestattet wird, legen unter anderem die Kirchen und Frauen dagegen Beschwerde ein, heißt es in Berichten. Befürchtet wird „Entsittlic­hung“und „Trunksucht“. Der Name kommt wohl vom Lärm – vom „Geplärre“. Früher fanden die Dulten in der Innenstadt statt. Dort gab es nicht nur Marktständ­e, sondern auch Fahrgeschä­fte und andere Attraktion­en. Aus Rücksicht auf Anwohner wurden laute Attraktion­en 1878 auf den Kleinen Exerzierpl­atz umgesiedel­t. „Blerrer“nannte man auch einen offenen, freien Platz. Der Name taucht erstmals im Jahr 1879 in einem Bericht auf. Offiziell wird das Fest erst in den 1970er Jahren zum „Plärrer“.

Wie viel Bier wird auf dem Plärrer verkauft?

Daraus machen die Wirte ein Geheimnis. Es gibt Feste, bei denen die Wirte genaue Zahlen vorlegen müssen. In Augsburg nicht. Ein Rechtsstre­it zwischen einer Brauerei und Wirt Dieter Held („Schaller“-Zelt) brachte vor einigen Jahren etwas Licht ins Dunkel. Damals ging es um 60 000 Liter Bier, die der Brauer seinen Angaben zufolge für den Osterplärr­er 2010 gebraut haben wollte. Dieter Held nahm aber kein Bier ab, weil er die Brauerei wechselte. Er gewann auch den Prozess. Das älteste Fahrgeschä­ft auf dem aktuellen Osterplärr­er ist das „Kinderpara­dies Spieß“. Das Karussell, das am Eingang in Richtung Familienba­d steht, wurde im Jahr 1962 gebaut und seither immer wieder auf den neuesten Stand gebracht.

Wer legt fest, welches Karussell wo steht?

Das ist die Aufgabe von Platzmeist­er Roland Bader. Er arbeitet im Marktamt der Stadt. Er sagt: Wichtig ist die Mischung aus großen und kleinen Attraktion­en, aus Kinderkaru­ssells, Buden und Zelten. Dass er dabei nie alle Schaustell­er zufriedens­tellen kann, bringe der Job eben mit sich, sagt Roland Bader.

Wurden auf dem Plärrer auch schon Ehen gestiftet?

Vermutlich sogar viele. Ein Beweis: Walter Wiedemann hat seine Frau Marianne beim Osterplärr­er 1984 kennengele­rnt. Er kannte sie zuvor nur flüchtig und kam mit ihr ins Gespräch. Noch im selben Jahr gaben sie sich das Ja-Wort. Damals waren sie nur Besucher. Heute ist das Paar selbst auf dem Fest aktiv – sie betreiben seit 2011 eine sich drehende Karussellb­ar.

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Ulrich Wagner, Jan Kandzora Der Plärrer gehört zu Augsburg. Noch bis zum 1. Mai wird auf dem Kleinen Exerzierpl­atz an der Langenmant­elstraße gefeiert.
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Das älteste Karussell auf dem Plärrer.
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Kennt den Plärrer genau: Josef Diebold
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