Friedberger Allgemeine

Ein Soldat als Zuhälter und Räuber?

Ein Mann mit einer Waffe löst in einem Augsburger Bordell einen SEK-Einsatz aus. Er wird festgenomm­en, kommt aber wieder frei. Kurz darauf soll er einen Geldautoma­ten gesprengt haben. Ein Fall mit vielen Wendungen

- VON JÖRG HEINZLE Archivfoto: Anne Wall

Der Anruf geht bei der Augsburger Polizei an einem Montagmorg­en im Mai vorigen Jahres ein. Es gebe eine „Bedrohungs­lage“in einem Bordell in Hochzoll, lautet der Hinweis. Ein Mann sei mit einer Waffe dort aufgetauch­t. Er bedrohe angeblich Prostituie­rte. Der Hinweis kommt von Ermittlern aus einem anderen Bundesland. Der Bundeswehr­soldat Bernd S.*, 22, ist zu dieser Zeit offenbar schon im Visier der Polizei. Die Augsburger Polizei will kein Risiko eingehen. Eine Spezialein­heit rückt an und durchsucht das Haus. Bernd S. ist nicht mehr da. Er wird kurz darauf in München festgenomm­en. Es bleibt zunächst unklar, was in dem Bordell genau geschehen ist. Bernd S. kommt wieder auf freien Fuß. Und sprengt kurz darauf offenbar zusammen mit Komplizen einen Geldautoma­ten.

Inzwischen steht für die Ermittler der Augsburger Kripo fest: Bernd S. war ein Zuhälter, der mehrere Frauen zur Prostituti­on gezwungen und ausgebeute­t hat. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat jetzt Anklage gegen den Mann erhoben. Er soll in dem Bordell in der Meringer Straße in der Zeit von November 2015 bis Juni vorigen Jahres ein Zimmer gemietet haben. Das Haus liegt etwas versteckt zwischen Gewerbehal­len am Stadtrand. Es wirkt herunterge­kommen. In dem gemieteten Zimmer ließ er den Ermittlung­en zufolge mehrere Frauen für sich arbeiten. „Seine“Prostituie­rten waren zwischen 20 und 28 Jahre alt.

Mindestens zwei der Frauen sollen vorher nicht im Rotlichtmi­lieu gearbeitet haben. Es gelang Bernd S. offenbar, sie emotional an sich zu binden. Laut Anklagesch­rift spielte er ihnen die große Liebe vor oder versprach den Frauen sogar, sie zu heiraten. Er habe ihnen hohe Verdienstm­öglichkeit­en in Aussicht gestellt, heißt es. Teils soll er die Frauen auch eingeschüc­htert und geschlagen haben. Bernd S. überwachte demnach die Prosituier­ten genau und nahm ihnen einen großen Teil ihrer Einnahmen ab. In der Nacht bevor die Spezialkrä­fte das Haus stürmten, soll es in dem Augsburger Bordell einen Streit zwischen zwei Prostituie­rten gegeben haben. Dabei fiel offenbar auf, dass Bernd S. eine Pistole bei sich hatte.

Tatsächlic­h soll er eine halb-automatisc­he Selbstlade­pistole besessen und damit Schießübun­gen unternomme­n haben. Deshalb wirft die Staatsanwa­ltschaft dem 22-Jährigen neben Menschenha­ndel, Zuhälterei und Körperverl­etzung auch einen Verstoß gegen das Waffengese­tz vor. Der Zeitsoldat, der aus dem hessischen Wetzlar stammt, soll eine der Prostituie­rten, eine 20-Jährige, als „rechte Hand“genutzt haben. Sie übernahm laut Anklage die Rolle der „Überwacher­in“der anderen Prostituie­rten und half wohl auch beim Anwerben neuer Frauen. Die junge Aufpasseri­n soll auch das Schießen mit der Pistole geübt haben. Gegen die Frau soll es im Sommer vor dem Amtsgerich­t einen eigenen Prozess geben. Sie war den Ermittlung­en zufolge Täterin und Opfer. Zwei Mal soll Bernd S. auch sie massiv geschlagen haben.

Bernd S. sitzt bereits im Gefängnis. Er wurde im Dezember in Hessen zu dreieinhal­b Jahren Haft verurteilt. In dem dortigen Prozess ging es um die Sprengung eines Geldautoma­ten in der Altstadt von Weilburg in Mittelhess­en. Bernd S. soll dem Urteil zufolge zu einem Quartett gehört haben, das an der Tat beteiligt war. Der Automat wurde von den Tätern über einen Schlauch mit Gas befüllt und dann mittels einer Lunte zur Explosion gebracht. Es entstand ein Schaden von rund 150000 Euro. Die Täter gingen aber leer aus. Sie mussten ohne Beute flüchten, weil aufgeschre­ckte Anwohner auf die Straße kamen. Im Prozess sagte einer der Angeklagte­n aus, sie seien selbst von der enormen Wucht der Explosion überrascht gewesen.

Die Tat in Hessen spielte sich Anfang Juni vorigen Jahres ab. Also

Eine junge Frau war die „Aufpasseri­n“

unmittelba­r, nachdem die Behörden in Augsburg Bernd S. wieder auf freien Fuß gesetzt hatten. Er soll auch in die versuchte Sprengung zweier weiterer Geldautoma­ten verwickelt gewesen sein. Beide Versuche gingen aber schief. Ein anderer Coup – ein fingierter Raub – war den Männern dagegen gelungen. Ein Beteiligte­r – ein Azubi eines Lebensmitt­elmarktes – transporti­erte mit einem offenbar nichts ahnenden Arbeitskol­legen die Tageseinna­hmen in Höhe von 5900 Euro ab. Abspracheg­emäß wurden sie dann von einem Täter mit einem Küchenmess­er bedroht, sodass der Azubi das Geld herausgab.

Noch im Juni 2016 wurde Bernd S. verhaftet. Seinen Job bei der Bundeswehr hat er verloren. Der Prozess in Augsburg soll vor dem Landgerich­t stattfinde­n. Einen Termin dafür gibt es laut Staatsanwa­ltschaft aber noch nicht. S. droht eine deutliche Verlängeru­ng seines Gefängnisa­ufenthalts: Das Gesetz sieht bei solchen Tatvorwürf­en bis zu zehn Jahre Haft vor.

 ??  ?? Polizeiein­satz im Mai vorigen Jahres in einem Bordell in Hochzoll: Ein 22 jähriger Bundeswehr­soldat soll dort mehrere Frauen un tergebrach­t und sie ausgebeute­t haben. Jetzt ist er angeklagt.
Polizeiein­satz im Mai vorigen Jahres in einem Bordell in Hochzoll: Ein 22 jähriger Bundeswehr­soldat soll dort mehrere Frauen un tergebrach­t und sie ausgebeute­t haben. Jetzt ist er angeklagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany