Für eine menschliche Pflege
Im ersten Quartal waren es 80000 Menschen, die neu etwas von der Pflegekasse bekommen und nach dem alten Gesetz leer ausgegangen wären. Davon sind gut 43000 in Pflegegrad 1: Diese Versicherten bekommen unter anderem Beratung in ihrem Zuhause, Pflegehilfsmittel oder Zuschüsse zur Verbesserung des Wohnumfelds. Für 2017 rechnet der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit rund 200 000 zusätzlichen Personen im Pflegesystem. Mittelfristig sollen es laut Gesundheitsministerium 500 000 sein.
Wird man nun leichter als pflegebedürftig eingestuft?
Wenn man den Prozentsatz der Zu-
Dafür, dass es sich um eine ziemlich weitreichende Reform handelt, ist deren Umsetzung vergleichsweise geräuschlos über die Bühne gegangen. Das Selbstlob, das sich der Medizinische Dienst der Krankenkassen nach den ersten 100 Tagen ausstellt, ist also im Großen und Ganzen berechtigt. Von der Pflegeversicherung profitieren seit Jahresbeginn deutlich mehr Menschen, insbesondere Demenzkranke. Ihre Einstufung im neuen System kostet zusätzliche Zeit und ist auch längst nicht abgeschlossen.
Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 hat sich die gesamte Branche erheblich gewandelt. Sehr viel mehr als früher nehmen Familien fremde Hilfe bei der Pflege von Angehörigen in Anspruch, Pflegedienste privater und karitativer Träger schossen wie Pilze aus dem Boden. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Immer mehr Menschen werden immer älter. Damit steigt das Risiko, eines Tages pflegebedürftig zu werden.
Es werden für die Pflege noch viel mehr Menschen gebraucht. Der Fachkräftemangel ist schon jetzt gewaltig und nicht auf Dauer mit Billiglösungen zu beheben. Die aktuelle Reform kostet Milliarden. Die Lösung des Personalproblems wird ein Vielfaches verschlingen. Insbesondere, wenn die Pflege menschlich bleiben soll. Weil auch Vorlesen, Hilfe beim Treppensteigen und vieles andere neu gewährt werden, rechnet der MDK mit neuen Angeboten auf dem Pflegesektor. „Wir glauben, dass ganz andere Märkte entstehen werden“, sagt der Geschäftsführer des MDK Bayern, Reiner Kasperbauer. Insgesamt reichen die Leistungen bis zu 2005 Euro monatlich für vollstationäre Versorgung bei Pflegegrad fünf.
Gehen die Krankenkassen von einem akuten Pflegenotstand aus?
Ja. MDK-Geschäftsführer Pick sagt, dieser Missstand, also der Mangel an geeigneten Pflegern, werde durch bessere Leistungen der Pflegeversicherung nicht beseitigt. Um mehr Pflegekräfte zu gewinnen, müsse es eine bessere Ausbildung und eine angemessene Bezahlung geben – bundesweit.
Welche Rolle hat die Reform in der Geschichte der Pflegeversicherung?
Es ist die grundsätzlichste Neuerung seit dem Start der Versicherung 1995. Erste Pläne dafür gab es bereits im Jahr 2006.