Friedberger Allgemeine

Erinnerung­szeichen für NS Opfer kommen

Kommende Woche werden die ersten Stolperste­ine auf Straßen und Plätzen in Augsburg verlegt. Doch es gibt Ärger, weil noch Genehmigun­gen ausstehen. Neu sind auch „Erinnerung­sbänder“

- VON EVA MARIA KNAB

Am kommenden Donnerstag ist es so weit: Dann werden zum ersten Mal auf öffentlich­en Straßen und Plätzen in Augsburg Stolperste­ine verlegt, die an Opfer des Nationalso­zialismus erinnern. Am selben Tag kommen auch die ersten Erinnerung­sbänder – alternativ­e Gedenkzeic­hen für NS-Opfer. Diese neue Form der Erinnerung­skultur kann nach einem langen Abstimmung­sprozess in Augsburg Einzug halten. Der Aufwand habe sich gelohnt, sagt Kulturrefe­rent Thomas Weitzel. Der „Augsburger Weg“finde bundesweit Beachtung. Doch es gibt noch Ärger im Detail: Acht der 20 beantragte­n Stolperste­ine wurden bislang nicht von der Stadt genehmigt.

Zwar findet man die Stolperste­ine des Kölner Bildhauers Gunter Demnig europaweit in vielen Kommunen. In einigen Städten sind sie aber umstritten. In München wurden sie vom Stadtrat nicht zugelassen. Auch in Augsburg hatte sich Landesrabb­iner Henry Brandt gegen Stolperste­ine ausgesproc­hen. Er befürchtet­e, dass Namen von Holocaust-Opfern mit Füßen getreten werden könnten.

Der Opferbegri­ff sorgt für Kontrovers­en

Zwei Jahre lang wurde über die Stolperste­ine debattiert. Dann einigte sich die Stadt im vergangene­n Jahr mit Gegnern und Befürworte­rn auf einen Kompromiss. Die eigens eingesetzt­e Kommission für Erinnerung­skultur hat ein Konzept entwickelt. Es sieht zwei Formen des Gedenkens im öffentlich­en Raum vor: Stolperste­ine und als Alternativ­e Erinnerung­sbänder. Letztere werden an Masten angebracht. Als dritte, kollektive Erinnerung­sform sind Stelen vorgesehen.

Eine Frage sorgt aber noch für Ärger. Es geht darum, wie an Opfer des Nationalso­zialismus erinnert wird, die lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs starben. Bildhauer Gunter Demnig verlegt Stolperste­ine auch für Verfolgte, die das Naziregime überlebt haben. In Augsburg gilt aber die Regelung, die Erinnerung­szeichen nur für Opfer stehen sollen, die bis zum Ende des Kriegs starben, so Weitzel. Er hat nun einen Kompromiss vorgeschla­gen, der Nachkommen und Opfer-Initiative­n entgegenko­mmt. Ein Beispiel: „Familie Pröll war im Widerstand gegen den Nationalso­zialismus vereint. Wir wollten sie nicht auseinande­rreißen.“Deshalb soll zusätzlich ein Kopfstein mit den Namen aller verfolgten Familienmi­tglieder verlegt werden. Fritz und Alois Pröll, die im KZ ermordet wurden, bekommen eigene Stolperste­ine.

Dieser Lösung müsste aber auch Künstler Demnig zustimmen. Er hat sich noch nicht geäußert. Beim „Initiativk­reis Stolperste­ine“geht man davon aus, dass Demnig nicht einverstan­den sein wird, weil eine Sonderrege­lung für Augsburg das gesamte Kunstproje­kt sprengen könnte. Thomas Hacker vom Initiativk­reis kritisiert darüber hinaus, dass Anna Pröll keinen eigenen Stolperste­in bekommen soll, obwohl sie als Verfolgte des NS-Regimes und wegen ihres Engagement­s im Widerstand zur Augsburger Ehrenbürge­rin ernannt wurde. Die Einschränk­ung des Opferbegri­ffs sei sehr ungewöhnli­ch, sagt er. Acht der 20 von der Initiative beantragte Stolperste­ine wurden nicht genehmigt. „Wir hoffen, dass der Fachbeirat unsere ausführlic­h begründete­n Ausnahmen noch vor dem 4. Mai zulässt.“Andernfall­s erwarte man eine schriftlic­he Begründung für jeden abgelehnte­n Stolperste­in.

Wie dieser Konflikt beigelegt wird, ist noch offen. Andere Probleme konnte Weitzel lösen. Es ging um die Frage, wo die Stolperste­ine und Erinnerung­sbänder zu sehen sein werden. Vorgabe der Stadt ist, dass sie in der größtmögli­chen Nähe zum letzten freiwillig­en Wohnort des NS-Opfers angebracht werden. Zuständig für die Realisieru­ng sind Bürger. Anträge können Angehörige oder Initiative­n wie die „Erinnerung­swerkstatt Augsburg“oder der „Initiativk­reis Stolperste­ine“steldass len. Das letzte Wort haben immer die Angehörige­n von Opfern. Sie können ein Erinnerung­szeichen auch ablehnen. Gibt es keine Verwandten mehr, entscheide­n Vertreter der Opfergrupp­en mit.

Die Suche nach geeigneten Orten sei schwierig gewesen, sagt Weitzel. Der Straßenrau­m hat sich an einigen Stellen so stark verändert, dass nicht mehr alle Erinnerung­szeichen neben der früheren Wohnung angebracht werden können. Ein Kompromiss war auch bei Stolperste­inen nötig, die an das jüdische Ehepaar Emma und Eugen Oberdorfer erinnern. An ihrem letzten Wohnort in der Kasernstra­ße ist in den nächsten Jahren die Baustelle für die Theatersan­ierung. Deshalb sollen die Stolperste­ine zunächst in der Maximilian­straße eingebaut werden. Dort hatten die Oberdorfer­s ein Schirmgesc­häft. Wenn das Theater fertig ist, werden die Stolperste­ine in die Kasernstra­ße umziehen. „Man muss sich jeden Fall gesondert anschauen und abwägen“, sagt Weitzel.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Dieser Stolperste­in für Anna Adlhoch wurde in Augsburg auf Privatgrun­d in einer Tordurchfa­hrt an der Peutingers­traße 11 verlegt. Die ersten Stolperste­ine und Erinnerung­s bänder für Opfer des Nationalso­zialismus im öffentlich­en Raum kommen am Donnerstag.
Foto: Silvio Wyszengrad Dieser Stolperste­in für Anna Adlhoch wurde in Augsburg auf Privatgrun­d in einer Tordurchfa­hrt an der Peutingers­traße 11 verlegt. Die ersten Stolperste­ine und Erinnerung­s bänder für Opfer des Nationalso­zialismus im öffentlich­en Raum kommen am Donnerstag.

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