Friedberger Allgemeine

Geflucht wird nicht, zefix!

Die englische Stadt Rochdale will für Schimpfwör­ter in der Öffentlich­keit Geldstrafe­n verhängen. Wie gehen die Friedberge­r mit Kraftausdr­ücken um?

- VON LISA ZAUBER

Friedberg Richard Scharold platzt schon mal der Kragen – auch im Stadtrat. Dass ihm bei hitzigen Debatten auch ein Kraftausdr­uck über die Lippen kommt, räumt der Zweite Bürgermeis­ter von Friedberg freimütig ein. Im englischen Rochdale würde das womöglich teuer. Mit einer Strafe bis zu 100 Pfund – umgerechne­t etwa 115 Euro – soll dort das Fluchen in der Öffentlich­keit geahndet werden. Die Stadt in der Nähe von Manchester will so „antisozial­em Verhalten“entgegenwi­rken. Zwei weitere Orte auf der Insel haben ein solches Verbot bereits erlassen. Und auch hierzuland­e wird eine Schimpfkan­onade nicht überall gerne gehört, wie unsere Umfrage ergab.

stehe dazu und ich denke auch, dass ich das nicht ablegen werde“, sagt Zweiter Bürgermeis­ter Scharold, der ein solches Verbot als nicht realisierb­ar ansieht. Besonders in Bayern, wo nach seiner Einschätzu­ng im Dialekt ein „Kruzefix“auch mal dazugehört. „Wir sind alle bloß Menschen, die ihre Fehler haben“, findet der CSU-Politiker.

Ganz anders sieht das Stadtpfarr­er Markus Hau: „Freiheit zum Fluchen? Nö, warum?“Man solle auf seine Sprache achten, denn sie löse etwas aus, meint der Pallottine­rpater: „Es sind nicht nur Worte, Worte prägen mein Handeln.“Den Begriff Fluchen findet er außerdem unpassend, da er nicht mehr zeitgemäß sei. Es gehe schließlic­h nicht um die Verunglimp­fung heiliger Namen, wie es einst war, sondern vielmehr um eine Gedankenlo­sigkeit im Zorn. Der Pater selber sagt von sich, er benutze höchstens mal Schimpfwor­te: „Bewusst geflucht? Nein, das habe ich noch nicht.“Ein „Herrgott!“habe zwar auch er schon mal gerufen. „Aber das ist ja kein Fluch, sondern vielmehr ein Anruf. Der Name Gottes wird dadurch nicht ins Negative gezogen.“

Bei der Arbeit mit Jugendlich­en hat Hau noch keine Probleme wegen Schimpfwör­tern gehabt. Das seien auch keine Flüche, sondern es habe etwas mit der Jugendspra­che zu tun, erklärt der Pater. Auch Linda Greiter vom Jugendzent­rum in Friedberg arbeitet viel mit Kindern und Teenagern zusammen. Probleme mit Kraftausdr­ücken bei den Heranwachs­enden gebe es nicht, sagte sie. Und selbst wenn: Da im Juze of„Ich fene Jugendarbe­it stattfinde­t, sehe sie für ihre Mitarbeite­r und sich Falle auch keinen Erziehungs­auftrag: „Sicher gibt es eine gewisse Grenze, die nicht überschrit­ten werden sollte und wo eingegriff­en werden muss“, schränkt sie ein.

Diese Marke ist für sie ganz klar übertreten, wenn es um Rassismus, Sexismus und Diskrimini­erungen geht. Ein allgemeine­s Verbot von Schimpfwör­tern hält sie persönlich dennoch nicht für sinnvoll: „Sollten diese Grenzen erreicht werden, ist ein Aufmerksam­machen, dass der Umgangston nicht gewünscht sei, wichtig“, so die Stadtjugen­dpflegerin. Handle es sich aber um eine Auseinande­rsetzung, die Zwei untereinan­der betrifft, solle sich der Staat oder die Gemeinde nicht einmischen, meint Greiter.

„Interessan­t, aber nicht umsetzbar“– so beurteilt Elisabeth Kern das Fluchverbo­t in England. Bei den jüngeren Kindern seien solche Ausdrücke ohnehin kein Thema, sagt die Rektorin der Theresia-Gerharding­er-Grundschul­e in Friedberg. Es seien eher schlimme Worte, deren Gebrauch hin und wieder angesproch­en werden muss. Oft reiche es schon, zu fragen: „Sagst du so was auch zu deiner Mutter?“, berichtet Kern. Das mache die Kinder aufmerksam­er im Umgang mit der Sprache.

„Es ist auch eine Schulregel, dass wir schöne Wörter benutzen. Aber ganz kriegt man das wohl auch nicht aus den Kindern raus“, sagt Kern. Oft sei der Unmut ja auch ein hochemotio­nales Gefühl, von dem ein Schimpfen befreien könne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany