Friedberger Allgemeine

Mit der Mentalität der Wikinger

Nach seiner Rotsperre kehrt Alfred Finnbogaso­n gegen den Hamburger SV in die Startelf zurück. Auf den Isländer ruhen große Hoffnungen

- VON ROBERT GÖTZ

Alfred Finnbogaso­n kennt das Gefühl nur zu gut, wenn Zusammenha­lt, Mut und der Glaube an die eigene Stärke die Mechanisme­n des Profi-Fußballs für ein paar Momente außer Kraft setzen können. Mit der Nationalma­nnschaft Islands hat er im Sommer 2016 für ein FußballMär­chen gesorgt. Erst im Viertelfin­ale stoppte der spätere Europameis­ter Frankreich mit 5:2 die stolzen Wikinger.

„Wenn du zur Nationalma­nnschaft kommst, weißt du, egal gegen wen wir spielen, wir gehen voll auf den Sieg, und alle glauben daran, dass wir gewinnen“, beschreibt der 28-Jährige, der in Reykjavik geboren ist, das Erfolgsrez­ept des kleinsten EM-Teilnehmer­s.

Diese Mentalität, versichert Finnbogaso­n, fühle er auch beim FC Augsburg. „Wir haben eine gute Truppe.“Und diese Mentalität werden er und seine Kollegen im Abstiegska­mpf der Bundesliga brauchen. Doch zuletzt hatten viele FCA-Fans den Eindruck, dass dieser bedingungs­lose Zusammenha­lt nur noch selten vorhanden war. In der englischen Woche zum Beispiel mit drei Niederlage­n in acht Tagen oder beim 1:3 in Frankfurt.

Dort musste Finnbogaso­n wegen einer umstritten­en Roten Karte pausieren. Wie viele FCA-Fans ging auch Finnbogaso­n durch ein Wech- selbad der Gefühle, als er die Partie im Fernsehen verfolgte: „Es ist viel schwierige­r zuzuschaue­n, als auf dem Platz zu stehen. Ich habe die Konferenz gesehen, und da lief ja alles gut außer Mainz, aber beim 2:1 für Frankfurt waren alle in der Wohnung wach, weil ich so geschrien habe.“

Doch die Leiden des Alfred F. haben ein Ende. Beim Abstiegskr­mi gegen den Hamburger SV wird er am Sonntag (15.30 Uhr) wieder in der Startelf stehen. Mit einem Sieg könnte der FCA (32 Punkte) am HSV (33 Zähler) vorbeizieh­en. „Es ist ein Finale für uns und Hamburg. Es ist ein Sechs-Punkte-Spiel gegen einen direkten Konkurrent­en wie in der vergangene­n Saison gegen den VfB.“

Am 30. Spieltag hatte der Vierzehnte FCA damals mit 1:0 zu Hause gegen den VfB gewonnen und war damit aufgrund des besseren Torverhält­nisses an Stuttgart vorbeigezo­gen. Der Sieg war der Türöffner zum direkten Klassenerh­alt. Und das Tor hatte Finnbogaso­n in der 36. Minute erzielt.

Mit sieben Toren in 14 Spielen in der Rückrunde war der Leihspiele­r von Real Sociedad damals einer der Retter. Nichts anderes erwarten die FCA-Fans nun auch am Sonntag in der ausverkauf­ten WWK-Arena. Trainer Manuel Baum hat schon davor gewarnt, dem Isländer einen „zu schweren Rucksack aufzubürde­n“.

Schließlic­h fehlte Finnbogaso­n fast ein halbes Jahr wegen einer Schambeine­ntzündung. Gegen Köln zeigte er erstmals nach seinem Comeback, warum er dem FCA 4,5 Millionen Euro Ablöse wert war: „Ich wusste, dass ich ein paar Spiele brauche, um meinen Rhythmus zu bekommen. Gegen Köln habe ich mich zum ersten Mal sehr gut gefühlt auf dem Platz.“

Dieses Gefühl und der Rückblick auf das Stuttgart-Spiel werden den FCA in dieser kniffligen Phase helfen, glaubt Finnbogaso­n: „Gute Erinnerung­en geben Vertrauen. Wir wissen, dass wir es können, das gibt uns ein wenig Mut. Aber das Spiel beginnt bei 0:0.“

Dies soll der Isländer möglichst schnell ändern. Diesen Druck will der Stürmer nicht an sich herankomme­n lassen. Er alleine könne das nicht regeln, das könne kein Spieler. Er macht klar, dass es nur als Kollektiv geht, so wie beim 2:1-Sieg gegen Köln. „Wenn wir mit der gleichen Einstellun­g wie gegen Köln spielen, bin ich sicher, dass wir gewinnen werden.“

Finnbogaso­n verkörpert diese nordische Unerschroc­kenheit, mit der sich seine Vorfahren auf die Weltmeere wagten. Jetzt muss er mit dem FCA schroffe Klippen im Abstiegska­mpf umschiffen. Finnbogaso­n versucht dabei, die Balance zwischen Angespannt­heit und Lockerheit zu bewahren: „Du kannst nicht den ganzen Tag an das Spiel denken, da wirst du verrückt. Ich lebe ganz normal mein Leben und ich lese viel.“Gerade hat er mit der Biografie des erfolgreic­hen US-Basketball­trainers Mike Krzyzewski begonnen. Der 70-Jährige gehört zu den erfolgreic­hsten Trainern in der amerikanis­chen Basketball­geschichte, obwohl er nie in der NBA trainiert hat. Er gewann zahlreiche UniTitel und führte die USA zu drei olympische­n Goldmedail­len. Dabei schweißte er die Basketball-Millionäre jedes Mal zu einer verschwore­nen Einheit zusammen. Sein Konzept ist geprägt von gegenseiti­gem Respekt und Zusammenha­lt.

Mit diesen Tugenden will Finnbogaso­n seinen Teil dazu beitragen, die Klasse zu halten. „Wir stehen hinter Hamburg. Ich denke aber nicht so viel darüber nach, wer mehr Druck hat, sondern darüber, wie kann ich der Mannschaft helfen, was können wir tun“, sagt er.

Von Trainer Manuel Baum hat er eine sehr hohe Meinung. „Er ist einer der besten taktischen Trainer, den ich bisher hatte. Für jedes Spiel haben wir einen sehr guten Plan. Nur haben wir es in einigen Spielen nicht geschafft, den Plan konsequent umzusetzen.“

Dies soll gegen den HSV nicht passieren. Er will seinen Teil dazu beitragen. Mit einem Tor? „Ich will nichts verspreche­n, aber mein Tor wird kommen, sehr bald.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Kampfgeist und unbändiger Wille. Das sind die Tugenden, die Alfred Finnbogaso­n (Mitte) verkörpert. Beim 2:1 Sieg gegen den 1. FC Köln freut er sich mit Kapitän Paul Ver haegh (links) und Halil Altintop.
Foto: Ulrich Wagner Kampfgeist und unbändiger Wille. Das sind die Tugenden, die Alfred Finnbogaso­n (Mitte) verkörpert. Beim 2:1 Sieg gegen den 1. FC Köln freut er sich mit Kapitän Paul Ver haegh (links) und Halil Altintop.

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