Das Theater schwärmt aus in die Stadt
Die viel beschworene Öffnung – wie sieht sie in der ersten Spielzeit des neuen Intendanten aus?
Viel ist diskutiert worden in den vergangenen zwei Jahren darüber, wie es aussehen soll, das Theater für die Stadt. Regelrechte Grabenkämpfe gab es nicht nur über die baulichen Renovierungsmaßnahmen, sondern auch über die Relevanz des Theaters und seine inhaltliche Ausrichtung. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang vor allem eine Öffnung des Betriebes gefordert – hinaus in die Stadtteile solle das Theater gehen, Schwellen abbauen, bisher theaterferne Gesellschaftsschichten anziehen. Dazu die Freie Szene einbinden sowie aktuelle und lokale Themen bringen. So lauteten die Forderungen in diesem Zusammenhang.
Im Programm für seine erste Spielzeit hat der künftige Intendant André Bücker nun sein Konzept vorgestellt, wie er das Theater in der Stadt und bei ihren Bürgern positionieren will. „Theater ist für mich ein politischer Ort, der soziale Gegenwart reflektiert“, machte Bücker bei der Präsentation der Spielzeit 2017/18 deutlich. Unter dem Motto „Theorie und Praxis“sind bei ihm auch zahlreiche Veranstaltungen geplant, die jenseits der Bühneninszenierungen die Zuschauer ansprechen möchten und aktuelle gesell- schaftliche und kulturelle Entwicklungen aufgreifen sollen.
Eine Plattform für kulturelle und politische Auseinandersetzung ist „PlanA“, ein Projekt, das in unterschiedlichen Formaten gesellschaftlich relevante Fragen behandeln wird. Wie die gesamte Spielzeit widmet sich „PlanA“der „Sinnsucht“, spürt dem Bedürfnis des Menschen nach einem Selbstentwurf, nach Bedeutung und Tiefgang nach. In einer „SinnBox“auf dem Theatervorplatz können die Zuschauer ihren eigenen Lebenssinn hinterlassen, das Künstlerduo barth & schneider wird eine Performance zu Ibsens „Peer Gynt“aus der Perspektive Solveigs aufführen und die Regisseurin Nadine Schwitters lässt die Zuschauer in einer audiovisuellen Entdeckungsreise nach dem eigenen Lebenssinn forschen.
Die Baustelle Großes Haus, die die Theatermacher in den kommenden Jahren zwangsläufig begleiten werden, wird auch künstlerisch und mit einem Augenzwinkern aufgearbeitet: in dem Blog „Betreten verboten! Making of Baustelle“(ab 1. September unter www.theateraugsburg.de/betreten–verboten). Kontinuierlich dokumentiert ein fiktiver Denkmalschützer in diesem Video-Blog in kleinen Folgen den Fortschritt der Sanierungsarbeiten, begegnet Bauarbeitern und beleuchtet die Dramen, die sich während der Bauarbeiten ereignen. Dichtung und Wahrheit sollen dabei zu einer „Mockumentary“, einem fiktionalen Dokumentarfilm, zusammenfinden.
Begleitend zu den Inszenierungen gibt es Probenbesuche, Einführungen, Workshops und Publikumsgespräche. „Theater als Expedition“heißt eine Reihe, in der die Arbeit am Theater in Workshops nähergebracht wird – wie Geschichten erzählt werden können, die verschiedenen Darstellungsformen von Zeit, die Grundformen des Spiels, wie eine Choreografie entsteht, welche Rolle die Musik spielt. All das sind Themen, die da zur Sprache kommen werden, auch welche Gemeinsamkeiten es zwischen Theater und Sport gibt. Zuständig hierfür ist die theaterpädagogische Abteilung des Theaters, die um eine Stelle erweitert wird.
Ein neues Format in der kommenden Spielzeit ist das „Wort zum Sonntag“, bei dem ein prominenter Redner im Rahmen eines Gottesdienstes abwechselnd in St. Anna und St. Moritz über eine aktuelle Inszenierung spricht. Fünf dieser Augsburger Theaterpredigten wird es geben, fest steht bisher, dass der Politiker Gregor Gysi zu „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“von Bert Brecht predigt.
Auch die Gastspiele und Koproduktionen mit anderen Künstlern, etwa aus der Freien Szene in Augsburg, gehören zum Konzept Bückers, den Austausch des Theaters mit der Stadtgesellschaft zu stärken. So wird Susanne Reng vom Jungen Theater Augsburg wieder ein Stück im Hoffmannkeller inszenieren. Zwei der neu verpflichteten Schauspieler – Linda Elsner und Andrej Kaminsky – werden außerdem Stücke spielen, die sie bereits in ihren vorherigen Engagements erarbeitet haben. Jeden zweiten Dienstag im Monat gibt es im Hoffmannkeller das Benno-Ohnesorg-Theater. Es ist eine Art Lesebühne mit Gästen, die der Augsburger Schriftsteller Franz Dobler moderiert. Auch mit dem Grandhotel Cosmopolis arbeitet das Theater zusammen: Bei den „Hotels Scenes“werden in verschiedenen Zimmern Szenen aufgeführt und bei den „Transit Stories“, einer Lesereihe, treffen die Texte deutscher Exilautoren auf Texte aktueller Migranten.
Theater gibt es also nicht nur im Theater, in der kommenden Spielzeit mithin im Martinipark, auf der Brechtbühne und im Hoffmannkeller, sondern auch an anderen Orten der Stadt. In der Adventszeit werden Künstler des Theaters einen besonderen Adventskalender präsentieren. Tag für Tag führen sie bis Weihnachten in einer sozialen Einrichtung ein kleines Programm auf. Und dann gibt es auch noch den „Tatort Augsburg“, der das Theater in die Stadt trägt – in der ersten Folge nach Lechhausen. Die Idee stammt von Hausregisseur David Ortmann, der auch Regie führen wird. Ein Gruppe von 80 Zuschauern wird einen Fall ermitteln, den Autor Andreas Hilger erdacht hat. „Wir werden natürlich auch mit der Form des Originals aus dem Fernsehen spielen“, verspricht Ortmann.