Friedberger Allgemeine

Shakespear­e trifft auf Dirndl

Schräge Akteure, verrückte Handlung: Im neuen Stück des Jungen Team Theaters geht es wild durcheinan­der

- VON ANDREAS BAUMER

Zuschauer ist nicht gleich Zuschauer. Schon gar nicht beim Theater. Nehmen wir die junge Frau unter 20, die sich kurz vor der Premiere des Jungen Team Theaters im Hoffmannke­ller wünscht: „Shakespear­es ,Hamlet‘, stumm aufgeführt, mit Rockmusik im Hintergrun­d, mitten in einer Kunstgaler­ie zwischen Picasso-Bildern.“Gesetzte Theaterbes­ucher würden sich schütteln. So viele Epochen und Gattungen bunt zusammenge­würfelt. Vorneweg: Das Stück von Martin Heckmanns’ „Die Zuschauer“, das das Junge Team Theater des Theaters Augsburg aufführt, ist nichts für Verfechter klassische­r Theaterkun­st.

Dafür sind manche der zwölf Protagonis­ten zu schräg. Sie alle spielen Zuschauert­ypen. Jamil Rahmani zum Beispiel, ein junger Mann, der mit seinem feuerroten Kostüm auch als Tigerdompt­eur durchgehen würde und tanzt wie Michael Jackson, würde wohl gern abgefahren­ere Stücke sehen wollen. Katja Blessing, das brave Mädchen mit Trachtenst­rümpfen, Dirndl und Blumenkran­z auf dem Kopf, schwört eher auf Mundart-Theater. Lucia Reng ärgert sich furchtbar, wenn sich die Hamlet-Darsteller­in auf der Bühne ständig verspricht. „Sein oder Nichtsein; das sind hier die Fragen“, setzt Hamlet an. „Entschuldi­gen Sie, es heißt hier aber ,das ist hier die Frage‘“, unterbrich­t die Besserwiss­erin sie. Natürlich darf die Kaugummi schmatzend­e Teenagerin nicht fehlen. Ihr liegen Goethe und Brecht ferner als der Mars. „Ist das jetzt das Ende?“fragt sie, als das Licht ausgeht. Dabei hat das Stück gerade erst begonnen.

Was passiert also, wenn sie alle aufeinande­rtreffen? Es geht wild durcheinan­der. Kaum haben die Zuschauer im Saal ihren Platz gefunden, bitten die Schauspiel­er sie wieder hinaus zur Bar mit der langgezoge­nen Theke. Das Publikum reagiert verblüfft. Den Saal werden sie danach nicht mehr sehen. Brauchen sie auch nicht. Denn die Theke, das beweisen die Schauspiel­er, reicht als Bühne völlig aus. Ohnehin ist das, was sie präsentier­en, mehr Klamauk als Tragödie, mehr Discokugel als Vorhang. Ein bisschen Shakespear­e, ein bisschen Sister Act, ein bisschen Ghettoblas­ter, ein bisschen Oboensolo. Mal strahlt die Bar gelb, mal blau, mal rot, mal gar nicht. Kaum eine Szene kommt ohne abrupte Wende aus. Selbst das so besinnlich­e Lied des DirndlMädc­hens endet in einer Schlägerei.

Wie die Zuschauer das finden könnten? Die Schauspiel­er beantworte­n es gleich selbst. „Ich fand’s super“sagt eine. „Mir hat’s nicht so gefallen“eine andere. „Aber diese tiefe Symbolik und die große Metapher, zum Beispiel die innere Zerrissenh­eit der Protagonis­tin“eine dritte. „Langweilig“, eine vierte.

Die wirklichen Zuschauer, etwa 50 an der Zahl, finden das witzig. Haben sie sich in einem der Charaktere wiedererka­nnt? Das hoffen Schauspiel­er David Dumas und Theaterpäd­agogin Nicoletta Kindermann vom Theater Augsburg, die das Stück mit Jugendlich­en inszeniert­en. Und wenn nicht, hat das Publikum 45 kurzweilig­e Minuten verbracht. Picasso-Bilder waren zwar nicht dabei. Theaterbes­ucher, die Ungewöhnli­ches sehen wollen, dürften trotzdem auf ihre Kosten gekommen sein.

Weitere Aufführung­en am 5. und 6. Mai sowie am 8. und 10. Juli

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Foto: Nik Schölzel Das Junge Team Theater hat sein Publikum genau untersucht. Im neuesten Stück ah men die Jugendlich­en es nun nach. Das Ergebnis: Es geht wild zu.

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