Shakespeare trifft auf Dirndl
Schräge Akteure, verrückte Handlung: Im neuen Stück des Jungen Team Theaters geht es wild durcheinander
Zuschauer ist nicht gleich Zuschauer. Schon gar nicht beim Theater. Nehmen wir die junge Frau unter 20, die sich kurz vor der Premiere des Jungen Team Theaters im Hoffmannkeller wünscht: „Shakespeares ,Hamlet‘, stumm aufgeführt, mit Rockmusik im Hintergrund, mitten in einer Kunstgalerie zwischen Picasso-Bildern.“Gesetzte Theaterbesucher würden sich schütteln. So viele Epochen und Gattungen bunt zusammengewürfelt. Vorneweg: Das Stück von Martin Heckmanns’ „Die Zuschauer“, das das Junge Team Theater des Theaters Augsburg aufführt, ist nichts für Verfechter klassischer Theaterkunst.
Dafür sind manche der zwölf Protagonisten zu schräg. Sie alle spielen Zuschauertypen. Jamil Rahmani zum Beispiel, ein junger Mann, der mit seinem feuerroten Kostüm auch als Tigerdompteur durchgehen würde und tanzt wie Michael Jackson, würde wohl gern abgefahrenere Stücke sehen wollen. Katja Blessing, das brave Mädchen mit Trachtenstrümpfen, Dirndl und Blumenkranz auf dem Kopf, schwört eher auf Mundart-Theater. Lucia Reng ärgert sich furchtbar, wenn sich die Hamlet-Darstellerin auf der Bühne ständig verspricht. „Sein oder Nichtsein; das sind hier die Fragen“, setzt Hamlet an. „Entschuldigen Sie, es heißt hier aber ,das ist hier die Frage‘“, unterbricht die Besserwisserin sie. Natürlich darf die Kaugummi schmatzende Teenagerin nicht fehlen. Ihr liegen Goethe und Brecht ferner als der Mars. „Ist das jetzt das Ende?“fragt sie, als das Licht ausgeht. Dabei hat das Stück gerade erst begonnen.
Was passiert also, wenn sie alle aufeinandertreffen? Es geht wild durcheinander. Kaum haben die Zuschauer im Saal ihren Platz gefunden, bitten die Schauspieler sie wieder hinaus zur Bar mit der langgezogenen Theke. Das Publikum reagiert verblüfft. Den Saal werden sie danach nicht mehr sehen. Brauchen sie auch nicht. Denn die Theke, das beweisen die Schauspieler, reicht als Bühne völlig aus. Ohnehin ist das, was sie präsentieren, mehr Klamauk als Tragödie, mehr Discokugel als Vorhang. Ein bisschen Shakespeare, ein bisschen Sister Act, ein bisschen Ghettoblaster, ein bisschen Oboensolo. Mal strahlt die Bar gelb, mal blau, mal rot, mal gar nicht. Kaum eine Szene kommt ohne abrupte Wende aus. Selbst das so besinnliche Lied des DirndlMädchens endet in einer Schlägerei.
Wie die Zuschauer das finden könnten? Die Schauspieler beantworten es gleich selbst. „Ich fand’s super“sagt eine. „Mir hat’s nicht so gefallen“eine andere. „Aber diese tiefe Symbolik und die große Metapher, zum Beispiel die innere Zerrissenheit der Protagonistin“eine dritte. „Langweilig“, eine vierte.
Die wirklichen Zuschauer, etwa 50 an der Zahl, finden das witzig. Haben sie sich in einem der Charaktere wiedererkannt? Das hoffen Schauspieler David Dumas und Theaterpädagogin Nicoletta Kindermann vom Theater Augsburg, die das Stück mit Jugendlichen inszenierten. Und wenn nicht, hat das Publikum 45 kurzweilige Minuten verbracht. Picasso-Bilder waren zwar nicht dabei. Theaterbesucher, die Ungewöhnliches sehen wollen, dürften trotzdem auf ihre Kosten gekommen sein.
Weitere Aufführungen am 5. und 6. Mai sowie am 8. und 10. Juli