Friedberger Allgemeine

Unbekannte Flugobjekt­e im Wittelsbac­her Park

Warum sich seltene Wildbienen in Augsburg wohlfühlen und trotzdem ums Überleben kämpfen

- VON EVA MARIA KNAB

Neulich bekam Andreas Fleischman­n eine Anfrage aus Augsburg. Städtische Arbeiter hatten im Wittelsbac­her Park seltsam aussehende Insekten herumflieg­en sehen. Um was es sich denn wohl handeln könnte, wollte das Amt für Grünordnun­g wissen. Andreas Fleischman­n von der Botanische­n Staatssamm­lung in München konnte die unbekannte­n Flugobjekt­e schnell identifizi­eren. Es waren zwei Arten von Wildbienen: die Graue WeidenSand­biene und die Frühlings-Seidenbien­e. „Sie kommen in Städten eher selten vor“, sagt er.

Wildbienen sind in Deutschlan­d selten geworden und inzwischen streng geschützt. Deshalb freut man sich im Amt für Grünordnun­g sehr über die neue Entdeckung. „Es ist schön, diese beiden Arten mitten in der Stadt zu haben“, sagt Biologin Birgitt Kopp. Eine gute Nachricht ist für sie auch, dass die Weidensand­biene und die Frühlings-Sei- denbiene keine Gefahr für Besucher im Wittelsbac­her Park darstellen. Beide haben sehr weiche Stacheln, die nicht in die menschlich­e Haut eindringen können. Und beide Arten werden auch schon wieder verschwund­en sein, wenn ab Mai die Augsburger verstärkt in den beliebten Park an der Kongressha­lle strömen. „Die meisten Wildbienen haben nur eine sehr kurze Flugsaison“, erklärt Fleischman­n.

Überhaupt ist bei Wildbienen vieles anders als bei ihren Verwandten, den Honigbiene­n. In der Regel leben die Männchen nur zwei bis drei Wochen. „Ihr einzige Aufgabe ist die Paarung“, sagt Fleischman­n. Die Weibchen kümmern sich darum, Nester für den Nachwuchs zu bauen und ihre Eier hineinzule­gen. Dann sterben auch sie. Wildbienen haben keine Königin, sondern verrichten alle Arbeiten gleicherma­ßen. Sie produziere­n auch keinen Honig, weil sie nicht als Volk überwinter­n und damit keine Nahrung brauchen. „Deshalb sind sie für völlig uninteress­ant und werden öffentlich kaum wahrgenomm­en“, sagt Fleischman­n.

Und es kommt noch schlimmer: Wildbienen leiden nach Einschätzu­ng von Experten zunehmend unter der Nahrungsko­nkurrenz mit Honigbiene­n. Die meisten wilden Arten sind bei der Nahrungssu­che stark auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisi­ert. Graue Weiden-Sandbienen und Frühlings-Seidenbien­en im Wittelsbac­her Park sammeln beispielsw­eise nur Weidenpoll­en. Wenn sie mit Honigbiene­n um die Wette sammeln müssen, wird es für sie schwer, sagt Fleischman­n. Dazu kommt, dass der natürliche Lebensraum für alle Bienen immer kleiner wird.

Zwar gelten der Lech und die naturnahen blühenden Heiden im Augsburger Raum noch als wahres Paradies für Wildbienen. Fachleute schätzen, dass in unserer Region etwa 120 Arten vorkommen. Doch die Lebensgrun­dlagen der Wildbienen und das Nahrungsan­gebot schrumpfen. „Es gibt immer weniger blühende Feldgehölz­e, aber immer mehr Maisäcker“, sagt Fleischman­n. Grünland werde auch zu häufig gemäht, statt Blumenwies­en stehen zu lassen.

Inzwischen gelten Großstädte wie Augsburg als bessere Lebensräum­e für Bienen als das flache Land. Imker stellen Bienenkäst­en oben auf Gebäuden im Stadtzentr­um auf, etwa am Schaezlerp­alais in der Maximilian­straße. In der Stadt sei der Honigertra­g inzwischen etwa doppelt so hoch wie auf dem Land, sagen Imker wie Christoph Mayer. Die vielen relativ grünen Lebensräum­e in Augsburg ziehen auch neue Wildbienen­arten an. So ist die wärmeliebe­nde Blauschwar­ze Holzbiene zugewander­t. Seit Ende der 1990er Jahre sei sie im Augsburger Raum nachgewies­en, sagt Fleischman­n.

Doch wie weit fliegen Wildbienen eigentlich? Das wissen auch Wissenscha­ftler noch nicht genau. In München gibt es seit einigen WoMenschen chen ein neues Forschungs­projekt, das auch für Augsburg interessan­te Erkenntnis­se bringen kann. Unter Leitung der Doktorandi­n Michaela Hofmann von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t wurden fast 500 Wildbienen im Münchner Botanische­n Garten mit Rückennumm­ern versehen. Jetzt hoffen die Wissenscha­ftler auf die Hilfe der Bevölkerun­g. Bewohner in München und dem Umland sollen mitteilen, wo sie die markierten Bienen entdecken. Je nachdem, wo sich die Bienen gerne aufhalten, sollen Blühinseln angelegt werden. Das hilft den Wildbienen beim Überleben. Es nützt aber auch vielen Pflanzen, die nur von Wildbienen bestäubt werden – etwa Tomatensta­uden oder Glockenblu­men. „Mit etwas Rückenwind können einige der nummeriert­en Bienen auch in Augsburg landen“, sagt Fleischman­n.

ORückmeldu­ngen von numme rierten Bienen möglichst mit Foto per E Mail an: wildbienen@bio.lmu.de

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Fotos: Andreas Fleischman­n/dpa Wildbienen sind in Deutschlan­d selten geworden. Dabei sind sie für die Natur sehr wichtig. Unser Bild zeigt eine Rotschopfi­ge Sandbiene – eine von 570 heimischen Wildbienen­arten.
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