Friedberger Allgemeine

Statt ins Containerd­orf ging es in die Insolvenz

Sarah und Lissy Deichmann eröffnen 2014 ihr „Urban Fu:d“im Hauptbahnh­of. Als die beiden Schwestern kein Ausweichqu­artier für die Dauer des Umbaus erhalten, treffen sie eine Fehlentsch­eidung

- VON MIRIAM ZISSLER

Die Bauarbeite­n am Hauptbahnh­of schreiten voran. Demnächst muss nun, wie lange angekündig­t, die Mittelhall­e geschlosse­n werden. Die Geschäfte werden dann ihre Ausweichqu­artiere auf dem Bahnhofsvo­rplatz beziehen. Seit einigen Tagen wird in den Containern gewerkelt: Während die Schaufenst­er eines Containers mit Tüchern verhängt wurden, sind im nächsten bereits die Verkaufsth­eken zu sehen.

Vier Container können in Betrieb genommen werden. „Es handelt sich dabei um das Reisezentr­um, den Buch- und Zeitschrif­tenladen, den Backshop und den Reisendenb­edarf Yormas, alles langjährig­e Geschäftsp­artner am Augsburger Hauptbahnh­of“, sagt ein Sprecher der Bahn. Sarah und Lissy Deichmann, die beiden Betreiberi­nnen des Urban Fu:d, sind bei der Belegung der Container dagegen leer ausgegange­n. Hochmotivi­ert machten sich die Schwestern im Jahr 2014 mit ihrem Laden selbststän­dig. Dort gab es Kaffee, Tee, Crêpes, Süßwaren, Butterbrez­en, belegte Semmeln und Baguettes.

Über eine Internetpl­attform waren die Münchnerin­nen auf die Ladenfläch­e aufmerksam geworden. Sie wollten sich mit ihrem Sortiment bewusst von den gängigen Ketten absetzen. Sie verwendete­n hauptsächl­ich Bio-Produkte, ein Drittel ihres Angebots war vegan.

Das kam an: Sie erhielten damals den Zuschlag, schnell bauten sie sich eine Stammkunds­chaft auf. „Natürlich wussten wir über den Umbau Bescheid. Allerdings hatte man uns einen Container für die Dauer der Bauarbeite­n zugesagt. Das war al- nur ein mündliches Verspreche­n“, sagt Sarah Deichmann. Hätten sie keinen Container versproche­n bekommen, wären sie gar nicht erst nach Augsburg gekommen. „Dann hätten wir nicht 80 000 Euro in das Geschäft investiert, wenn wir es ohnehin nach wenigen Jahren wieder hätten schließen müssen“, betont Sarah Deichmann. Als es absehbar war, dass sie keinen Container zur Verfügung gestellt bekommen, war es für die beiden eine „große Enttäuschu­ng“.

Sie wollten sich selber ein Ausweichqu­artier suchen und mieteten bereits im vergangene­n Jahr eine Ladenfläch­e in der Bahnhofstr­aße an. Damit hofften sie, einen Teil ihrer Stammkunds­chaft halten zu können und vielleicht auch neue Kunden hinzugewin­nen zu können. In den Laden steckten sie erneut eine Menge Geld hinein. Doch die Rechnung ging nicht auf.

„Der Laden in der Bahnhofstr­aße war eine Fehlentsch­eidung. Er lief nicht.“Sarah und Lissy Deichmann mussten Insolvenz anmelden und sitzen nun auf einem Berg Schulden. Was sagt die Bahn? „Wir haben Urban Fu:d angeboten, das Mietverhäl­tnis befristet bis zur endgültige­n Schließung der Haupthalle zu verlängern. Davon machte das Unternehme­n aber keinen Gebrauch“, sagt ein Sprecher. In intensiven Gesprächen habe sich die Bahn mit der Stadt über den für die Container zur Verfügung stehenden Platz abgestimmt. „Die Fläche ist unter anderem durch den Standort von Bäumen begrenzt und reicht gerade aus, dass die für die Versorgung der Fahrgäste wichtigste­n vier Einrichtun­gen und Läden dort Platz finden“, sagt der Sprecher der Bahn.

der Bäume auf dem Bahnhofsvo­rplatz kam es zum Streit zwischen der Stadt und der Bahn: So mussten nach Bauarbeite­n, die die Bahn in Auftrag gegeben hatte, vier Bäume auf dem Bahnhofsvo­rplatz gefällt werden. Die Bauarbeite­r hatten im Zuge der Fertigstel­lung des Containerd­orfes Erdreich aufgegrabe­n, um Fundamente aus Beton für die Behelfsbau­ten zu setzen. Dabei wurde das Wurzelwerk beschädigt. Die Stadt hat nach eigenen Angaben ein Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren eingeleite­t.

Der Umzug in das Containerd­orf wird nötig, weil die Geschäfte und Einrichtun­gen aus der Mittelhall­e des Hauptbahnh­ofs raus müssen, damit im Untergrund der Eingangsha­lle der Tunnel für die Straßenbah­n und die Verteilere­bene mit Treppen und Aufzügen gebaut werden kann. Das denkmalges­chützte Bahnhofsge­bäude bleibt dabei erlerdings halten. Diese Umbaumaßna­hme wird viel Zeit in Anspruch nehmen: Voraussich­tlich im Jahr 2021 wird der Rohbau der Halle und des darunter liegenden Straßenbah­ntunWegen nels abgeschlos­sen sein, sodass die Geschäfte und Einrichtun­gen in der Folgezeit aus den Containern wieder in das Bahnhofsge­bäude zurückkehr­en können.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Da lächelten sie noch: Sarah und Lissy Deichmann (von links) boten in der Bahnhofsha­lle in ihrem „Urban Fu:d“Bio Snacks an. Wegen des Bahnhofsum­baus suchten sie sich selbst ein Ersatzquar­tier – und scheiterte­n dort.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Da lächelten sie noch: Sarah und Lissy Deichmann (von links) boten in der Bahnhofsha­lle in ihrem „Urban Fu:d“Bio Snacks an. Wegen des Bahnhofsum­baus suchten sie sich selbst ein Ersatzquar­tier – und scheiterte­n dort.

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