Friedberger Allgemeine

Ein Schatz in Wort und Bild

Der Historiker Rainald Becker stellt beim Heimatvere­in den Bußpsalmen-Codex von Herzog Albrecht V. vor. Auch Friedberg kommt darin vor

- VON REGINE NÄGELE

Friedberg Eine der kostbarste­n Musikhands­chriften der Renaissanc­e, der sogenannte Bußpsalmen-Codex, zählt zu den eifersücht­ig gehüteten Bücherschä­tzen der Bayerische­n Staatsbibl­iothek. Dieses Werk aus dem 16. Jahrhunder­t enthält Psalmen-Vertonunge­n von Orlando di Lasso, einem der populärste­n Komponiste­n seiner Zeit. Hans Mielich, Münchens wohl bedeutends­ter Renaissanc­e-Maler, illustrier­te jede der über 400 Seiten. Der Historiker Rainald Becker der an der Universitä­t München lehrt, stellte beim Heimatvere­in Friedberg in seinem Vortrag „Opulenz im Detail“diese Prachthand­schriften vor.

In Auftrag gegeben wurde der Bußpsalmen-Codex von dem bayerische­n Herzog Albrecht V. (1528-1578). Albrecht selbst weilte mehrere Male in Friedberg, und auch Orlando di Lassos Werke wurden im Schloss in Friedberg aufgeführt. Eigens verwies Becker auf das im Rathaussaa­l befindlich­e Wandportra­it Herzog Albrechts V.

Die Fertigstel­lung des Bußpsalmen-Codex nahm zwölf Jahre in Anspruch, von 1558 bis 1570. Er diente verschiede­nen Zwecken. Zum einen als Chorbuch, aus dem am herzoglich­en Hof für den Gottesdien­st gesungen wurde. Der Herzog selbst benutzte das Buch zur persönlich­en Andacht und für Repräsenta­tionszweck­e, die das Ansehen des fürstliche­n Hauses steigerten.

Darüber hinaus vermitteln die unzähligen Bilder den Wissenssch­atz zur Zeit Albrechts V. Es ist eine lexikonart­ige Zusammenfa­ssung aller damals bekannten Wissensber­eiche. Die Informatio­nen werden nicht durch Worte, sondern in malerische­r Form dargeboten.

In allen Teilen des Werkes tauchen Wappen und Wappenmini­aturen auf, auch jene von auswärtige­n Ländern sowie die Wappen der mit den Wittelsbac­hern verwandten Familien. Es zeigt sich hierbei die Vielfalt des wappenkund­lichen Wissens. Herzog Albrecht V., seine Familie und der gesamte Hofstaat mit den dazugehöri­gen Dynastenwa­ppen sind als Personen abgebildet. Dabei wird deutlich in einen niederbaye­rischen und einen oberbayeri­schen Landesteil unterschie­den.

So schließt die Wappenmini­atur auch das entscheide­nde bayerische Schlüssele­reignis mit ein: Unter Albrechts Großvater wurden im Jahr 1506 die Teilherzog­tümer Landshut und München zu einem Herzogtum Bayern vereinigt. Fortan sollte das Land ein unteilbare­s Ganzes bleiben mit München als Residenzst­adt des Herzogs. Gewährleis­tet wurde dies durch die Regelung der Erbfolge. Immer der älteste männliche Nachkomme des Herzogs war der Thronerbe. Die Zeit der unseligen Landesteil­ungen mit den zahlreiche­n Fehden und Kriegen unter den bayerische­n wittelsbac­hischen Verwandten war damit vorbei.

Diese Vereinbaru­ng aus dem Jahr 1506 geschah mit Zustimmung der drei Landstände. Es waren dies die hohe Geistlichk­eit, der Adel und die Städte und Märkte. Sie sind alle im Bußpsalmen-Codex in einer umfassende­n Wappenaufl­istung zu finden, so auch unter den 79 bayerische­n Städten und Märkten die Stadt Friedberg mit ihrem Wappen. Die Stände legten u. a. auf den Landtagen die Höhe der Steuern, die sie dem Herzog bewilligte­n, fest. Sie hatten schon im 14. Jahrhunder­t das Recht den Herzögen abgerungen, die Steuern selbst anzulegen, zu erheben und ihre Verwendung zu überwachen. Für die Stadt Friedberg bedeutete dies, dass der Magistrat die einzuforde­rnde Summe von den Bürgern selbst einsammelt­e und nach München an die Landschaft, so heißen die auf den Landtagen vereinigte­n Stände, überwies.

Aber es geht nicht nur allein um Bayern und das Reich, sondern auch um die außereurop­äische Welt. Die vier Erdteile – Australien war noch nicht bekannt – sind mit Turbanträg­ern, Mohren, Indianern und exotischen Tieren vertreten. Die Grundabsic­ht der Bußpsalmen, nämlich zu Reue und Umkehr anzuleiten, gilt für jeden Menschen in Europa, Asien, Afrika und Amerika. Die Kontinente sind treue Söhne der römischen Kirche.

Der Kampf gegen das Luthertum ist bildlich dargestell­t. Zu sehen ist der heilige Michael in einer bayerische­n Flusslands­chaft. Er kommt als Verteidige­r des wahren (katholisch­en) Glaubens Bayern zu Hilfe. Er vertreibt die Feinde, hier in Gestalt kleiner Engel, aus dem Land. Damit wird angespielt auf die Auseinande­rsetzung des Herzogs mit einem Teil des bayerische­n Adels, der sich dem Luthertum zugewandt hatte. Albrecht betrieb energisch die Wiederhers­tellung des katholisch­en Glaubens. Die Anhänger der neuen Lehre wurden ohne Ansehen der Person aus dem Land verwiesen.

So zeigt der Bußpsalmen-Codex einen (bayerische­n) Staat, der in der Lage ist, mit seiner formvollen­deten Staatskuns­t den rebellisch­en Adel in Schach zu halten. Dieser hatte nicht nur mit seinen reformator­ischen Neigungen, sondern auch mit seinem Widerstand gegen die ausufernde herzoglich­e Finanzpoli­tik die Grundfeste­n Bayerns heftig erschütter­t. Die Landstände hatten den Vorwurf der Verschwend­ung gegenüber Albrecht geltend gemacht. Doch Albrecht setzte genau da an, wo er die Widersache­r am leichteste­n einzufange­n wusste: nämlich bei der Würde, beim Rang der jeweiligen Mitglieder der Stände. So sind die Wappenbild­er im Bußpsalmen-Codex eine herzoglich­e Verbeugung vor den Herrschaft­seliten, aber zugleich betreiben sie deren Zähmung.

 ??  ?? Den Hofstaat um Herzog Albrecht V. zeigt dieses Bild aus dem Bußpsalmen Codex. Hans Mielich, Münchens wohl bedeutends­ter Renaissanc­e Maler, illustrier­te jede der über 400 Seiten. Foto: BSB München
Den Hofstaat um Herzog Albrecht V. zeigt dieses Bild aus dem Bußpsalmen Codex. Hans Mielich, Münchens wohl bedeutends­ter Renaissanc­e Maler, illustrier­te jede der über 400 Seiten. Foto: BSB München

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