Wohlfühlbad mit plötzlichem Ende
In vier Monologen entwickelt sich in „Bin Nebenan“ein beeindruckender Theaterabend
Eines steht fest: Das neueste Stück des Augsburger Sensemble Theaters, das den Titel „Bin Nebenan – Monologe für zuhause“trägt und am Samstagabend Premiere feierte, ist keine leichte Kost. Das fängt schon beim Zuhause der Hauptfiguren an. Die Wohnungen auf der Bühne sind nicht aufgeräumt und hübsch, sondern karg und brüchig. In der ersten Bude stehen ein goldener Bilderrahmen und ein brauner Umzugskarton. In der zweiten eine senkrecht aufgestellte Badewanne. Und die dritte kommt mit einem einfachen Bettchen, ein paar Konservendosen und Kekspackungen aus. Den Schauspielerinnen reicht das. Denn das, was sie zu berichten haben, spricht für sich selbst.
Zwölf Monologe hat Theaterautorin Ingrid Lausund in ihrem Buch „Bin Nebenan“zusammengetragen. Vier davon lässt Sensemble-Regisseur Jörg Schur aufführen.
Birgit Linner spielt einen jungen Mann, der geistig leicht behindert ist und seine erste Wohnung bezo- gen hat. Seine Mutter, eine Prostituierte, habe ihn eigentlich abtreiben, mit Stricknadeln töten wollen. Auf die Welt gekommen sei er später doch. „Nicht getroffen, Schnaps gesoffen“, sagt er, als würde er von einem misslungenen Dartwurf berichten und nicht vom Versuch, ihn Der junge Mann hatte eine furchtbare Kindheit. Überall wurde er gehänselt und verprügelt. Zuhause, im Kinderheim, an der Schule. Umso stolzer ist er darauf, dass er es nun geschafft hat. Endlich hat er eine eigene Wohnung.
Linners Figur jammert nicht. Im Gegenteil. Unfassbar nüchtern, geradezu emotionslos berichtet sie selbst von schlimmsten Vergehen gegen sie, zeigt sogar Verständnis für ihre Übeltäter. Keine Zornesfalten im Gesicht, keine wilden Armbewegungen. Als Zuseher würde man sie in solchen Momenten am liebsten in den Arm nehmen. Eine schauspielerische Glanzleistung!
Erschütternd ist auch die Geschichte, die Dörte Trauzeddel erzählt. Sie spielt eine junge Frau, die ganz neu anfangen will und doch wieder von alten Geistern heimgesucht wird. Ganz vorne dabei: ihre Mutter. Die hatte für ihre Tochter eine große Zukunft geplant. Eine berühmte Malerin sollte sie werden. Hübsch aussehen. Reich heiraten. Stattdessen haust ihre Tochter nun in einer 08/15-Wohnung, ist mit einem Mann zusammen, den ihre Mutter nie akzeptiert hätte, und trägt Schlabberpulli und Schlabberhose. Da taucht die Mutter in den Gedanken ihrer Tochter auf und klagt an. Der Konflikt spitzt sich zu. Trauzeddel gelingt es dabei treffend, gestrenge Mutter und verumzubringen. zweifelnde Tochter gegenüberzustellen.
Lustig mutet anfangs Catalina Navarro Kirners Rolle an. Hier geht es nicht um Vergangenheit, hier geht es um Wohlfühlen im Hier und Jetzt. Ein italienisches Palazzobad in einer marmorierten Badewanne und mit feinsten Seifenspendern soll es sein. Doch das Wohlfühlbad endet abrupt, als sich die eitle Frau notleidende Schwarzafrikaner vorstellt, die in ihr Reich eindringen. Spätestens als sie sagt, einer der Afrikaner würde einen guten „Handtuchhalter“abgeben, lacht keiner mehr.
Im Kontrast dazu steht der vierte Monolog, der von den drei Schauspielerinnen gemeinsam vorgetragen wird. Hier dreht sich alles um Geld und High Society. Der Ton ist locker, die Stimmung gelöst. Es ist die willkommene Abwechslung zu Geschichten, die noch weit nach Ende des eineinhalbstündigen Stücks schwer im Magen liegen, aber als beeindruckender Theaterabend in Erinnerung bleiben.
Nächste Vorstellung
am 5. Mai