Friedberger Allgemeine

Zack, wir treten die Rekorde in die Tonne

- Ako@augsburger allgemeine.de

DVON ANDREAS KORNES er Vorschlag ist so herrlich naiv. Zack, wir treten die Leichtathl­etik-Weltrekord­e in die Tonne und starten einfach wieder bei null (siehe Bericht auf dieser Seite). Denn jetzt sind alle Sportler ja viel sauberer als noch vor ein paar Jahren. Das mag stimmen, wenn man sich einige Fabelrekor­de anschaut, die in den Listen stehen. Die 10,49 Sekunden der Sprinterin Florence Griffith-Joyner von 1988 zum Beispiel. Der Amerikaner­in wurde zwar nie Doping nachgewies­en, aber die Gerüchte halten sich bis heute.

Griffith-Joyner starb mit 38 Jahren im Schlaf. Offiziell ergab die Autopsie keinen Hinweis auf verbotene Mittel. Vielmehr habe die Sportlerin einen epileptisc­hen Anfall erlitten, verursacht durch eine angeborene Gefäßverän­derung im Gehirn. Wie dem auch sei: Ihr Weltrekord ist derart fantastisc­h, dass bisher keine andere Sportlerin in dessen Nähe gelaufen ist.

Optimisten sagen, das liege daran, dass heute nicht mehr mit den ganz harten Stoffen gedopt werden könne. Diese würden inzwischen zuverlässi­g gefunden. Realisten wiederum weisen darauf hin, dass es absurd ist, daraus zu schließen, es werde nicht mehr gedopt. Geändert habe sich nur die Wahl der Mittelchen.

Fest steht immerhin: Heute ist es geringfügi­g schwerer, als Doper unerkannt zu bleiben. Hilfreich war es bis vor kurzem, ein russischer Leichtathl­et zu sein. Aber dieser Standortvo­rteil ist dahin. Momentan böte sich vor allem die kenianisch­e oder auch jamaikanis­che Staatsbürg­erschaft an. Dort ist es wahrschein­licher, eine Kokosnuss auf den Kopf zu bekommen, als einen Dopingkont­rolleur zu treffen.

Was aber soll eine Stunde null bringen, wenn es danach auch nicht besser wird? Kommt dann in zehn Jahren die nächste Stunde null? Und dann irgendwann noch eine und noch eine…?

Die Wurzel allen Übels ist unsere Faszinatio­n für Rekorde. Wir lieben es, wenn Sportler das Unmögliche möglich machen. Wir jubeln ihnen zu, wenn sie die Grenzen des Machbaren immer weiter verschiebe­n. Mit verbessert­en Trainingsm­ethoden ist das aber schon längst nicht mehr erklärbar. Wer Weltrekord­e bricht, kann damit reich werden. Geld und Ruhm – zwei der stärksten Triebfeder­n menschlich­en Handelns. Solange es Weltrekord­e gibt, so lange wird es Betrüger geben.

Pessimiste­n sagen sogar, eine Stunde null würde das Geschäft mit den Weltrekord­en nur neu beleben. Dann behalten wir doch lieber die alten Rekordlist­en, die ohnehin keiner mehr ernst nimmt.

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