Friedberger Allgemeine

Wir müssen umdenken!

Sollte man Kinder mit dem Auto zur Schule bringen – oder besser mit dem Rad? Unser Kolumnist hat dazu eine klare Meinung

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bei Wind und Wetter. Heute stehe ich wieder an der Ampel auf dem Weg zur Schule und ertappe mich bei einem neidischen Blick auf das Schulmädch­en neben mir. Die Ampel wird grün und wir fahren los. Kurz darauf trennen sich unsere Wege. Es muss wohl zu einer nahe gelegenen Schule an der Frölichstr­aße. Ich überlege, ob ich wohl etwas falsch gemacht habe bei der Erziehung: Unser Großer fährt noch nicht selbst zur Schule. Nein, ich bin noch der Chauffeur. An der nächsten Ampel stehe ich neben einem Audi, der auf Grün wartet. Eine Mutter mit Sohn sitzt darin. Sie macht dasselbe wie ich. Sie im Auto – ich auf dem Rad. Von ihr gibt es viele – manche mögen sagen zu viele. Von denen, die das Kind mit dem Lastenrad transporti­eren, sieht man dieser Tage immer mehr, und ich freue mich über jeden, den man inspiriere­n kann, umzudenken. Denn wir müssen Umdenken. Wir können nicht weiter mehr Schultaxiv­erkehr generieren und dabei darüber stöhnen, dass die Straßen zu gefährlich für unsere Kinder geworden sind. Schließlic­h sind wir Teil des Problems und eines noch größeren: Wir spielen Holund Bringservi­ce für die Kleinen und nehmen ihnen dabei genau diese Selbstbest­immtheit, die ich als Junge auf dem Weg zur Schule fühlte. Wir nehmen ihnen die Möglichkei­t, ihre eigenen Wege wortwörtli­ch zu er-fahren und klagen gleichzeit­ig, dass sie nicht mehr so selbststän­dig sind wie wir.

Ich passiere die Karmeliten­gasse entlang der Maria-Ward-Schulen. Während ich mich in einer Engstelle befinde, zwängt sich das entgegenko­mmende SUV eines anderen Vaters zügig zwischen mir und parkenden Autos durch. Ich fluche leise. Leise, denn ich will nicht, dass mein junger Fahrgast es hört. Der hat es sich vor mir, auf der Sitzbank unseres Lastenrads, gemütlich gemacht und soll nicht den Eindruck bekommen, dass die Situation gefährlich sei. Ich möchte ihm zeigen, dass es geht. Dass man in Augsburg entspannt Radfahren kann. Für ihn versuche ich, ein bisschen weniger Kampfradle­r zu sein. Was macht der andere Vater seinem Kind nur vor, denke ich. Ich wische den Gedanken beiseite, ich bin auch kein Heiliger. Am Gymnasium bei Sankt Stefan wird es noch mal eng. Ich bin kurz dreist und schlängle mich zwischen den wie ineinander verkeilt wartenden Autos durch. Ich überlege, wie ich meinem Passagier das Selbstbewu­sstsein und die Umsichtigk­eit vermitteln

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