Sie sind süchtig nach dem Heiligen Berg Schlechtes Wetter gibt es für die Wallfahrer nicht
Die Meringer halten auch nach 886 Jahren noch ihr Versprechen ein. Dieses Jahr wird es für die fast 300 Pilger in Andechs aber ganz besonders eng werden
Mering Es ist dieses ganz besondere Gefühl, das fast schon süchtig macht. „Wer noch nie erlebt hat, wenn man die letzten Schritte durch das Kiental läuft und oben am Heiligen Berg angekommen unter dem Läuten der Kirchenglocken vom Abt des Klosters Andechs begrüßt wird, der hat diesen ganz besonderen Geist der Andechswallfahrt leider noch nicht gespürt“, schildert Robert Wiesmann. Der 50-Jährige ist heuer bereits zum elften Mal dabei, wenn sich am Mittwoch, 24. Mai, ab 2.30 Uhr wieder fast 300 Pilger auf zum Heiligen Berg nach Andechs machen.
Die Meringer erfüllen mit der 886. Wallfahrt ein Versprechen. „Damals erhofften sich die Pilger, dass der Ort von der Pest verschont bliebe“, erklärt Wiesmann, der seit 2010 die Leitung übernommen hat. Und tatsächlich sind die Gebete erhört worden.
Wiesmann kam zur Wallfahrt über seine Frau Martina. Sie ist in Mering als Pfarrsekretärin tätig und auch kräftig in die Organisation involviert. Schließlich gilt es, die vielen Anfragen nach Zimmern in Andechs abzuarbeiten. War es noch vor einigen Jahren kein Problem, eine Übernachtungsmöglichkeit zu bekommen, so sind die Betten für die Pilger mittlerweile rar. „Es gibt nun verschärfte Brandschutzregelungen und somit sind es diesmal sogar noch weniger Plätze als zuvor“, bedauert Wiesmann. Statt 120 stehen 80 Schlafplätze zur Verfügung. „Und im Kloster geht es noch ganz streng zu“, sagt Wiesmann und lacht, „da werden Frauen und Männer getrennt untergebracht, selbst wenn sie verheiratet sind.“
Da das Organisationsteam nun mit mehr Pilgern rechnet, die auf die Busse angewiesen sind, gibt es dieses Jahr drei, statt bisher zwei, Busse. Am Mittwoch fährt von Andechs ein Bus ab 15 Uhr und zwei Busse ab 16.30 Uhr nach Mering. Am Donnerstag starten die Busse von St. Afra um 3.45 Uhr und vom Marktplatz um 4 Uhr (siehe Ablaufplan).
Robert Wiesmann läuft immer beide Strecken und übernachtet in Andechs. „Das gehört für mich dazu“, sagt er. Wenn am Abend die Touristen den Heiligen Berg verlassen und nur noch die Pilger „oben bleiben“, ergebe sich das ein oder andere Gespräch. Während die einen lieber die Annehmlichkeiten ihres Zuhauses genießen, zieht er die bescheidenen Unterkünfte im Kloster vor. Wiesmann ist gebürtiger Münchner und gilt damit in Mering als „Zugroaster“. „Mit der Andechswallfahrt, da habe ich die Meringer erst so richtig kennengelernt“, sagt er.
Wiesmann hat von Konrad Happach, der heuer seinen 80. Geburtstag feierte und wieder einen Weg mitläuft, nicht nur die Organisationsaufgaben übernommen, sondern auch das Amt des Vorbeters. „Es ist nämlich eine Wallfahrt und keine sportliche Wanderveranstaltung“, betont Wiesmann. Deshalb werde auch gebetet und Marienlieder gesungen. „Das gehört dazu und so ein Rosenkranz, der hilft über manche Strapaze hinweg“, weiß er aus Erfahrung.
Schlechtes Wetter gibt es für die Andechswallfahrer nicht. „Wir laufen, egal ob es regnet, schneit oder dreißig Grad im Schatten hat“, sagt Wiesmann und legt nach: „So wie es uns der Herrgott gibt, so gehen wir.“
Ein erfahrener Pilger hat in seinem Rucksack leichtes Gepäck und immer eine Flasche Wasser, Regenschutz, Sonnenhut und eventuell einen Energieriegel dabei. „Viel Brotzeit braucht man nicht, weil wir ja genügend Pausen mit Einkehrmöglichkeiten machen“, sagt der Wallfahrtsleiter. Auf die Frage, was denn das wichtigste Utensil ist, sagt Wiesmann ganz klar: „Natürlich der Rosenkranz, denn mindestens acht, wenn nicht sogar neun davon, werden jeweils gebetet.“Weil eben der sportliche Aspekt nicht im Vordergrund steht, sind Walkingstöcke nicht erwünscht.
Wiesmann kennt viele der Andechspilger persönlich und freut sich, dass jedes Jahr Jubilare dabei sind. Heuer ist Konrad Müller zum 25. Mal dabei. Auch Michael Lidl läuft mit seinen 70 Jahren bereits zum 55. Mal mit. Wiesmann bittet die Wallfahrer, die ein Jubiläum feiern können, sich unter der Telefonnummer 08233/74250 im Pfarramt zu melden, sie werden beim Dankgottesdienst am Donnerstag ausgezeichnet.
Jedes Jahr ist es für einen Verein eine besondere Ehre, das Pilgerkreuz tragen zu dürfen. Dieses Jahr übernehmen diese Aufgabe Andreas Schelle, Fred Wunderle und Patrick Hintersberger vom Tischkegelverein Zittergras, der heuer sein 60-jähriges Bestehen feiert. „Ab Moorenweis wird das Kreuz auf dem Rückweg geschmückt sein“, erklärt Wiesmann.
Und an Christi Himmelfahrt kann man am Marktplatz gegen 17 Uhr sicher wieder hören: „Jetz kema’s“Dann läuten die Glocken von St. Michael, die Kommunionkinder und Ministranten warten schon am Ortseingang auf die Pilger und die Blasmusik der Kolpingkapelle begleitet sie bis zur Kirche. Dann fallen die Erschöpfung und die Anstrengung ab, die Freude überwiegt und auch auf die vielen Meringer, die ihre Pilger empfangen, springt dieser ganz besondere Funke über, der noch nach 886 Jahren die Andechswallfahrt am Leben hält.