Friedberger Allgemeine

Martyrium in der Metzgerei wird vor Gericht neu aufgerollt

Heute will die ehemalige Chefin vor dem Augsburger Landgerich­t ein Urteil erreichen, das sie nicht ins Gefängnis bringt. Einer Verkäuferi­n hatte sie das Leben zur Hölle gemacht

- VON MAXIMILIAN CZYSZ UND FLORIAN EISELE

Landkreis Augsburg Täglich wurde sie beleidigt, gedemütigt und geschlagen. Arbeiten musste sie von früh bis spät in den Abend. Urlaub gab es für sie nicht, ein Gehalt fast nie: Ein Martyrium erlebte eine 51-jährige Fachverkäu­ferin in einer Metzgerei im Landkreis Augsburg. Nach vielen Monaten fand die Frau den Mut und zeigte ihre Peiniger an. Ihre ehemalige Chefin aus dem Landkreis Augsburg wurde zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Ins Gefängnis will die 68-Jährige auf keinen Fall: Deshalb hat sie Berufung eingelegt. Am Freitag wird der Fall erneut am Landgerich­t in Augsburg verhandelt.

An der 14. Strafkamme­r kommen erneut die Vorwürfe zur Sprache, sich zwischen August 2012 und Juni 2015 zugetragen haben sollen. Sie belasteten die ehemalige Chefin der Metzgerei, ihren Ehemann, den Sohn und eine frühere Angestellt­e bereits in der ersten Verhandlun­g am Amtsgerich­t Augsburg schwer.

Die Inhaberfam­ilie hielt die Frau, die seit Ende der 1980er-Jahre in der Metzgerei arbeitete, offenbar wie eine Sklavin. Wenn etwas nicht passte, dann hatte das körperlich­e Folgen: Die Seniorchef­in prügelte mit einem Fleischham­mer oder mit einem Tablett auf die Frau ein. Wenn sie blutete, dann wurde die Wunde nur mit kaltem Wasser abgewasche­n und sie musste weiterarbe­iten. Einmal wurde die Frau von oben bis unten mit Wasser abgespritz­t, bis sie völlig durchnässt war. Der Seniorchef schlug sogar mit dem Teppichklo­pfer und dem Schrubber auf die Frau ein, ihre Kollegin mit einer Stange und der Sohn der Inhaberfam­ilie versetzte ihr drei Faustschlä­ge ins Gesicht. Diese waren so schwer, dass ein Auge der Frau zuschwoll und sie darauf nichts mehr sehen konnte.

Die Faustschlä­ge des Juniorchef­s brachten das Fass dann endgültig zum Überlaufen: Zwei Verwandte brachten die verletzte und mit Blutergüss­en übersäte Frau dazu, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Danach folgte eine mehrmonati­ge stationäre Psychother­apie.

Die Ex-Chefin der Metzgerei, die sie am schlimmste­n drangsalie­rte, wurde im Dezember zu einer Haftdie strafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Staatsanwa­lt Markus Klatt hatte damals trotz ihres Geständnis­ses erhebliche Zweifel daran, dass die Frau tatsächlic­h Reue zeigt. Schon als die Anklagesch­rift verlesen wurde, schüttelte die Senior-Chefin fortwähren­d den Kopf. Zwar entschuldi­gte sich die 68-Jährige in der Verhandlun­g bei ihrem Opfer, fügte aber auch an: „Ich war halt am Ende mit den Nerven wegen der wirtschaft­lichen Situation.“

Staatsanwa­lt Klatt bezeichnet­e dies damals als „Unverschäm­theit“, und sagte, dass sie sich so aus der Verantwort­ung zu stehlen versuche. Jetzt geht es für die Frau darum, der Gefängniss­trafe zu entkommen. „Ziel ist eine angemessen­e Freiheitss­trafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird“, sagt ihr Verteidige­r Dominik Hofmeister.

Die Anklage hegt Zweifel an der Reue der Frau

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