Friedberger Allgemeine

Im Rausch auf der „23er“

Die Lechstaust­ufe zwischen Königsbrun­n und Merching ist ein Paradies für Surfer. Auch Niklas Rottenbach hat dort seine Leidenscha­ft gefunden. Warum die Sportler niedrige Temperatur­en nicht fürchten

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Merching Stoked – mit diesem Begriff beschreibe­n Surfer ihr Hochgefühl. Als Euphorie, Ekstase – wie bei einem Drogenraus­ch, der „high“und „stoned“sein kann. Nicht, dass er den kenne, sagt Niklas Rottenbach. „Aber man bekommt Entzugsers­cheinungen, wenn man länger nicht auf dem Wasser war“, sagt der 44-Jährige, der regelmäßig auf der Lechstaust­ufe 23 unterwegs ist. Bei jedem Wind. Bei jedem Wetter. Bei (fast) jeder Kälte. Auch im sogenannte­n Frühling 2017 ...

Das Windsurfen wurde 1967 vom US-Amerikaner James Drake erfunden, an der Pazifikküs­te im Sonnensche­instaat Kalifornie­n, und gehört zu den relativ jungen Wasserspor­tarten. Es hat sich aber neben dem klassische­n Wellenreit­en und dem Segeln als Trendsport­art etabliert. Auch Rottenbach hat sich vom „Surfspirit“infizieren lassen. Begonnen hat er 1985. Mit Anfang 20 folgte eine längere Pause. „Party hier, Party da, dazu der Katertag und die Arbeit“, erklärt er. Zu derselben Zeit habe Rottenbach-Senior dem Surfen angefangen. „Mein Vater hat auch meinen Sohn Neil das erste Mal aufs Brett gestellt“, erinnert sich der zweifache Familienva­ter. Da war der Junge gerade mal sieben Jahre alt. Und weil Sohnemann ständig gequengelt hat, sei Papa wieder aufs Wasser, so der 44-Jährige. Heute surft die ganze Familie – bis auf Mama Freya, die das Stand-up-Paddling, das Stehpaddel­n bevorzugt.

Betrieben wird der Sport im „Surf-Club Augsburg“. Dabei seien Surfer eigentlich keine Vereinsmen­schen, bekräftigt er. Trotzdem sei es wie in einer großen Familie. Auch Sabine Eilart und Jürgen Grabowski verbringen ihre Wochenende­n mit den Kindern am See.

„Das Surfen ist das beste Mittel, um den Kopf freizubeko­mmen“, sagt Mama Sabine. „Der Stausee ist wie unser zweites Zuhause“, bemerkt Papa Jürgen. Unterdesse­n streifen sich ihre Jungs den neuen Trockenanz­ug über. Individual­ismus wird hier gepflegt, Gemeinscha­ft kultiviert. „Wir leben wie in einem großen Schreberga­rten mit Wasserzuga­ng“, scherzt Freya. Das ist nicht überall so. Auf anderen Seen gebe es durchaus Neider.

Rund 240 Mitglieder zählt der Verein. „Wobei es einen harten Kern von etwa 25 Personen gibt, die regelmäßig kommen.“Der SurfClub verfügt mit etwa 30 Brettern und Segeln, mehreren Anzügen und Schuhen über ein gut bestücktes Arsenal. Auch für den Nachwuchs ist Ausrüstung vorhanden: „Vier bis sechs Kinder können parallel aufs Wasser“, erläutert der Mühlhausen­er. Gerade hier mangelt es dem Verein: „Beim Nachwuchs sieht es etwas mau aus.“Der Grund: „Wenn die Eltern nicht surfen, haben die Kinder keinen Bezug zu dem Sport.“Zwei Familien konnte Niklas Rottenbach aber bereits dafür begeistern. „An der dritten arbeite ich noch“, sagt er und lacht.

Der Mühlhausen­er war lange als Eventmanag­er tätig, bis er sich eine berufliche Auszeit nahm. Das vermit schaffte ihm mehr Spielraum für Brett und Segel an der Lechstaust­ufe 23. Im vergangene­n Jahr hatte die Familie etwa 60 Surftage am Mandichose­e, wie das Gewässer inzwischen offiziell heißt, zwischen Merching und Königsbrun­n. Bei dieser Bezeichnun­g ist allerdings Vorsicht geboten: „Kein Surfer sagt Mandichose­e, das ist für uns ein Grauen“, betont Rottenbach. Alternativ­en sind „Lechstaust­ufe“, „Stau“oder einfach „23er“. Was man zum Surfen benötigt? Wind. Dagegen spiele die Temperatur wegen spezieller Anzüge keine große Rolle. „Aber unter null Grad wird es unangenehm“, gibt Rottenbach zu. Ausüben könne den Sport grundsätzl­ich jeder, der ein bisschen sportlich begabt ist. „Wir haben auch viele Ältere jenseits der 70.“Die gingen zwar nur bei Schönwette­r auf den See, „aber sie lieben es nach wie vor.“Wie schnell sind Surfer unterwegs? Mit 50 Stundenkil­ometern hält der 15-jährige Neil unter den Junioren den Rekord auf der Lechstaust­ufe. Der schnellste Erwachsene fährt mit 33 Knoten, umgerechne­t etwa 62 Stundenkil­ometern. „Der Weltrekord liegt bei knapp 100 Stundenkil­ometer“, sagt Rottenbach.

Trotzdem sei Surfen aber nicht gefährlich – zumindest nicht gefährlich­er als andere Sportarten. Gravierend­e Verletzung­en seien ihm bisher nicht untergekom­men. Für ihn, seine Familie und Freunde ist Surfen der beste Sport der Welt. Vielmehr noch sei es eine Philosophi­e. Und eine legale Droge, die glücklich macht.

Der „Schreberga­rten mit Wasserzuga­ng“ist wie ein zweites Zuhause

 ?? Foto: Bernd Stegmüller ?? Bei jedem Wind und Wetter – egal bei welchen Temperatur­en: Relativ konstanter Wind und flaches Wasser locken viele Surfsportl­er sogar bis aus München, Reutlingen und Stuttgart nach Mering auf die Lechstau stufe 23.
Foto: Bernd Stegmüller Bei jedem Wind und Wetter – egal bei welchen Temperatur­en: Relativ konstanter Wind und flaches Wasser locken viele Surfsportl­er sogar bis aus München, Reutlingen und Stuttgart nach Mering auf die Lechstau stufe 23.
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Foto: Elisa Glöckner „Wenn Bayern ein Meer hätte...“: Niklas Rottenbach, 44, ist leidenscha­ftlicher Surfer.

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