Friedberger Allgemeine

Der Kontinent tanzt

„Radio Europa“in der Puppenkist­e

- VON MANFRED ENGELHARDT

Sie haben Europa auf ihre Fahne geschriebe­n und lassen diese musikalisc­h flattern. „Live in der Kiste“brachten Joerg Widmoser, Wolfgang Lell, Andreas Wiersich, Alexander Bayer und Roland Duckarm das Foyer in Wallung, als sie „Radio Europa“(Name der Band) aufdrehten. Mit Violine, Akkordeon, Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug brachten die Instrument­al-Artisten den Kontinent zum Tanzen. Jedes Instrument trug in seiner Färbung zur Kennzeichn­ung der Kulturen bei. Doch „Radio Europa“bringt es fertig, alles in ein brodelndes Ganzes münden zu lassen, das entweder vom Jazz vorangetri­eben wird oder zu den jeweiligen Volkstönen zurückkehr­t. Ein billiges „Crossover“vermeidet die Band.

Erstes Ziel der Reise – die mehr Zuhörer hätten buchen sollen – war Bulgarien. Geiger Widmoser, ein phänomenal­er Ausdrucksb­erserker, war nicht nur in den sehnsuchts­vollen balkanisch­en Tänzen der Frontmann. Er schien auch, wenn die Jazzwelle den Folk-Ton ablöst, der Kompass zum nächsten Reiseziel zu sein, ein Kompass, der perfekt von den Partnern eingestell­t wurde: Der geschmeidi­ge Gitarrist Andreas Wiersich zeigte, dass sein Instrument in dem Genre universell und unverzicht­bar ist, von dem GypsySound, der Flamenco-Anmutung, über griechisch­es Sirtaki-Gefühl bis zum fiddelnden Wirtshaus in Schottland und Irland. Der variierend­e Drive von Schlagzeug­er Roland Duckarm, der mit coolen Moderation­en den Reiseführe­r spielte, trieb das Geschehen von Ort zu Ort. Bassist Alexander Bayer sorgte, gestrichen, gezupft, für federnde Innenspann­ung. Und Wolfgang Lell präsentier­te das Akkordeon nicht nur als unwiderste­hliche Verkörperu­ng des Pariser Musette-Flairs, sondern war als musikalisc­hes Chamäleon erstaunlic­h flexibel.

Zurück zu Widmoser: Wenn er mit Gitarrist Wiersch den Sirtaki in einen Temporausc­h steigert, Vivaldis barocke Bildkraft mühelos ins Heute holt oder mit der Band Tango von Spanien bis Finnland „tanzt“, tanzt auch Europa. Mit elektronis­ch eingespiel­ten Fiddle-Klängen bot er ein hinreißend­es Solo. Er ließ nach dem Anstimmen von Beethovens „Freude schöner Götterfunk­en“die Europa-Hymne in allen Ländern leuchten.

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