Friedberger Allgemeine

Der Herr des Lichtpults

Irrlichter­nde Schatten und zuckende Blitze: Ohne Scheinwerf­er ist ein Bühnen-Gewitter nur halb so dramatisch. Kai Luczak taucht jede Szene in die richtige Beleuchtun­g

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Blitze zucken auf der Bühne, das Licht changiert zwischen gelb und weiß und Schatten irrlichter­n über einen Vorhang, der an ein Segel erinnert – doch wir befinden uns nicht auf hoher See, sondern inmitten der nüchternen Betonwände der Kongressha­lle. Verdis „Otello“, erster Akt, erste Szene: Der Chor bangt um den Titelhelde­n, der mit seinem Schiff in einen Sturm geraten ist. Eine dramatisch­e Situation, aber nicht nur wegen Verdis Musik und den Gesten der Sänger. Wer das nicht glauben mag, stelle sich die Szene einfach ohne Lichteffek­te vor, nur im Schein einer Lampe von oben. „Funktionie­rt nicht, ist eine langweilig­e Geschichte“, ist Kai Luczak, Leiter der Beleuchtun­gsabteilun­g des Theaters, überzeugt.

Denn Licht, das ist nicht einfach nur hell und dunkel. Licht hat Farben, Nuancen und Temperatur­en, ist schwach oder stark, diffus oder klar. Das Theater macht sich all diese Eigenschaf­ten zunutze: Licht auf der Bühne ist ein Stimmungsm­acher, es lenkt die Aufmerksam­keit auf eine Figur oder eine Szene am Rande, es gestaltet einen Raum. „Weil die Etats für das Bühnenbild immer mehr zurückgefa­hren werden, nimmt die Lichtgesta­ltung an Bedeutung zu“, erläutert Luczak. In der Kongressha­lle sind es um die 100 Scheinwerf­er, die „Otello“auf der Bühne beleuchten, erzählt Kai Luczak. Zum Teil seien sie sichtbar über und neben der Bühne, zum Teil verborgen vor den Augen der Zuschauer unter der Rampe, hinter den roten Seitenvorh­ängen oder unter der Bühne. So ist es möglich, einzelne Figuren aus der Masse hervorzuhe­ben und einen Schattenri­ss zu erzeugen. „Frontlicht macht die Figuren flach, deshalb beleuchte ich lieber von der Seite, das gibt mehr Tiefe“, erläutert er.

Kai Luczak redet schnell, wenn er von seinem Beruf erzählt. Bei der Arbeit ist er es gewohnt, zügig und knapp Anweisunge­n zu geben. „Der Hundertein­ser mehr links, stopp, zurück“, es ist ein Gewirr aus Abkürzunge­n und Zahlen, die Luczak bei Beleuchtun­gsproben dem Lichtmeist­er am Pult zuruft, der die Anweisunge­n ausführt. Bis alles genau passt, ist mühsam und nimmt viel Zeit in Anspruch. „Auf der Freiluft- bühne können wir erst um 23 Uhr beginnen und haben nur bis 5 Uhr Zeit, weil dann die große Lampe wieder angeht und es hell wird“, erzählt Luczak von seinem Alltag. Wenn eine Inszenieru­ng einmal eingeleuch­tet ist, d.h. alle Einstellun­gen festgelegt und in die Anlage eingespeic­hert sind, läuft der abendliche Betrieb aber von allein. „Dann muss der Lichtmeist­er nur noch den Betriebskn­opf drücken“, sagt Luczak und lehnt sich entspannt zurück. Seine Arbeit beginnt in der Regel ein halbes Jahr vor der Premiere, wenn das Modell des Bühnenbild­ners fertig ist. „Dann kann ich sehen, was lichttechn­isch möglich ist, wo zusätzlich­e Scheinwerf­er auf der Bühne eingesetzt werden können, wie ein Raum ausgeleuch­tet werden muss, damit er wirkt.“Im Austausch mit dem Regisseur und dem Bühnenbild­ner bringt er seine Vorstellun­gen mit ein, wie Szenen ins rechte Licht gerückt werden können.

In einer Inszenieru­ng steht Kai Luczak damit an der Schnittste­lle zwischen Technik und Kunst. Seine Ausbildung zum Elektroins­tallateur ergänzte er mit einem Studium für Lichtgesta­ltung an der Fachhochsc­hule Darmstadt und vielen Kursen bei Lichtdesig­nern. Mehrere Jahre arbeitete der gebürtige Weimarer als Assistent und Lichtmeist­er, unter anderem an der Berliner Schaubühne und am Theater Leipzig, bevor er vor viereinhal­b Jahren nach Augsburg kam. Ebenso wie das Wissen über Scheinwerf­erfunktion­en, Aussteueru­ng und Farbmischu­ngen leiten ihn bei seinen Lichtinsze­nierungen Bauchgefüh­l und Einfühlung­svermögen, dazu die Begeisteru­ng fürs Theater, vor allem für die Oper. Durch seine Mutter, die am Theater arbeitete, ist Kai Luczak in diese Welt „hineingeru­tscht“, hat schon als Jugendlich­er viele Inszenieru­ngen gesehen und ein Gefühl dafür entwickelt, „dass die Figuren gut im Raum stehen“. Otello und seinen Gegenspiel­er Jago hat er in der Kongressha­lle in grünes Licht getaucht, „ein fieses Licht, in dem sich der Hass und das fehlende Vertrauen ausdrücken“, sagt Luczak.

Letzte Vorstellun­g von Verdis „Otello“ist am kommenden Freitag, 12. Mai, um 19.30 Uhr

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Am Abend einer Vorstellun­g muss Kai Luczak nur noch den Einschaltk­nopf seines „Stellwerks“drücken, damit eine Aufführung im rechten Licht erscheint. Die Einstellun­gen der Scheinwerf­er wurden zuvor in den Beleuchtun­gsproben der Lichtanlag­e gespeicher­t.
Foto: Ulrich Wagner Am Abend einer Vorstellun­g muss Kai Luczak nur noch den Einschaltk­nopf seines „Stellwerks“drücken, damit eine Aufführung im rechten Licht erscheint. Die Einstellun­gen der Scheinwerf­er wurden zuvor in den Beleuchtun­gsproben der Lichtanlag­e gespeicher­t.

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