Der Herr des Lichtpults
Irrlichternde Schatten und zuckende Blitze: Ohne Scheinwerfer ist ein Bühnen-Gewitter nur halb so dramatisch. Kai Luczak taucht jede Szene in die richtige Beleuchtung
Blitze zucken auf der Bühne, das Licht changiert zwischen gelb und weiß und Schatten irrlichtern über einen Vorhang, der an ein Segel erinnert – doch wir befinden uns nicht auf hoher See, sondern inmitten der nüchternen Betonwände der Kongresshalle. Verdis „Otello“, erster Akt, erste Szene: Der Chor bangt um den Titelhelden, der mit seinem Schiff in einen Sturm geraten ist. Eine dramatische Situation, aber nicht nur wegen Verdis Musik und den Gesten der Sänger. Wer das nicht glauben mag, stelle sich die Szene einfach ohne Lichteffekte vor, nur im Schein einer Lampe von oben. „Funktioniert nicht, ist eine langweilige Geschichte“, ist Kai Luczak, Leiter der Beleuchtungsabteilung des Theaters, überzeugt.
Denn Licht, das ist nicht einfach nur hell und dunkel. Licht hat Farben, Nuancen und Temperaturen, ist schwach oder stark, diffus oder klar. Das Theater macht sich all diese Eigenschaften zunutze: Licht auf der Bühne ist ein Stimmungsmacher, es lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Figur oder eine Szene am Rande, es gestaltet einen Raum. „Weil die Etats für das Bühnenbild immer mehr zurückgefahren werden, nimmt die Lichtgestaltung an Bedeutung zu“, erläutert Luczak. In der Kongresshalle sind es um die 100 Scheinwerfer, die „Otello“auf der Bühne beleuchten, erzählt Kai Luczak. Zum Teil seien sie sichtbar über und neben der Bühne, zum Teil verborgen vor den Augen der Zuschauer unter der Rampe, hinter den roten Seitenvorhängen oder unter der Bühne. So ist es möglich, einzelne Figuren aus der Masse hervorzuheben und einen Schattenriss zu erzeugen. „Frontlicht macht die Figuren flach, deshalb beleuchte ich lieber von der Seite, das gibt mehr Tiefe“, erläutert er.
Kai Luczak redet schnell, wenn er von seinem Beruf erzählt. Bei der Arbeit ist er es gewohnt, zügig und knapp Anweisungen zu geben. „Der Hunderteinser mehr links, stopp, zurück“, es ist ein Gewirr aus Abkürzungen und Zahlen, die Luczak bei Beleuchtungsproben dem Lichtmeister am Pult zuruft, der die Anweisungen ausführt. Bis alles genau passt, ist mühsam und nimmt viel Zeit in Anspruch. „Auf der Freiluft- bühne können wir erst um 23 Uhr beginnen und haben nur bis 5 Uhr Zeit, weil dann die große Lampe wieder angeht und es hell wird“, erzählt Luczak von seinem Alltag. Wenn eine Inszenierung einmal eingeleuchtet ist, d.h. alle Einstellungen festgelegt und in die Anlage eingespeichert sind, läuft der abendliche Betrieb aber von allein. „Dann muss der Lichtmeister nur noch den Betriebsknopf drücken“, sagt Luczak und lehnt sich entspannt zurück. Seine Arbeit beginnt in der Regel ein halbes Jahr vor der Premiere, wenn das Modell des Bühnenbildners fertig ist. „Dann kann ich sehen, was lichttechnisch möglich ist, wo zusätzliche Scheinwerfer auf der Bühne eingesetzt werden können, wie ein Raum ausgeleuchtet werden muss, damit er wirkt.“Im Austausch mit dem Regisseur und dem Bühnenbildner bringt er seine Vorstellungen mit ein, wie Szenen ins rechte Licht gerückt werden können.
In einer Inszenierung steht Kai Luczak damit an der Schnittstelle zwischen Technik und Kunst. Seine Ausbildung zum Elektroinstallateur ergänzte er mit einem Studium für Lichtgestaltung an der Fachhochschule Darmstadt und vielen Kursen bei Lichtdesignern. Mehrere Jahre arbeitete der gebürtige Weimarer als Assistent und Lichtmeister, unter anderem an der Berliner Schaubühne und am Theater Leipzig, bevor er vor viereinhalb Jahren nach Augsburg kam. Ebenso wie das Wissen über Scheinwerferfunktionen, Aussteuerung und Farbmischungen leiten ihn bei seinen Lichtinszenierungen Bauchgefühl und Einfühlungsvermögen, dazu die Begeisterung fürs Theater, vor allem für die Oper. Durch seine Mutter, die am Theater arbeitete, ist Kai Luczak in diese Welt „hineingerutscht“, hat schon als Jugendlicher viele Inszenierungen gesehen und ein Gefühl dafür entwickelt, „dass die Figuren gut im Raum stehen“. Otello und seinen Gegenspieler Jago hat er in der Kongresshalle in grünes Licht getaucht, „ein fieses Licht, in dem sich der Hass und das fehlende Vertrauen ausdrücken“, sagt Luczak.
Letzte Vorstellung von Verdis „Otello“ist am kommenden Freitag, 12. Mai, um 19.30 Uhr