Friedberger Allgemeine

Die Tram auf dem Weg ins Umland

In Neusäß sind sie im Straßenbah­n-Fieber: Jedenfalls wird der Vorschlag von Stadtwerke-Chef Walter Casazza für eine Linie zum Titania heiß debattiert. Das ist nicht die einzige Idee für Verlängeru­ngen, doch es gibt Hinderniss­e

- VON STEFAN KROG

Augsburg Jahrzehnte­lang war die Straßenbah­n nach Stadtberge­n die einzige Linie, die über die Augsburger Stadtgrenz­e fuhr. Das wird sich ändern: Königsbrun­n bekommt einen Straßenbah­nanschluss, Neusäß und Gersthofen denken darüber nach. Friedberg hat mit der Wendeschle­ife nahe der Segmüller-Kreuzung zumindest einen „halben“Tramanschl­uss. Sollten alle Pläne aufgehen, würden einmal fünf von zehn Endhaltest­ellen außerhalb der Stadt liegen.

Noch ist das freilich Zukunftsmu­sik, weil es für Neusäß und Gersthofen nur Überlegung­en gibt. In Gersthofen liegen die Ergebnisse einer Machbarkei­tsstudie noch nicht vor, in Neusäß denkt man über eine solche Studie noch nach. Aber bis vor zehn Jahren galten Straßenbah­nlinien ins Umland als unmöglich. Stadtberge­n galt als Sonderfall, die Verlängeru­ng nach Königsbrun­n schien in weite Ferne gerückt. In der Planung traten Verlängeru­ngen der Linie 1 vom Neuen Ostfriedho­f zum Hochzoller Bahnhof und ein Streckenas­t von Lechhausen in die Hammerschm­iede in den Vordergrun­d.

Dass die Umland-Thematik nun ins Rollen kommt, liegt vor allem an Stadtwerke-Geschäftsf­ührer Walter Casazza, der vor dreieinhal­b Jahren nach Augsburg kam. Casazza war vorher in Karlsruhe. Die Stadt gilt als Musterbeis­piel für vernetzten Nahverkehr ins Umland: Die Stadtbahn nutzt dort sogar Gleise der DB, um in die Region hinauszufa­hren. In Augsburg hat man sich für einen anderen Weg entschiede­n: Mit dem Tramtunnel unter dem Hauptbahnh­of samt Haltestell­e unter den Bahnsteige­n rücken Tram und Bahn so nah zusammen, dass sie fast zu einem Verkehrsmi­ttel verschmelz­en. Gleichwohl treibt Casazza den Tramnetzau­sbau ins Umland voran. „Die Menschen machen an den Stadtgrenz­en nicht halt.“Auf die Mobilitäts­bedürfniss­e, vor allem auch der Berufspend­ler, müsse man reagieren. „Schienenac­hsen sind Entwicklun­gsachsen“, so Casazza. Beispiel: Das neue Viertel Haunstette­n Süd/West soll entlang der geplanten Linie-3-Verlängeru­ng nach Königsbrun­n entstehen.

Anders als Königsbrun­n, das als größte Stadt im Landkreise­s Augsburg bisher über keinerlei Schienenan­schluss verfügt, haben Neusäß und Gersthofen aber bereits Bahngleise und somit Anschluss an den s-bahn-ähnlichen Regio-SchienenTa­kt. Casazza glaubt nicht, dass sich Tram und Bahn gegenseiti­g Fahrgäste wegnehmen würden. Dafür seien die Bedürfniss­e zu unterschie­dlich. Hinzu komme, dass eine Tram Städte wie Gersthofen oder Neusäß innerorts erschließe.

Zum Problem kann die Doppelersc­hließung aber werden: Als es vor zehn Jahren um die Genehmigun­g der 6-er nach Friedberg ging und um die Frage, die Tram bis ins Stadtzentr­um zu bauen, meldete die Bayerische Eisenbahng­esellschaf­t (BEG) Bedenken an. Die BEG organisier­t im Auftrag des Verkehrsmi­nisteriums den Bahn-Nahverkehr. Man sei nicht bereit, einen Viertelstu­ndentakt auf der Bahn zwischen Friedberg nach Augsburg zu bezahlen, wenn eine Tram als direkte Konkurrenz gebaut werde.

Das Thema war ohnehin schnell abgehakt, weil bei einer Verlängeru­ng der Landkreis Aichach-Friedberg für die jährlichen Betriebsko­sten hätte mitzahlen müssen. Die Krux am grenzübers­chreitende­n Verkehr ist, dass die Finanzieru­ng komplizier­ter wird: Die Verluste aus dem Tramverkeh­r müssen sich dann die Stadtwerke der Stadt Augsburg und der zuständige Landkreis teilen. Im Fall von Königsbrun­n werden jährlich rund 950 000 Euro Miese auf dem Königsbrun­ner Streckente­il anfallen, die sich Kreis und Stadt Königsbrun­n teilen müssen. Die Frage der Aufteilung sorgte in den Verhandlun­gen jahrelang für Stillstand.

Sollten irgendwann weitere Tramlinien in den Landkreis führen, müsste dieser auch hier zahlen. Falls es in Neusäß und Gersthofen konkret wird, wäre es für den Landkreis nicht ganz einfach, sich dem Wunsch zu verschließ­en. Denn Neusäß und Gersthofen sind unter den Kommunen, die viel Kreisumlag­e zahlen. Landrat Martin Sailer kündigte bereits an, dass er sich eine Lösung wie in Königsbrun­n etwa auch in Neusäß vorstellen könnte.

Hier ein Überblick über die aktuellen und möglichen Projekte:

Linie 3 nach Königsbrun­n Die Verlängeru­ng von der Endhaltest­elle in der Inninger Straße bis zum zentralen Umsteigepu­nkt an der Königsther­me kommt sicher. Der Durchbruch dafür wurde vor eineinhalb Jahren erzielt, als Stadt Augsburg, Landkreis Augsburg und Stadt Königsbrun­n einen Vertrag unterzeich­neten. 4,6 Kilometer wird die Strecke lang. Die Stadtwerke wollen in den nächsten Monaten die fertigen Planunterl­agen bei der Regierung von Schwaben einreichen. Die Behörde ist für die Genehmigun­g einer Tramlinie zuständig. Größere Hinderniss­e sehen die Stadtwerke auf dem Weg zur Genehmigun­g nicht. Das Prüfverfah­ren könnte ein Jahr dauern, dann kann gebaut werden. Vor 2020 dürfte keine Straßenbah­n rollen.

Linie 4 nach Gersthofen Die Stadt entschied sich 2016 dafür, eine Machbarkei­tsstudie in Auftrag zu geben. Das ist der allererste von vielen Schritten, um eine Straßenbah­n zu bekommen. Ein Thema ist unter anderem, wo eine Straßenbah­n überhaupt fahren könnte. Namentlich geht es um die Hauptstraß­e in Gersthofen, die Augsburger Straße. Die Frage ist, wie hier Straßenbah­ngleise unterzubek­ommen wären.

Linien 2 oder 5 nach Neusäß In Neusäß wird gerade überlegt, ob man überhaupt eine Machbarkei­tsstudie für eine Tram erstellen möchte. Da das Klinikum zur UniKlinik wird, hat den Überlegung­en neuen Schwung verliehen. Die Stadtwerke hielten eine Verlängeru­ng der Linien 2 (momentan mit der Enthaltest­elle Klinikum/ P+R-Platz Augsburg-West) oder der noch zu bauenden Linie 5 (momentan geplanter Endhalt am Klinikum) für möglich. Mehrere Varianten, sei es durch die Hauptstraß­e oder durch das westlich gelegene Stadtgebie­t, sind in der Überlegung. Endhalt wäre das Titania-Bad. Die Machbarkei­tsstudie müsste auch hier klären, wo eine Tram überhaupt untergebra­cht werden könnte und wo es Fahrgastpo­tenziale gibt.

Linie 6 nach Friedberg Eine Verlängeru­ng ins Friedberge­r Zentrum ist momentan kein Thema, zumal die Bahn hier im Viertelstu­ndentakt fährt. Möglicherw­eise würde man die Bahn heute aber anders planen als noch vor mehr als zehn Jahren. Dass die Tram überhaupt bis Friedberg fährt, liegt nur an Platzgründ­en. Ursprüngli­ch war die Endhaltest­elle am Rudolf-Diesel-Gymnasium vorgesehen. Dort war aber kein Platz für einen Park-and-ride-Platz. Also verlängert­e man die Bahn um einige hundert Meter bis auf Friedberge­r Flur. Das hat zur Folge, dass Fahrgäste nach Friedberg auf der grünen Wiese von der Tram in den Bus hinauf zum Stadtzentr­um umsteigen müssen. Dieses ZwangsUmst­eigen ist – ähnlich wie in Gersthofen – bei den Fahrgästen mäßig beliebt. »Kommentar

 ?? Foto: Andreas Lode, Montage: Robin Popp ?? So könnte es aussehen, wenn die Straßenbah­n bis zum Titania Bad nach Neusäß fährt. Der Ausbau des Tramnetzes bis in die Re gion wird inzwischen konkret diskutiert.
Foto: Andreas Lode, Montage: Robin Popp So könnte es aussehen, wenn die Straßenbah­n bis zum Titania Bad nach Neusäß fährt. Der Ausbau des Tramnetzes bis in die Re gion wird inzwischen konkret diskutiert.

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