Friedberger Allgemeine

Spezialein­heit der Polizei verliert sensible Daten

Ein Einsatzkom­mando stattet ein Auto mit moderner Technik aus. Keiner darf es als Dienstwage­n erkennen, es soll bei Erpressung­sfällen eingesetzt werden. Doch ein wichtiger Aktenordne­r dazu ist über fünf Jahre verscholle­n

- VON JÖRG HEINZLE

Keiner sollte erkennen, dass es sich um ein Fahrzeug der Polizei handelt. Der unauffälli­ge Oberklasse­wagen des mobilen Einsatzkom­mandos der Augsburger Polizei (MEK) sieht ganz normal aus. Doch er wurde vollgestop­ft mit moderner Technik, unter anderem mit Peilsender, Ortungsger­äten und Funk. Die Schalter dafür wurden an verschiede­nen Stellen versteckt eingebaut. Auch die Mulde für das Reserverad im Kofferraum wurde genutzt, um Technik so zu verbergen, dass niemanden etwas auffällt, der von außen ins Wageninner­e schaut.

Gedacht war das Auto für besonders heikle Einsätze. Etwa für die Übergabe von Lösegeld bei Erpressung­en oder Entführung­en. Polizeiint­ern wird das Kürzel „GÜ-Fzg“genutzt – es steht für Geldüberbr­inger-Fahrzeug. Wie solche Fahrzeuge aussehen und welche Technik darin verbaut ist, gehört zu den streng gehüteten Dienstgehe­imnissen. Nur wenige Beamte sind eingeweiht. Die Fahrzeuge stehen auch nicht im Hof des Präsidiums, sondern oft in eigens angemietet­en Garagen. Es wäre fatal, wenn ein Kriminelle­r die Autos erkennt. Eine Geldüberga­be könnte allein deshalb platzen.

Doch wie gut klappt es mit der Geheimhalt­ung wirklich? Ausgerechn­et ein Aktenordne­r mit allen wichtigen Informatio­nen zum Geld- war beim mobilen Einsatzkom­mando mehr als fünf Jahre lang verscholle­n. Ein MEK-Beamter sagt, das Auto sei immer wieder mit neuester Technik aufgerüste­t worden. Die treibende Kraft sei der hochrangig­e Beamte Klaus Bayerl gewesen. Er war zuerst Chef der Dienststel­le für Organisier­te Kriminalit­ät beim Augsburger Polizeiprä­sidium, das damals noch für ganz Schwaben zuständig war. Und er leitete anschließe­nd von 2001 bis zum Ruhestand 2015 die Kriminalpo­lizei. Er führte viele technische Neuerungen ein.

Intern wurde die hochwertig­e Ausstattun­g des Fahrzeugs auch damit begründet, dass ein Kriminelle­r bei einer Geldüberga­be in Lindau ein ziviles Polizeiaut­o und Beamte erkannt hatte. Der Täter hatte den Müller-Milch-Konzern erpresst. Nach der Panne wurde beim mobilen Einsatzkom­mando eine Geldüberga­be-Gruppe mit speziell geschulten Beamten eingericht­et.

Dass der Ordner mit den Informatio­nen über das Fahrzeug verschwund­en ist, bemerkte ein MEKBeamter in der Zeit um den Jahreswech­sel 2006/2007. Er hatte von einem Vorgesetzt­en den Auftrag bekommen, alle Unterlagen zu sammeln, in denen es um die Geschäftsk­ontakte der Spezialein­heit zu einem hessischen Unternehme­n für Sicherheit­stechnik ging. Ein Polizist aus der Einheit, Manfred D., stand damals unter Verdacht, er habe sich von der Firma bestechen lassen. Die Technik des Unternehme­ns ist auch in dem Geldüberbr­inger-Fahrzeug eingebaut worden. Der Ordner mit den sensiblen Daten war nicht mehr auffindbar. Obwohl er in einem speziell gesicherte­n Raum stand. Nur mit einem Funkschlüs­sel und einem Zahlencode sei der Ordner zu erreichen gewesen, sagt der MEK-Beamte. Er vermutet, dass es ein Kollege gewesen sein muss, der den Ordner dort verschwind­en ließ.

Unklar ist, ob man damals bei der Polizei dem Verlust nachging und ob das Fahrzeug heute noch genutzt wird. In dem Ordner wurden jedenfalls sensible Informatio­nen abgelegt. Nicht nur Fotos des Wagens und Bedienungs­anleitunge­n befanüberb­ringer-Fahrzeug

Mobile Einsatzkom­mandos – kurz MEK – gibt es an mehreren Stand orten in Bayern. Eine dieser Spezialein heiten ist beim Polizeiprä­sidium Schwaben Nord in Augsburg angesie delt. Die Beamten des MEK küm mern sich vor allem Observatio­nen und Fahndungen in Fällen von Schwer kriminalit­ät, sie werden aber auch bei Festnahmen eingesetzt. Dazu setzen sie auch Überwachun­gstechnik wie Peil und Ortungsger­äte ein. Sie nutzen Zivilfahrz­euge mit Spezialtec­h den sich darin, sondern offenbar auch Einsatzkon­zepte und die Namen von Polizisten, die bei einer Geldüberga­be eingesetzt werden sollten. Auch für Scheingesc­häfte, etwa im Drogenmili­eu, war das Auto gedacht. Hierzu sollte es mit breiten Reifen und Alufelgen jeweils passend „aufgemotzt“werden.

Aufgetauch­t ist der Aktenordne­r erst wieder im Lauf des Jahres 2012. Der MEK-Beamte Manfred D. war einige Wochen zuvor nach einem jahrelange­n Verfahren in zweiter Instanz vom Vorwurf der Bestechlic­hkeit freigespro­chen worden. Weil Manfred D. während des Verfahrens dazu gedrängt wurde, den Dienst zu quittieren, klagt er derzeit vor dem Landgerich­t auf Schadeners­atz. Er hat gute Chancen, vom nik, die so verbaut ist, dass man es von außen nicht erkennt. Auch Funk geräte werden verdeckt eingebaut. Die Fahrzeuge des MEK werden mitun ter auch als Firmenfahr­zeuge oder Ähnliches getarnt.

Beamten der Spezialein­satzkom mandos (SEK) sind vor allem für überrasche­nde und schwierige Zugriffe ausgebilde­t – etwa bei Geiselnah men, aber auch bei Razzien oder Sui zidversuch­en. In Bayern gibt es SEKs in München und Nürnberg. (jöh) Freistaat nun 60000 Euro Entschädig­ung zu bekommen. Der Ordner mit den Fahrzeugda­ten, erzählt Manfred D., sei eines Tages morgens bei ihm vor der Haustür gestanden. Verpackt in eine Plastiktüt­e. Seine Frau habe ihn entdeckt, als sie das Haus verließ. D. meldete den rätselhaft­en Fund bei seinen ehemaligen Kollegen vom MEK. Auch die Kripo wurde eingeschal­tet.

Doch es ließ sich nicht aufklären, wer den Ordner in den gut fünf Jahren

Welche Aufgaben haben die Spezialkrä­fte der Polizei? Eines Morgens steht der Ordner vor der Haustür

hatte und wer an die heiklen Informatio­nen kam, die darin enthalten sind. Es bleibt ein bis heute ungeklärte­r Fall. Unklar ist auch der Verbleib eines zweiten Ordners mit Dokumenten des Einsatzkom­mandos – der mit den Geschäftsu­nterlagen im Fall Manfred D. Der Ordner kam nie zu den Ermittlung­sakten, obwohl er entlastend­e Informatio­nen enthielt.

Erst im Jahr 2012 tauchten die Dokumente wieder auf. Der MEKBeamte, der seinerzeit den Ordner auf Anweisung des Vorgesetzt­en erstellt hatte, brachte Kopien davon zum Berufungsp­rozess im Fall Manfred D. mit. Warum dieser Ordner verschwand und wo er heute ist – auch darauf hat man im Polizeiprä­sidium noch immer keine Antwort.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Ihre Fahrzeuge sind von außen nicht als Polizeiwag­en zu erkennen: Ein Einsatzkom­mando der Polizei bei einem Einsatz vor zwei Jahren in Königsbrun­n.
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