Friedberger Allgemeine

Keine Totenruhe auf Kosten von Kindern

Im Friedberge­r Stadtgebie­t sind auf den Friedhöfen nur noch Grabsteine aus zertifizie­rter Herkunft erlaubt. Doch offenbar sind es nicht nur finanziell­e Gründe, warum Angehörige zu Billigange­boten greifen

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Zehntausen­de indische Kinder arbeiten in Steinbrüch­en und Werkstätte­n – bei Temperatur­en um 40 Grad, ohne Schutz für Augen, Ohren und Lunge fertigen sie billige Grabsteine für den Weltmarkt. Die Lebenserwa­rtung der Mädchen und Jungen liegt nur bei 30 bis 40 Jahren. Immer mehr Kommunen wollen diese ausbeuteri­sche Kinderarbe­it verhindern, indem sie die Verwendung dieser Grabsteine auf ihren Friedhöfen verbieten. Auch die Stadt Friedberg ändert ihre Friedhofss­atzung entspreche­nd. „Wir retten damit die Welt nicht, aber ein Stück weit leisten wir einen Beitrag“, sagte Bürgermeis­ter Roland Eichmann (SPD).

Möglich ist dies, nachdem der Freistaat Bayern im vergangene­n Jahr die rechtliche­n Voraussetz­un- geschaffen hat. Zuvor hatte das Bundesverw­altungsger­icht ein Verbot der Stadt Nürnberg gekippt, weil dadurch in die Berufsfrei­heit der Steinmetze und Naturstein­händler eingegriff­en werde. Dies bedürfe aber einer gesetzlich­en Ermächtigu­ngsgrundla­ge.

Das zum 1. September 2016 in Kraft getretene Gesetz können die Kommunen nun einen Nachweis verlangen, dass die Herstellun­g „ohne schlimmste Formen von Kinderarbe­it“erfolgt ist. Das geschieht durch eine lückenlose Dokumentat­ion, wonach Grabsteine und -einfassung­en ausschließ­lich aus der EU und der Schweiz stammen. Andernfall­s ist eine schriftlic­he Zertifizie­rung durch eine unabhängig­e Organisati­on nötig, welche die Herstellun­g regelmäßig und unangemeld­et vor Ort kontrollie­rt und die selbst nicht an der Herstellun­g oder dem Handel von Naturstein beteiligt ist. Solche Zertifizie­rungsstell­en gibt es inzwischen mehrere. Auf ihre Dienste verlassen sich auch die Mitgliedsb­etriebe der Steinmetz-Innung Nordschwab­en, deren Vorstand Mario Michl aus Friedberg angehört. „Der Vorstand hat sich hier klar positionie­rt. Wir sind absolut gegen Kinderarbe­it“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Über ihre Einkaufsge­nossenscha­ft beziehen die Steinmetze nur Grabdenkmä­ler aus zertifizie­rter Herstellun­g. Mario Michl hat nach eigenen Aussagen in seinem Betrieb keinerlei Direktimpo­rte.

Bereits 2013 hat der Bundesverb­and der Steinmetze in Abstimmung mit dem Deutschen Städtetag dazu eine Richtlinie erarbeitet. Darüber hinaus wollen die Steinmetze die Lebensverh­ältnisse der Menschen verbessern, die mit der Progen duktion beschäftig­t sind. Für jeden verwendete­n Stein gehe ein bestimmter Betrag an die Herkunftsl­änder, um dort die Familien zu unterstütz­en, Kindergärt­en, Schulen und Infrastruk­tur auszubauen, berichtet Mario Michl.

Doch auch wenn sich die Innungsbet­riebe an die Vereinbaru­ng halten – ganz auszuschli­eßen ist offenbar nicht, dass Billiganbi­eter Steine aus Kinderarbe­it beziehen. Das fürchtet Stadtrat Jakob Eichele (Freie Wähler), der als Gärtner am Friedhof zu tun hat. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, wenn ich sehe, was alles aus dem Ausland hereinkomm­t“, sagte er im Werkaussch­uss. Auch Bürgermeis­ter Eichmann räumte ein, dass die Wahl des Grabsteins häufig eine Preisfrage sei. „Wir glauben trotzdem, dass es richtig ist“, sagte er zu der Satzungsän­derung.

Dass nicht unbedingt nur finanziell­e Aspekte den Ausschlag geben, weiß dagegen Mario Michl. Alle Kommunen bieten nach seinen Worten inzwischen günstige Bestattung­smöglichke­iten an. Das geht los mit 300 Euro für die Beschriftu­ng der Platte an einer Urnenwand, wie es sie zum Beispiel am Friedhof Herrgottsr­uh gibt. „Es geht aber nicht nur ums Geld. Unsere Bestattung­skultur wandelt sich extrem“, bedauert Michl.

Der familiäre Zusammenha­lt gehe durch die steigende Mobilität verloren, das Grab spiele für die Angehörige­n nicht mehr die zentrale Rolle bei der Trauer. Auf den ländlichen Friedhöfen sei das Grabdenkma­l oft noch ein Statussymb­ol. Doch schon in Friedberg löse sich das inzwischen auf. „Aber es ist schade, wenn man im Tod vergessen wird“, findet er. »Kommentar

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