Drei Gänge und ein Mord in bester Gesellschaft
Das Obere Stadttor in Aichach ist Schauplatz eines Verbrechens. Die 24-jährige Autorin Sabrina Wolv verfasste die Drehbuchvorlage zum Krimidinner-Spiel. Parallel dazu erscheint im nächsten Monat ihr Debütroman
„London in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Gebiet um den Hafen ist völlig übervölkert. Hunger, Alkohol und Diebstahl sind ebenso alltäglich wie das Verbrechen. Viele Frauen sichern das Überleben ihrer Familien durch Gelegenheitsprostitution. Dieses ganze Elend sammelt sich im Stadtteil Whitechapel. Dann wird das Armenviertel von einer brutalen Mordserie erschüttert. Alles deutet auf das Werk eines sadistischen Wahnsinnigen hin. Der Herbst des Schreckens hat begonnen!“ Aichach Friedberg Mit diesen Worten leitet die 24-jährige Aichacherin Sabrina Peschke, bekannt unter ihrem Pseudonym Sabrina Wolv, den Abend ein. Zehn Teilnehmer haben sich in schaurig-historischer Atmosphäre in den alten Gemäuern des Oberen Stadttors in Aichach verabredet. Die Gesellschaft trifft sich zum Krimidinner – drei Gänge gibt es. Und mit jedem Gang tauchen neue Indizien und Beweise auf, die belastende Informationen ans Licht bringen. Das Drehbuch für diese beliebte Form des Rollenspiels hat Sabrina Wolv selbst verfasst. Morde, Intrigen, Geheimnisse gilt es für die Teilnehmer zu entschlüsseln. Es ist fast wie bei Sherlock Holmes, nur hier ist es nicht wie vor dem Fernseher, denn man ist mittendrin. Jeder könnte der Mörder sein, der sich am Ende des Spiels als „Jack the Ripper“zu erkennen gibt. Das Stück basiert auf der Geschichte um den berüchtigten Serienkiller.
Die Grundbausteine, also die Rollenbeschreibungen, Beweise und Hintergrundhandlung dafür lieferte die Autorin Sabrina Wolv in langer, mühevoller Detailarbeit selbst. „Das Ganze zu verflechten ist ziemliche Fieselarbeit. Bis alles passt, mir gefällt und Sinn hat, kann es dauern“, erzählt die Autorin.
Die vielschichtigen Charaktere haben eine besondere Tiefe und beruhen auf historischen Figuren. Niemand ist, als was er auf den ersten Blick erscheint. Weder der schmierige jüdische Arzt, der in seinem schäbigen Mantel in einer Tour wettert und dadurch sofort jeden Verdacht auf sich zieht, oder die feine englische Dame, noch der rechtschaffen wirkende Polizist mit dem glatten Gesicht unter seinem lächerlich wirkenden Schnauzer. Jeder Teilnehmer übernimmt eine Rolle, geht in ihr auf und versucht, sich deren Persönlichkeit und Geschichte anzueignen. Der Mörder sitzt schließlich mit in der Runde der Verdächtigen. Am Ende droht die Anklage. Jeder erklärt, wen er für den Täter hält und wieso.
Zu selbst gekochtem Menü, bestehend aus Schnitzel, Kartoffelpüree und Tiramisu, schallen tief religiöse Bekehrungsversuche, überraschende Liebesbekenntnisse oder wilde Verdächtigungen durch den Raum. Die Atmosphäre ist lebendig und man fühlt sich 150 Jahre zurückversetzt. Jeder ist Teil der viktorianischen Gesellschaft.
Niemand in der Runde hat ein reines Gewissen, jeder belastet den anderen mit neuen Beweisen, die diesen zum potenziellen Massenmörder werden lassen könnten. Das Ganze ähnelt einem Improvisationstheater. Sei es illegaler Organhandel, Kleptomanie oder die Geheimbundmitgliedschaft, die Liste der dunklen Geheimnisse, die Stück für Stück ans Licht kommen, ist lang.
Nach drei Stunden Spielzeit und anschließend hitziger Diskussion, ist der Fall gelöst. So undurchdringlich und verwoben waren die Handlungsstränge, dass schon ein gewisses Genie erforderlich war, sie alle zu entwirren.
Die Autorin ist selbst leidenschaftliche Anhängerin dieser beliebten Rollenspielform und hat für ihre Recherche in Filmen und Büchern einige Stunden investiert. Das alles neben ihrem eigentlichen Beruf als Sozialpädagogin an einer Schule im Dachauer Land.
Großen Spielspaß an diesem Abend erlebt auch die 18-jährige Franca Maitherth, der man ihre Theatererfahrung anmerkt. In einem Schulstück wirkt sie als Josef K. in Kafkas „Der Prozess“mit. „Zusammen von Runde zu Runde spannende Zusammenhänge herauszufinden und mit der eigenen schauspielerischen Leistung zur Lösung des Falls beizutragen, macht schon Spaß“, sagt sie.