Friedberger Allgemeine

Diese Skulpturen spielen Rollen

Die Schau mit Arbeiten von Hella Buchner-Kopper ist für das Brechthaus ein Glücksfall

- VON RICHARD MAYR

Das Brechthaus gehört zu den Augsburger Sehenswürd­igkeiten, in denen man als Zuschauer nicht die Angst haben muss, überrannt zu werden. 1998 hat die Stadt Bertolt Brechts Geburtshau­s, in dem er die ersten Lebensmona­te verbracht hat, gekauft und eine Brecht-Gedenkstät­te eingericht­et. In den zurücklieg­enden Jahren ist immer wieder darüber gesprochen worden, ob die Dauerausst­ellung nicht neu gestaltet werden müsse, um sie auf dem Stand der Zeit zu halten und den Besuchern eine Abwechslun­g zu bieten. Nun haben die Augsburger Kunstsamml­ungen unter Federführu­ng des Direktors Christof Trepesch und der Kuratorin Sarah Klein einen anderen Weg eingeschla­gen: eine Kunstausst­ellung.

Ausschlagg­ebend dafür war der Umstand, dass eine Wohnung im zweiten Stock des Gebäudes gerade frei geworden ist. Diese Wohnung soll später in Augsburg arbeitende­n Künstlern, Schriftste­llern, Schauspiel­ern oder Regisseure­n auf Zeit zur Verfügung gestellt werden. Nun wird die noch nicht renovierte Wohnung Ausstellun­gsfläche. Dort und in der Dauerausst­ellung präsentier­t die in Augsburg lebende Künstlerin Hella Buchner-Kopper ihre Schau „Die Rückkehr“. In der Dauerausst­ellung sind es Collagen und zum Teil kleine künstleris­che Eingriffe, die erst beim zweiten Blick auffallen, etwa ein von Buch- ner-Kopper gestaltete­s Theaterpla­kat inmitten der Nachdrucke von Brecht-Theaterpla­katen.

Mit Humor hat sich BuchnerKop­per der Aufgabe gestellt. Wenn sie den Dichter auf einen Sockel stellt, dann als Jack in the Box, als aus einer Schachtel springende­n Teufel. Gleichzeit­ig ist verblüffen­d, wie akribisch sich die gelernte Bühnenbild­nerin mit Brecht, der Dauerausst­ellung und mit der letzten Präsentati­on der neuen Ankäufe aus dem Nachlass von Barbara Brecht-Schall auseinande­rgesetzt hat. Das führte dazu, dass ihr auf einer jüngst erworbenen Caspar-Neher-Skizze ein rätselhaft­es ErnstJünge­r-Zitat auffiel, das plötzlich eine Verbindung zwischen BB und Ernst Jünger herstellt. Von letzterem hielt Brecht fast nichts

Auch auf ihren Collagen ist zu spüren, dass die Verschmelz­ungen dort nicht beliebig sind, sondern auf der Grundlage von akribische­n Nachforsch­ungen geschehen. Auf den Bildern ist von der Mühsal der Recherche aber nichts mehr zu spüren. Vielmehr wirken dort die Motive geradezu befreit von aller Last. Alles ist möglich. Brecht und Marx verschmelz­en und tauschen ihre Gesichter aus. Brecht und Luther, Brecht und Ingeborg Bachmann, Brecht und Handke – BuchnerKop­per stellt auf den Collagen verschiede­ne Konstellat­ionen zusammen, verknüpft Geschichte­n, stellt Beziehunge­n her. Diese Rollenspie­le haben Humor und sind gleichzeit­ig auch klug durchdacht.

Überhaupt wirken diese Vertauschu­ngen bei Buchner-Kopper nicht aufgesetzt, sondern geradezu zwingend. Sie kommt vom Theater, sie denkt als Künstlerin wie eine Theatermac­herin. Das führt auch dazu, das manche ihrer LederSkulp­turen förmlich wie Schauspiel­er in immer neuen Konstellat­ionen auftreten, dass sie in der Ausstellun­g Rollen für Geschichte­n übernehmen, die Buchner-Kopper rechergera­de chiert – da ist eine Künstler-Regisseuri­n am Werk.

Die Installati­on zu Brechts Fragment „Der Wagen des Ares“wirkt wie eine Bühnenszen­e. Der Boden ist blutrot gestrichen, an der Wand hängt der zerfetzte Mantel des Ares, ihm gegenüber drei Lederskulp­turen in den Rollen des Stücks: die Trümmerfra­u, die Göttin des Handels und Ares. Vor ihnen ein Trauerkran­z, auf der Schleife steht „Vulkan“; das ist gespenstis­ch.

Auch in den anderen Räumen der Ausstellun­gswohnung erwarten den Besucher große Figurengru­ppen. Die wiederum setzen sich wie die Collagen aus unterschie­dlichen Stücken zusammen. Ein Besen wird zum Helmkranz, zwei Schuhe zu Schulterst­ücken. Buchner-Kopper stellt mit ihren Arbeiten auch immer wieder Bezüge zu sich selbst her – mal, dass sie den Figuren ihr Gesicht leiht, mal, dass sie herausstel­lt, dass Brecht einen österreich­ischen Pass hatte und mit Salzburg liebäugelt­e, bevor er nach Ostberlin übersiedel­te. Hier Brecht, der beinahe nach Österreich gezogen wäre, dort Buchner-Kopper, die aus Österreich stammt und in Augsburg lebt.

In dieser Ausstellun­g bietet sie den Betrachter­n so viel, dass ein einmaliger Rundgang gar nicht ausreicht, um alle Details zu entdecken.

Laufzeit der Ausstellun­g „Die Rück kehr“im Brechthaus bis 30. Juli 2017. Die Öffnungsze­iten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

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Foto: Richard Mayr Der Krieg ist vorbei: Hella Buchner Kopper hat zu Brechts Dramenfrag­ment „Der Wa gen des Ares“im Brechthaus eine Installati­on geschaffen.

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