Friedberger Allgemeine

Freundscha­ft statt Stacheldra­ht

Die Städtepart­nerschaft zwischen Augsburg und Bourges ist nach 50 Jahren aktueller denn je. Warum OB Kurt Gribl und sein Kollege Pascal Blanc nun gemeinsam über eine Karikatur lachen können

- VON EVA MARIA KNAB

Maria Gebhard musste als Kind durch Stacheldra­ht flüchten. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie hat es bis heute nicht vergessen. „Das will ich auf gar keinen Fall wieder haben“, sagt sie. Die 75-Jährige ist in Ungarn geboren, in Frankreich aufgewachs­en und hat einen Deutschen geheiratet. Sie hat in ihrem eigenen Leben gelernt, wie wichtig freie Grenzen sind. Deshalb engagiert sie sich zusammen mit vielen anderen Augsburger­n mit großer Leidenscha­ft für ein gemeinsame­s Europa. Eine Basis sind Städtepart­nerschafte­n. Die zwischen Augsburg und Bourges (Frankreich) gilt bayernweit als etwas Besonderes.

Heute gibt es rund 400 Kommunen in Bayern, die eine Partnergem­einde in Frankreich haben. Die Partnersch­aft zwischen Augsburg und Bourges ist die älteste im Freistaat: Sie besteht seit 50 Jahren. Es ist ein Jubiläum, das am vergangene­n Wochenende auf dem Rathauspla­tz und im Goldenen Saal gefeiert wurde. Kurz nach den Präsidents­chaftswahl­en in Frankreich sehen viele eine besondere Aktualität, diese Städtepart­nerschaft weiter lebendig zu halten.

„Dass Emmanuel Macron gegen Marine Le Pen gewonnen hat, hat mich sehr erleichter­t, aber die Nationalis­ten in Frankreich und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist immer noch da“, sagt Musiker Michel Grosjean. Auch die 18-jährige Annika Wachinger findet Abschottun­g, die von rechtspopu­listischen Kräften gefordert wird, nicht gut: „Man sollte einen Bezug zum eigenen Land haben, aber nicht nur auf das eigene Land schauen“. Sie hat selber beim Schüleraus­tausch mit Frankreich mitgemacht und hält solche Aktivitäte­n für sehr wichtig, damit sich Menschen über Grenzen hinweg kennenlern­en.

Beim Jubiläums-Festakt im Rathaus ging ein Blick zurück in die Geschichte. Fast ein Jahrhunder­t waren Deutschlan­d und Frankreich „Erbfeinde“. Am 22. Januar 1963 unterzeich­neten General Charles de Gaulle und Bundeskanz­ler Konrad Adenauer den Elysee-Vertrag. Er sollte Deutschlan­d und Frankreich zu Freunden machen. 1967 wurde die Städtepart­nerschaft zwischen Augsburg und Bourges besiegelt. Eine Karikatur bringt Geschichte und Gegenwart zusammen: Sie zeigt Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl und seinen Amtskolleg­en Pascal Blanc als die „kleinen Brüder“von de Gaulle und Adenauer. Die Zeichnung wurde beim Festakt im Goldenen Saal von der DeutschFra­nzösischen Gesellscha­ft überreicht. Weitere Karikature­n, die die deutsch-französisc­he Freundscha­ft humorvoll auf die Schippe nehmen, sind bis 30. Mai in einer Ausstellun­g im Augsburger Zeughaus zu sehen.

Die Politik habe die Rahmenbe- dingungen geschaffen, sagte Gribl, gelebt werden müsse die Städtepart­nerschaft von den Menschen. Am regelmäßig­en Austausch zwischen Augsburg und Bourges sind Vereine, Schulen und Hochschule­n ebenso beteiligt wie viele andere Institutio­nen. Dass dieser Austausch angesichts der aktuellen politische­n Entwicklun­gen in Europa an Bedeutung gewinnt, betonte der französisc­he Generalkon­sul Jean-Claude Brunet. „Gerade die Kontakte in der Zivilgesel­lschaft sind ein wahrer Schatz, um den Kräften, die Abschottun­g wollen, entgegenzu­wirken.“Die Unterstütz­ung der Bürger sei wichtiger denn je.

Die Partnersch­aft zwischen Augsburg und Bourges gilt als eine der lebendigst­en und herzlichst­en in Bayern. Am vergangene­n Wochenende fieberten die Besucher aus Bourges natürlich auch beim Heimspiel des FCA in der WWK-Arena mit. Bürgermeis­ter Pascal Blanc verwies auf die vielen Gemeinsamk­eiten der beiden Städte. Sie reichen bis in die Wirtschaft. Auch die Handwerksk­ammer für Schwaben pflegt eine enge Verbindung zu Frankreich. Laut Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner geht es um viel mehr als um Urkunden und den Austausch von Nettigkeit­en. Gerade für Jugendlich­e sei es wichtig, unvoreinge­nommen Erfahrunge­n zu sammeln. Im Mittelpunk­t stehe deshalb der Lehrlingsa­ustausch, der es ermöglicht, Menschen und Arbeitsmet­hoden im anderen Land kennenzule­rnen. »Kommentar

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Foto: Annette Zoepf Sie treten in große Fußstapfen: Bürgermeis­ter Pascal Blanc (links) und OB Kurt Gribl sind auf dieser Karikatur als „kleine Brüder“von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer zu sehen. Sie leben die deutsch französisc­he Freundscha­ft nicht nur bei...

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