Hat Augsburg Lust auf Mozart?
Simon Pickel verantwortet erstmals das Programm des Mozartfests, das am Freitag beginnt. Er möchte sich nicht nur an den Besucherzahlen messen lassen. Wichtig ist für das Festival auch, dem Bildungsauftrag nachzukommen
Herr Pickel, Sie sind Leiter des Mozartbüros. Das wurde nicht zuletzt ins Leben gerufen, um dem von der Stadt veranstalteten Mozartfest mehr Geltung zu verschaffen. In wenigen Tagen startet das erste von Ihnen verantwortete Festival. Da stehen Sie momentan bestimmt unter Druck. Simon Pickel: Jaaa (lacht) – aber sagen wir’s mal so: Der Druck wird dadurch kanalisiert, dass ich von morgens bis abends in der Organisation des Festivals drinstecke und deshalb vom eigentlichen Druck gar nicht so viel mitbekomme. Wenn ich mehr Zeit hätte zum Nachdenken, wäre bestimmt auch mehr Druck da. Viel größer als der Druck ist übrigens die Vorfreude. Pickel: Das Brechtfestival ist etwas völlig anderes. Bei Brecht ist es einfacher, ein Festival populär zu machen. Allein wenn man die Brechtnacht anschaut, von der ja die großen Besucherzahlen herkommen, ist diese wesentlich von Rock- und Popmusik bestimmt. Dass damit eine deutlich größere Zielgruppe zu erreichen ist als mit Mozart, ist klar. Für mich sind das zwei verschiedene Welten, da möchte ich nicht Besucherzahlen vergleichen. Pickel: Ich denke, dass wir finanziell ganz gut hinkommen werden. Mir geht es in erster Linie gar nicht darum, ob ich am Ende so und so viel eingenommen habe. Entscheidend ist doch, ob ich das, was ich vermitteln wollte, auch vermitteln konnte. Denn das unterscheidet ein öffentlich finanziertes von einem privat getragenen Festival: Die öffentliche Hand hat einen Bildungsauftrag. Insofern rechtfertigt sich der Erfolg eines Festivals maßgeblich dadurch, dass man diesem Auftrag nachkommt. Wenn ich den Druck hätte, alles zu hundert Prozent refinanzieren zu müssen, würde das Programm anders aussehen. Pickel: Der große Unterschied besteht darin, dass der Wettbewerb keine Veranstaltung für ein großes ist. Was ich allerdings mitgenommen habe, ist die Erkenntnis, dass die Augsburger immer sehr spät dran sind mit der Entscheidung, ins Konzert zu gehen… Pickel: … ja, und das macht die Planung manchmal ein bisschen schwierig. Bis zum Tag des Konzerts schaut’s leer aus, und am Abend kommt, salopp gesagt, die Meute. Pickel: Viel hängt von den Möglichkeiten ab, die ich in der Stadt habe, um das Festival zur öffentlichen Wahrnehmung zu bringen. Diese Möglichkeiten sind in Augsburg, vor allem in der Innenstadt, beschränkt – beispielsweise geht es nicht, Straßenbanner aufzuhängen. Darüber hinaus ist wichtig, was aus dem jeweiligen Moment heraus entsteht. Wenn die Leute schon am ersten Festivalwochenende begeistert sind und diese Begeisterung weitertragen, dann kann Festivalatmosphäre entstehen. Wir versuchen, mit ungewöhnlichen Formaten wie etwa den Künstlergesprächen dazu beizutragen. Letztlich aber kann man AtmoPublikum sphäre wohl nicht künstlich erzeugen. Augsburg muss auch zeigen, dass es selbst Lust auf so ein Festival hat. Pickel: Ich bin nicht angetreten für ein Festival, in dem wir nichts als Mozart mit ein bisschen schmückendem Beiwerk spielen. Mit dem Programm möchte ich zeigen, welche Auswirkungen Mozart gehabt hat und auch, was auf ihn selbst gewirkt hat. Deshalb fangen wir in diesem Jahr mit der „Spurensuche“an, wie unser Thema lautet. Ich möchte dazu beitragen, dass man Mozart ein bisschen besser versteht, und dazu ist es notwendig, Linien zu folgen, die auch von Mozart weglaufen. Pickel: Stimmt definitiv nicht.
Pickel: Klare Ansage. Die Schwierigkeit ist, das Publikum zu erreichen. Gerade auf die jungen Leute prasselt heute dermaßen viel ein, das macht die Sache nicht einfach. Man muss versuchen, die Leute in ihrer Alltagsumgebung zu treffen, was wir hier etwa mit unserer Clubnacht tun oder mit den Künstlergesprächen im Café Picnic. Das ist natürlich keine pauschale Lösung. Wenn man nur noch Konzerte an ungewöhnlichen Orten veranstaltet und nicht mehr an Plätzen wie dem Kleinen Goldenen Saal, dann gibt man auf, was man selber ist. Es wird auch weiterhin Leute geben, die sehr gerne ein klassisches Abendkonzert besuchen, und die will ich auch haben. Aber wenn man mal woanders hingeht und dort zeigt, Mozart beißt nicht, baut man vielleicht diese typischen Klassik-Zugangshürden ab. Pickel: Unsere teuerste Karte kostet 44 Euro, das finde ich für ein klassisches Festival extrem niedrig. Wenn ich mir ansehe, was ich bei anderen Festivals bezahle – auch hier in der Stadt –, ist das ein Bruchteil. Am anderen Ende der Skala gehen die Preise für Normalzahler herunter bis elf Euro. Das ist leistbar. Hinzu kommt, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal ein U-28-Programm haben. Das heißt, wer unter 28 ist, kann eine Stunde vor Konzertbeginn an den Schalter gehen und bekommt dort jede Karte, die noch verfügbar ist, für zehn Euro. Pickel: Dass es nicht nur in Augsburg, sondern überregional wahrgenommen wird als Festival, von dem es heißt: Das hat Qualität, da gehe ich hin, ganz egal, was gespielt wird.
Simon Pickel ist seit Herbst 2015 Leiter des Mozart büros der Stadt Augsburg. Damit verantwortet er auch das Mozartfest.