Was ist bloß los mit der SPD?
Die Niederlage der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen ist auch für ihre hiesigen Genossen ein Schlag. Warum sie für die Bundestagswahl trotzdem noch Hoffnung haben
Aichach Friedberg Nach drei Wahlschlappen, aktuell am Sonntag in Nordrhein-Westfalen, herrscht in der SPD bedrückte Stimmung – oder doch nicht? Wir befragten führende Sozialdemokraten im Wittelsbacher Land.
Der SPD-Kreisvorsitzende Bernd Bante zeigte sich wenig erfreut über das Wahlergebnis in NordrheinWestfalen. Es mache es nicht einfacher, die Bundestagswahl im September zu gewinnen, aber auch nicht unmöglich, erklärte er. Die SPD müsse noch stärker ihre Inhalte an die Wähler bringen und das nicht nur über soziale Netzwerke, sondern über die Kernarbeit vor Ort. „Wir müssen noch konkreter werden und unser Wahlprogramm besser vermarkten“, sagt er. Aber der Schulz–Effekt sei noch nicht dahin. „Der Mann hat Langstreckenqualitäten und weiß, dass man einen langen Atem braucht“, betonte Bante. „Uns geht die Luft noch nicht aus.“
Der Meringer Bürgermeister Hans Dieter Kandler macht vor allem den Umgang mit der aktuellen Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen für die Niederlage seiner Partei „Es ist unter Hannelore Kraft nicht gelungen, den Menschen das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln.“Wer Angst um seine Familie hat und sich bedroht fühlt, tendiere eher zu einer „Law-andOrder“-Politik, wie sie vonseiten der Konservativen propagiert werde. Dies sei ein deutliches Zeichen für seine Partei, dass man mit reiner Beschwichtigungspolitik nicht weiter machen kann. „Das nehmen einem die Leute nicht ab“, so Kandler.
Auch im bildungspolitischen Bereich sei die SPD in NRW abgeschmiert. „Die Gleichmacherei wollen die Menschen nicht“, sagt Kandler. Es sei den Menschen wichtig, dass die Kinder eine gute Schulbildung erhalten. Den SPD-Kanzlerkandidaten Schulz könne man für dieses Wahlergebnis nicht verantwortlich machen.
Kissings Bürgermeister Manfred Wolf sagt, dass er zu Vorgängen in einem anderen Bundesland nichts sagen will. „Ich mache keine Bundesund Landespolitik, weil ich nicht in der Bundes- oder Landesliga spiele, sondern ich arbeite auf kommunaler Ebene.“
Der Friedberger Bürgermeister Roland Eichmann erklärt, der Wahlausgang sei ein deutlicher Rückschlag. Vor zwei Monaten hätte das Ergebnis seiner Ansicht nach vielleicht noch anders ausgesehen, aber die Stimmung der Wähler sei wechselhaft. „Bis zur Bundestagswahl ist noch einiges möglich“, sagt er.
Die Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr spricht von einer „saftigen Niederlage“in NordrheinWestfalen. Ihrer Ansicht nach hat die SPD landespolitische Fehler gemacht. So habe sie beim Thema Bildung das Feld der FDP überlassen. „Eine offene Flanke hatten wir auch beim Thema Sicherheit“, findet die stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Hier müsse die SPD die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Trotz des schlechten Ergebnisses bei der Wahl lässt Strohmayr den Kopf nicht hängen. „Ich blicke nach vorne.“Der viel zitierte Schulz-Zug sei noch nicht abgefahren. Allerdings müsse man die Fahrtroute korrigieren. Strohmayr: „Wir haben noch viereinhalb Monate bis zur Bundestagswahl, da kann man noch eine Menge rumreißen.“Es gehe vor alverantwortlich: lem darum, die Positionen der SPD bei einigen Themen wie der Bildung und der inneren Sicherheit deutlicher zu machen.
Helga Holland, die als SPD-Einzelkämpferin dem Marktgemeinderat Aindling angehört, fordert, ihre Partei müsse nun weiterkämpfen. Das Wahlergebnis findet sie „sehr, sehr schade“. Die abgewählte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft habe „einiges vorangebracht“. Auch wenn der sogenannte Schulz-Effekt der SPD nicht half, die NRW-Wahl zu gewinnen, hält Holland den früheren Präsidenten des EU-Parlaments für „genau den richtigen Kanzlerkandidaten“. Er habe viele Vorschläge präsentiert, die für eine soziale SPD stünden, etwa das Ende befristeter Arbeitsverträge oder die Wiedereinführung der paritätischen Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zur Sozialversicherung. „Das ist genau das, was den ganz normalen Durchschnittsverdiener berührt.“Doch die sozialen Themen seien überschattet worden von der Debatte um Flüchtlinge und dem Ruf nach mehr Sicherheit.
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