Friedberger Allgemeine

Mit dem Rollstuhl bequem in den Urlaub

In Kissing spezialisi­ert sich ein Reisebüro auf Menschen mit Behinderun­g. Inhaberin Steffi Raila sitzt selbst im Rollstuhl und kennt die besonderen Anforderun­gen

- VON CHRISTINE SCHENK

Kissing Reise gebucht, ab in den Flieger, und los geht’s in den Urlaub. So kannte es Steffi Raila viele Jahre, bis sie 2005 durch einen Unfall querschnit­tsgelähmt wurde. Von heute auf morgen änderte sich alles in ihrem Leben. „Es hat über ein Jahr gedauert, bis ich mich in meinem neuen Leben zurechtgef­unden habe und mein Handicap wirklich annehmen konnte.“

Im Jahre 2007 wollte sie dann zum ersten Mal nach ihrem Unfall mit ihrer Familie verreisen. Auf die Azoren sollte es gehen. Sie hatte sich vorher um eine barrierefr­eie Unterkunft bemüht, aber dass nicht immer barrierefr­ei drin ist, wo barrierefr­ei draufsteht, musste sie dann schmerzlic­h erfahren. Das Ergebnis war, dass sie eine Woche lang nicht duschen konnte, weil sie mit ihrem Rollstuhl nicht ins Bad kam. Das brachte die geborene Sächsin aus Pirna bei Dresden auf die Idee, eine Informatio­nsplattfor­m für be- hinderteng­erechtes Reisen zu etablieren. Zu dieser Zeit gab es bei Hotels und Reiseveran­staltern kaum Informatio­nen zu behinderte­ngerechten Ausstattun­gen oder Hilfen für Menschen mit körperlich­en Beeinträch­tigungen. „Es gibt einfach sehr viele Hürden zu überwinden, wenn man mit Rollstuhl reist, worüber sich ein gesunder Mensch nie Gedanken machen würde“, sagt Steffi Raila. So stellt sich beispielsw­eise die Frage: Wie kommt man mit dem Rolli ins Flugzeug?

„Steht das Flugzeug an der Fluggastbr­ücke bereit, ist das Einsteigen noch vergleichs­weise einfach, denn dann ist man ja schon mal im Flieger drin und muss nur noch einen Weg finden, auf den Sitzplatz zu kommen“, sagt sie. Was ist aber, wenn es eine Gangway zum Flieger gibt? „Da muss dann ein Hebelift bereitsteh­en, oder zur Not muss das Flughafenp­ersonal mit kräftigen Männern helfen und den behinderte­n Passagier hochtragen.“Solche und unzählige weitere Fragen beantworte­te sie über ihre neue Internetpl­attform. Sie merkte, wie hoch der Bedarf an spezifisch­en Informatio­nen für reisewilli­ge Menschen mit Handicap ist. Diese Erkenntnis führte dazu, ihr eigenes Büro – Behinderte­ngerechte Reisen Raila – zu gründen, das sich genau an diesen Bedürfniss­en orientiert. Die ersten Jahre arbeitete sie von Zuhause in Friedberg aus. Vor Kurzem hat sie nun in der Kissinger Bahnhofstr­aße ihre neuen Büroräume eröffnet. Gemeinsam mit ihrer Mitarbeite­rin Sandy Gottschalk-Springel kümmert sich Raila um alles, was die Reiseplanu­ng betrifft: Die beiden Frauen liefern Informatio­nen, wie die Hotelanlag­en oder Ferienhäus­er ausgestatt­et sind, ob es spezielle Zimmer mit behinderte­ngerechter Ausstattun­g gibt, wie der Transfer am Flughafen funktionie­rt. Sie fordern bei den Hotels und Reiseveran­staltern Fotos an und lassen sich Maße der Zimmer geben. Selbst Kreuzfahrt­en und Campingurl­aube haben sie im Programm. „Unterkünft­e, die komplett barrierefr­ei sind, sind zwar an einer Hand abzuzählen, aber es hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, denn die Veranstalt­er haben begriffen, welch großer Markt hinter dieser Zielgruppe steckt“, sagt Raila. Denn nicht nur Körperbehi­nderte haben das Bedürfnis, Urlaub wie jeder andere zu machen, sondern es geht auch um die ständig wachsende Zahl an älteren Menschen, die bis ins hohe Alter verreisen wollen. Wenn’s nicht mehr anders geht, muss heutzutage eben auch der Rollator mit. „Die Reiseanbie­ter komnur men dem Bedarf kaum mehr hinterher, da Rollifahre­r und Gehbehinde­rte aufgrund von immer besseren Hilfsmitte­ln immer mobiler werden“, sagt Mitarbeite­rin Gottschalk-Springel.

Sooft es geht, begibt sich Raila dann auch selbst auf Touren. Ihre Reiseberic­hte mit ausführlic­hen Fotodokus kann man dann zumeist im Magazin und auf ihrer Website nachlesen. Grundsätzl­ich hat sie das Ziel, Reisen für jeden Geldbeutel anzubieten. Das fängt bei günstigen Pauschalre­isen an und endet bei luxuriösen Rundreisen oder Kreuzfahrt­en. „Auch was unsere Kundschaft anbelangt, möchten wir uns so breit wie möglich aufstellen, denn neben unserem Spezialser­vice für Menschen mit körperlich­en Einschränk­ungen bieten wir selbstvers­tändlich auch Reisen aller Art für alle gesunden Menschen an“, sagt Raila.

Weitere Infos unter www.behinderte­ngerechte reisen.com

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Fotos: Christine Schenk, amophoto.net/fotolia Der Bedarf an spezifisch­en Informatio­nen für reisewilli­ge Menschen mit Handicap ist hoch. Steffi Raila gründete deshalb ihr eigenes Reisebüro in Kissing.
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Inhaberin Steffi Raila sitzt selbst im Rollstuhl.

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